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Er schaut über den Tellerrand hinaus

Marius Frehner stand schon im besten Restaurant der Welt am Herd. Er kocht am liebsten über offenem Feuer und hat sich in Zürich ein kleines Gastroreich aufgebaut.

Marius Frehner ist in Russikon aufgewachsen und in Wetzikon zur Schule gegangen., Nach einer Kochlehre vermittelt ihm sein damaliger Chef eine Stelle im legendären Restaurant «Celler de Can Roca»., Mittlerweile hat er sich mit einem eigenen Restaurant in Zürich etabliert.

Christian Merz

Er schaut über den Tellerrand hinaus

Marius Frehner spricht von schönen Momenten. Vom grossen Garten des alten Bauernhauses in Russikon, dem Tisch unter der Linde. «Es kamen immer Freunde meiner Eltern, dann wurde gegessen und getrunken. Essen assoziiere ich deshalb mit guter Stimmung.» Das habe ihn damals schon fasziniert, wenn wohl noch unterbewusst.

Dass sein Weg dereinst in die Gastronomie führen wird, sei dennoch alles andere als vorgezeichnet gewesen. «Es war keineswegs so, dass ich von klein auf Koch werden wollte», sagt Frehner.

Er sitzt an einem Dienstag in seinem Restaurant Gamper in Zürich, von wo aus er sich ein kleines Gastro-Reich aufgebaut hat. Gleich nebenan ist die Gamper Weinbar, auf der anderen Seite der Bahngleise ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt liegt das Restaurant Wermut, an dem er ebenfalls beteiligt ist.

Späte Berufung

Eben noch im Zwiegespräch mit seinem Souschef nimmt er sich bei einem Espresso nun ausführlich Zeit und spricht angeregt über seinen Werdegang. Und bald auch über Dinge, die weit über den Tellerrand hinausgehen. Frehner, Jahrgang 1981, macht sich Gedanken über Konsumgesellschaft und Kapitalismus, die Nahrungsmittelindustrie und die Verantwortung seiner Branche.

Seine Berufung als Koch findet er spät. Nach dem Besuch der Rudolf Steiner Schule in Wetzikon, zieht seine Familie 1999 nach Zürich. Frehner besucht die Privatschule Akad und will die eidgenössische Matura abschliessen.  «Nachdem ich den zweiten Teil nicht bestanden hatte, wollte ich aber nicht weiter zur  Schule.» Obwohl er gerne in die Schule gegangen sei, hätten ihm zu Hause einfach Fleiss und Disziplin gefehlt, sagt er und lacht.

«Ich mochte die Rolle des Gastgebers, habe schon früh oft und gerne gekocht.»

Frehner denkt an die Hotelfachschule als möglichen, weiteren Weg. «Ich mochte die Rolle des Gastgebers, habe schon früh oft und gerne gekocht.» Er erzählt, wie er einst als 12-Jähriger ein 10-gängiges Menü gekocht habe.

Sein Bruder habe serviert, während er in der Küche stand. Ein Gespräch an der Hotelfachschule wird dann zum Schlüsselerlebnis. «Ich hatte null gastronomische Vorkenntnisse. Also empfahl man mir eine Lehre. » Danach wisse man, ob man im Metier Gastronomie bleiben wolle, sagte man ihm. «Ich bin diesem Menschen heute noch dankbar», so Frehner.

Der Lehrmeister und Mentor

Was folgt, ist für den jungen Mann ein Glücksfall: Im Zürcher Hotel Greulich schnuppert er einen Tag lang als Koch und arbeitet offenbar derart gut, das man ihm am selben Abend die Lehrstelle offeriert. Sein Lehrmeister, der Katalane David Martínez Salvany wird zu seinem Mentor. Bis heute, wie Frehner betont.

Der mit einem Michelin-Stern dekorierte Koch öffnet ihm die Türen zu verschiedenen hochklassigen Restaurants in Spanien. «Ich war bestimmt kein schlechter Lehrling und blieb nach meinem Abschluss noch ein weiteres Jahr im Greulich», sagt Frehner. «David hätte mich behalten können und ich wäre ein funktionierender Mitarbeiter gewesen. Aber er warf mich quasi ins kalte Wasser und sagte: Jetzt musst du raus.»

Martínez Salvany organisiert ihm 2006 ein unbezahltes Praktikum im «El Celler de Can Roca» im katalanischen Girona. Das preisgekrönte Restaurant hatte damals noch zwei Michelin-Sterne, später wurde es mehrfach als bestes Restaurant der Welt ausgezeichnet.

So wird im preisgekrönten «Celler de Can Roca» gekocht. (Quelle: youtube.com)

Der 39-Jährige beginnt zu schwärmen. «Die Zeit in Spanien war die schönste in meinem Kochleben.» Bis 2011 bleibt er, abgesehen vom Zivildiensteinsatz in der Schweiz, in Spanien und arbeitet sich nach der Zeit im «Celler» unter anderem im Zwei-Sterne-Restaurant Abac in Barcelona zum Sous-Chef hoch.

