«Der Valentinstag gehört nicht allein der Geschenkindustrie»
Die reformierte Kirche führt am Freitag zum fünften Mal eine eigene Valentinsfeier durch. Matthias Rüsch sagt im Interview, warum die Kirche den Tag, den viele mit Materialismus und Konsum verbinden, feiern darf.
Herr Rüsch, ist die reformierte Kirche so verzweifelt auf Mitgliedersuche, dass sie jetzt auch noch auf den Valentinszug aufspringen muss?
Matthias Rüsch: Das ist kein Verzweiflungsakt. Aber die reformierte Kirche will seit langer Zeit bei den Leuten sein und soll deshalb auch mit der Zeit gehen. Natürlich haben Sie Recht, dass die Valentinsfeier grundsätzlich nichts Kirchliches ist. Wir haben uns aber etwas überlegt: Die Wirtschaft beansprucht Weihnachten für sich, obwohl es im Ursprung etwas Christliches ist. Wenn die Wirtschaft das machen kann, können wir es auch, einfach umgekehrt. Wir machen aus etwas Kommerziellem etwas Christliches. Und beim genaueren Betrachten ist das, was der Valentinstag behandelt auch etwas Ur-Christliches.
Sie spielen damit die Liebe an. Doch beim Valentinstag geht es doch vor allem darum, mehr Rosen und Liebeskärtchen zu verkaufen. Für manche bedeutet der Tag sogar einen nervigen Schenk-Zwang.
Das stimmt, aber wir probieren dem Rosenkaufzwang einen Inhalt zu geben, sodass er nicht nur Kaufrausch wird. Wir wollen den Leuten zeigen, dass es an diesem Tag auch um Gutes gehen kann, nämlich Liebe und menschliche Beziehungen. Und übrigens weigere auch ich mich, meiner Frau an diesem Tag Rosen zu schenken. Ich lasse mir nicht vom Blumenladen vorschreiben, wann ich Blumen kaufe. Ich nehme an der Feier also durchaus auch mit einem Augenzwinkern teil.
Der vorherige Vergleich stimmt nicht ganz, da es an Weihnachten um die Geburt von Christus geht, während der Valentinstag ein aus den USA importierter Brauch ist, der nur am Rande mit etwas Kirchlichem zu tun hat.
Natürlich hinkt der Vergleich. Aber genauso falsch ist es, wenn man solche Bräuche einfach der Geschenkindustrie überlässt. Die Kirche hat zu diesen Themen durchaus etwas zu sagen.
Zum Beispiel?
An unserem Anlass können sich Paare daran erinnern, wie sie geheiratet haben, darüber sinnieren, was sie sich versprochen haben und wie man zusammen unterwegs ist.
Handelt es sich denn um einen ganz normalen Gottesdienst mit etwas Valentins-Geschmack?
Die Veranstaltung ist völlig anders. Eine Konfirmandin singt moderne Lieder. Wir schmücken die Kirche mit Herzchen und Ballonen. Und im Anschluss an die Feier findet in der Kirche ein Apéro statt, wo wir den Besuchern ein Cüpli offerieren. Die Feier ist kürzer und es wird auch keine Predigt geben.
Zahlen sich solche Anlässe Mitgliedermässig aus?
Ich gebe zu, es handelt sich auch um eine PR-Veranstaltung, wie es eine Kollegin einmal sagte. Da müssen wir ganz ehrlich sein. Aber deswegen tritt niemand in die Kirche ein. Ich bin aber sicher, dass sich solche Feiern insofern auszahlen, als wir damit den Leuten zeigen können, dass die Kirche auch zu modernen Dingen etwas zu sagen hat.
Der Valentinsfeier in der reformierten Kirche Uster findet am Freitag, um 19 Uhr statt. Geleitet wird der Anlass von Pfarrerin Silvia Trüssel und Pfarrer Matthias Rüsch.