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Politik

«Schweizermacher» im kleinen Gremium

Seit das neue Bürgerrechtsgesetz in Kraft ist, haben manche Gemeinden ihre Einbürgerungspraxis geändert. Statt der Stimmbürger an der Gemeindeversammlung befindet vielfach ein kleines Gremium darüber, wer den roten Pass erhält.

Im Tösstal gibt es lokale Unterschiede bei der Einbürgerungspraxis.,

Pixabay

«Schweizermacher» im kleinen Gremium

Wie «Züriost» am 6. März berichtete, nehmen die Einbürgerungen auch in den Gemeinden des Tösstals zu. Die Einbürgerungspraxis ist hingegen unterschiedlich. Bauma ist der Praxis der Einbürgerung an der Gemeindeversammlung treu.

Üblicherweise kein Traktandum, zu dem viele Bürger gehört werden möchten, weiss Gemeindeschreiber Robert o Fröhlich. «In der Regel geht das relativ schnell.» Allerdings habe man auch schon Antragstellern geraten, ihr Gesuch zu sistieren, um ihre Kenntnisse noch zu verbessern, oder es ganz zurückzuziehen.

So viele Ausländer bürgerte das Tösstal ein

06.03.2020

Studie zu Einbürgerungsquoten

Die Anzahl Einbürgerungen haben in den letzten 30 Jahren schweizweit zugenommen. Beitrag in Merkliste speichern Der Einzubürgernde ist in der Regel anwesend und braucht den Saal während der Abstimmung nur bei entsprechendem Antrag zu verlassen. Die Versammlung weiss freilich, dass er bereits erfolgreich einen Hindernisparcours absolviert hat. Denn g emäss Bürgerrechtsgesetz muss er mit den hiesigen Lebensverhältnissen vertraut sein – was auf lokaler Ebene meist von Gremien der Gemeinde überprüft wird.

Persönliche Vorstellung

Nebst der Nachweise – wie Auszüge aus Strafregister und Schuldennachweis – ist ein Deutschtest abzulegen. Geprüft wird in einer Privatschule in Winterthur. Erst dann folgt die persönliche Begegnung mit dem Bürgerrechtsausschuss, bestehend aus drei Personen, einschliesslich dem Gemeindepräsidenten. Der Ausschuss prüft während rund 20 Minuten die Integration.

Susanne Graf, stellvertretende Gemeindeschreiberin von Bauma, ist als Protokollführerin dabei. «Wir möchten, dass der Termin im Gemeindehaus entspannt ist», erklärt sie. Dennoch: Das Gremium will in Erfahrung bringen, ob der Kandidat lokale Gepflogenheiten kennt, Vereine aufzählen kann, sich mit geografischen Begebenheiten wie den Namen von Weilern auskennt.

«Wir möchten herausfinden, ob jemand wirklich eine Beziehung zu Bauma hat.»

Susanne Graf, stellvertretende Gemeindeschreiberin von Bauma

Zwar seien die Fragen nicht auf hohem Niveau, stellt Graf fest, «aber wir möchten herausfinden, ob jemand wirklich eine Beziehung zu Bauma hat.» « Was zeigen Sie jemandem in Bauma, der aus dem Ausland bei Ihnen zu Besuch ist?», lautet eine der Fragen. Ist der Bewerber geeignet, Bürger von Bauma zu werden, wird dem Gemeinderat empfohlen, den Antrag der Gemeindeversammlung zur Zustimmung vorzulegen.

Selbst wenn eine Mehrheit ablehnen würde, könnte der Pass nicht ohne Weiteres verwehrt werden. «Der Kandidat kann Rechtsmittel ergreifen. Die Ablehnung müsste daher genau begründet und im Protokoll festgehalten werden», erläutert Fröhlich. Anschliessend durchläuft das Gesuch wiederum die kantonale und die Bundesbehörde – ein Prozedere, das selten unter zwei Jahren dauert.

Gespräch individuell angepasst

In Zell bestimmt die Exekutive, wer Zeller wird. Ein Ausschuss des Gemeinderats legt dem Gesamtgemeinderat seine Empfehlung vor, der aufgrund dieser Vorberatung seine Entscheidung fällt. Für dieses Verfahren spricht, dass ein solches Gremium im Fall eines Rechtsmittelverfahrens den abschlägigen Bescheid besser begründen kann.

Tatsächlich hat Zell jährlich in einigen wenigen Fällen in einem Verfahren diese Gründe darzulegen, und bislang folgte die Beschwerdeinstanz stets dem Entscheid des Gemeinderats.