Offenes Feuer

Seine Liebe zum Kochen auf offenem Feuer stammt aus dieser Zeit, ein Jahr lang betreute Frehner im « Abac » den Grill. «Ich habe das geliebt, es ist ein Spiel», sagt der Koch. «Mit Feuer die richtige Wärmequelle hinzukriegen, braucht sehr viel Gefühl. Das reizt mich am Kochen.»

«Das Kochen ist am Feuer am schwierigsten. Und dementsprechend am spannendsten. »

Nicht nach Rezept wolle er kochen. Sondern mit verschiedenen Umständen und Begebenheiten umgehen und spüren, dass ein Produkt gut werde. «Das ist am Feuer am schwierigsten. Und dementsprechend am spannendsten. Es ist eine Herausforderung, aber es macht mir am meisten Spass.»

Aus seinen spanischen Jahren sind ihm lange Kochzeiten und der Wert, den ein Produkt bekommt, wenn man ihm Zeit gibt, am meisten geblieben. Überhaupt: Der Stellenwert des Essens sei ein ganz anderer dort. «Mit allen kannst du übers Essen reden. Und nicht nur oberflächlich, sondern sehr spezifisch. Das hat mich fasziniert.»

Dass er schliesslich 2011 wieder in die Schweiz zurückkehrt, hat vor allem mit der Finanzkrise 2008 zu tun, die Spanien hart traf und von der sich auch die Gastronomie nur langsam erholte. Die Krise sei noch lange spürbar gewesen. «Ich merkte, dass ich jemandem dort den Job wegnehme. Jemandem, der die Miete bezahlen muss und vielleicht Kinder hat. Ich hingegen kann nach Hause und finde einen Job.»

Rückkehr nach Zürich

Frehner landet wieder in Zürich. Nach Zwischenstationen in verschiedenen Restaurants wagt er 2015 den Schritt in die Selbständigkeit. Im « Gamper » findet der Koch, was er sich wünscht: Einen bereits installierten Holzkohlegrill in der kleinen Küche. Hier kann er seine Vision umsetzen. Ein Restaurant ohne Karte, zu essen gibt es nur ein 5-Gänge-Überraschungsmenü.

Mit Zutaten von ausgewählten Produzenten, möglichst aus der erweiterten Region. Dazu gehört auch die Sennerei Bachtel oder Gemüse des Bauern Matthias Holenstein aus Mönchaltorf. Sein Menü ändert oft, je nachdem, was er gerade an Produkten zur Verfügung hat.

Thunfisch und anderes Meeresgetier lässt Frehner bewusst weg. «Das Thema Nachhaltigkeit wurde je länger, je wichtiger für mich. Ich würde es lieben, Fisch aus dem Mittelmeer zu servieren. Aber es gibt schlicht nicht mehr genug.» Klar, man könne ihn von irgendwoher einfliegen lassen, aber das mache für ihn keinen Sinn.

Fleisch setzt er nur sehr bewusst ein und kauft, wenn möglich, ganze Tiere. «Ich finde, man steht als Koch schon auch in der Verantwortung. Muss sich Fragen stellen wie: Was gibt es noch? Woher kommt es? Was genau wird mit dem Produkt gemacht?» Darum sei es ihm wichtig, seine Produzenten zu kennen und sie zu besuchen. «Ich will am Schluss die Verantwortung übernehmen, für das was auf dem Teller liegt.»

Kein Chichi auf dem Teller

Gegen Ende des Gesprächs wird Frehner philosophisch. Die Corona-Krise habe ihm Zeit gegeben, durchzuatmen. «Ich musste mich anpassen, wir haben weniger Plätze. Aber kleiner zu denken ist ein Segen für mich.» Klar sei es finanziell nicht lässig.

« Geh mal nach Spanien, dort sieht so eine Krise anders aus.»

«Aber wir sind immer noch alle in der Schweiz. In der Blase, in die wir alle hineingeboren wurden. Geh mal nach Spanien, dort sieht so eine Krise anders aus.» Er hofft, dass bestenfalls ein Ruck durch die Menschheit geht. «Nicht immer jederzeit alles wollen. Vielleicht mal mit etwas weniger zufrieden sein? Dann hätten wir es doch auch gut?», fragt er sein Gegenüber und lacht.  

Die Jagd nach Sternen und Punkten übrigens, hat für ihn im Laufe der Jahre an Bedeutung verloren. Geschmack steht bei Frehner über allem. «Auf meinem  Teller gibt es nichts, was keinen Sinn macht. Ich dekoriere nichts mit Kräutern. Die Kräuter sind da wegen dem Geschmack, darum hat es auch eine Menge davon, wenn ich sie brauche.»

Es klingt abgedroschen, trifft aber auf Frehner wirklich zu: Er lässt das Produkt für sich sprechen. Und verzichtet auf Chichi und Firlefanz. Ein halber Lattich vom Grill kommt beispielsweise bei einem kürzlichen Besuch auf den Teller. An einer wunderbaren Blauschimmelsauce.

«Schlicht betörend schlicht», so beschreibt die NZZ Frehners Restaurant. 15 Punkte für eine Küche von hoher Qualität und Kreativität verleiht der Restaurantführer Gault Millau dem « Gamper » . Bezeichnend für den zurückhaltenden Frehner übrigens, dass er das mit keinem Wort erwähnt.  

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