An einem Vorstellungstermin wird der Antragsteller in Zell eingeladen, sich dem dem zweiköpfigen Gremium vorzustellen. Eine Pattsituation ergab sich gemäss Gemeindeschreiber Erkan Metschli-Roth bislang nie. Eine Sachbearbeiterin der Einwohnerkontrolle hat eine beratende Stimme inne, sie hat den Antragsteller in der Regel durch verschiedene Verwaltungskontakte schon kennengelernt.

Kanidaten nicht entmutigen

«Zwar gibt es einen festgelegten Fragekatalog», sagt Gemeindeschreiber Erkan Metschli-Roth, «doch soll das Gespräch möglichst frei geführt und der jeweiligen Lebenssituation angepasst werden.» Vereinszugehörigkeit sei keine Pflicht, jedoch sollte der Einzubürgernde regelmässigen Austausch zu Schweizern pflegen. Grundsätzlich seien Anzeichen der Integration gesucht, die freilich vielfältig sein könnten.

Nach rund einstündigem Gespräch zeichnet sich der Entscheid meist deutlich ab, ansonsten kann zum zweiten Termin geladen werden, wie Metschli-Roth weiter erklärt. Der Antragsteller kann auf das Gespräch beharren, auch wenn der Deutschtest ihm ein schlechtes Zeugnis ausstellte. In diesem Fall weist der Ausschuss darauf hin, dass die mangelnde Kenntnis seine Chancen deutlich schmälern.

«Wir sind keine Einbürgerungsturbos.»

Erkan Metschli-Roth, Gemeindeschreiber von Zell

Der Gemeindeschreiber selbst ermutigt Kandidaten, deren erster Anlauf erfolglos war, sich nach einer Verbesserung erneut zu melden. «Wir sind keine Einbürgerungsturbos», betont Metschli-Roth fest, «aber wir wollen den Wunsch, Schweizer zu werden, auch nicht einfach abwürgen.» In Zell wolle man «mit Herz und Verstand entscheiden».

Gremium wechselt Mitglieder

Seit der Änderung der Einbürgerungspraxis (siehe Box) hat sich das neue System in Turbenthal als zeitsparend erwiesen, erklärt Gemeindeschreiber Jürg Schenkel. Und zwar für Verwaltung wie auch für die Antragsteller. War früher eine Wartezeit von sechs Monaten keine Seltenheit, so lässt sich derselbe Prozess nun in der Regel innerhalb von acht Wochen abwickeln.

Der Ausschuss von drei Gemeinderäten wechselt halbjährlich, mit Ausnahme des Gemeindepräsidenten, der dauerhaften Einsitz hat. Während dieser kurzen Amtszeit werden immerhin zwei bis drei Gesuche behandelt. Aufgrund seiner Eindrücke stellt der Ausschuss den Einbürgerungsantrag an den abschliessend entscheidenden Gemeinderat.

Zu lernender Stoff ist bekannt

Antragsteller werden jeweils vor einer Gemeinderatssitzung eingeladen, sich während einer halben Stunde den Fragen des Ausschusses zu stellen. Der Fragenkatalog basiert auf der Informationsbroschüre des Bundes, beschränkt sich also auf Infos, die man ich vorbereiten kann. Das gilt auch für den Kommunalteil, den Turbenthal schriftlich abgibt.

«Wenn jemand dazu gar nichts zu sagen weiss, wirkt das etwas mager.»

Jürg Schenkel, Gemeindeschreiber Turbenthal

«Allerdings haben wir drei Fragebögen erarbeitet, um jeweils abzuwechseln», verrät Schenkel. Dies, um zu verhindern, dass Antragsteller sich informieren, auf welche Fragen sie «pauken» sollen. Abgefragt werden etwa Namen von lokalen Vereinen und Geschäften. «Wenn jemand dazu gar nichts zu sagen weiss, wirkt das etwas mager», sagt Schenkel.

In Erfahrung bringen will das Gremium auch, ob Antragsteller mit Kindern die Elternabende wahrnehmen. Gewichtig für den Entscheid, wie jemand integriert ist, sei auch, ob Kinder an Klassenlagern und Schwimmunterricht teilnehmen dürfen, so Schenkel.  Dies alleine wäre wohl nicht ausschlaggebend, würde aber zusammen mit anderen Hinweisen auf mangelnde Integration zu einem negativen Entscheid führen. (Roland Schäfli)
 

Gute Integration ist Pflicht
Das revidierte Bürgerrechtsgesetz, am 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt, soll sicherstellen, dass nur gut integrierte Ausländerinnen und Ausländer eingebürgert werden. Nur Personen, die über eine Niederlassungsbewilligung verfügen, seit mindestens zehn Jahren in der Schweiz leben und in der Schweiz integriert sind, können den Antrag stellen. Als integriert gilt, wer Sprachkenntnisse in einer Landessprache ausweist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung beachtet, die Werte der Bundesverfassung befolgt und sich um die Integration seiner Familie kümmert.

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