«Jedes Bild wird nur so gut, wie das Auge des Fotografen ist»
Die beiden Ponys Filou und Jago blicken neugierig unter der Mähne hervor, die ihnen fast bis über die Augen geht. Als Timur Tekyeli, Fotograf aus Kyburg, den Tieren näher kommt, heben sie ihren Kopf und drücken die Schnauze an seine Hand. «Ich pflege einen guten Umgang mit meinen Models», sagt Tekyeli mit einem Augenzwinkern.
Er spielt damit auf die Fotos an, die er Anfang Jahr an der «photoSchweiz» – der grössten Fotoausstellung der Schweiz – präsentierte. In seiner Serie inszeniert er Land und Stadt: Ponys am Bahnhof Hardbrücke.

Ursprünglich waren die Bilder eines von drei Projekten, die Tekyeli im Rahmen seiner Fotografieausbildung, zertifiziert von der Zürcher Hochschule der Künste, realisierte. Der Dozent habe dann vorgeschlagen, dass die Teilnehmenden sich mit ihren Bildern für die «photoSchweiz» bewerben. Tekyeli hatte für diesen Vorschlag erst nur ein müdes Lächeln übrig. «Ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese Fotos neben all den Profiwerken wirklich Anklang finden.»
Er wagte den Schritt aber doch – und wurde positiv überrascht. «Die Besucher zeigten grosses Interesse an den Bildern. Mit dieser Resonanz hätte ich niemals gerechnet.»
Oberländer Bildgewalt an der «photoSchweiz»
09.01.2020

Grösste Fotoausstellung Beitrag in Merkliste speichern
Entstanden ist die Idee im Austausch mit einer Freundin, die auch sogleich die Ponys beisteuerte. An einem Sonntagmorgen wurde fotografiert. «Das Ganze ging überraschend einfach über die Bühne. Die Ponys waren entspannt und liessen sich nicht aus der Ruhe bringen.» Sie seien, auch wenn man es auf den Bildern nicht sieht, die ganze Zeit über von einem Menschen geführt worden. Dank Photoshop wurden die in der nachträglichen Bildbearbeitung unsichtbar gemacht. Dass die Tiere alleine die Strasse überqueren, habe man nicht riskieren können. Das hätte die Sicherheit aller gefährdet, denn «Ponys sind Fluchttiere. Erschrecken sie, zum Beispiel aufgrund einer Autohupe, rennen sie weg. Egal, ob ein Tram oder Auto heranfährt.»
Die Reaktionen der Passanten während des Fotoshootings seien unterschiedlich ausgefallen. «Die Kinder wollten die Tiere natürlich streicheln.» Andere hätten sie kaum zur Kenntnis genommen. «Und dann gab es noch die Partyvögel, die direkt aus dem Club kamen. Da haben einige ihren Augen nicht getraut und sich wohl gefragt, ob sie nicht einen Drink zu viel hatten», sagt Tekyeli mit einem Lachen.
Der Griff zur Kamera
Seine erste Kamera hat der heute 46-jährige auf die Konfirmation geschenkt bekommen. «Natürlich noch analog.» Gebraucht habe er diese vor allem an Familienfesten oder in den Ferien. Nach einigen Jahren sei das Interesse aber verflogen. «Andere Dinge waren mir wichtiger. Ich brauchte die Kamera nur noch hie und da.»
«Wenn ich fotografieren will, dann richtig. Ein Sonntagnachmittagskurs bringt mich nicht dahin.»
Timur Tekyeli, Fotograf aus Kyburg
Aufgrund seines Jobs – seit über 20 Jahren ist er in der Marketing- und Werbebranche tätig – hat er wieder angefangen, regelmässig zu fotografieren. In seinem aktuellen Job bei SIX habe er alle Bilder der Firma mit den Mitarbeitenden als Models realisiert. «Ich habe die entsprechenden Shootings organisiert», so Tekyeli. «Um dabei dem Fotografen meine Vorstellungen der Bilder besser zu vermitteln, habe ich irgendwann selbst zur Kamera gegriffen.» Da sei die Leidenschaft für das Fotografieren wieder geweckt worden.
Das sei ausschlaggebend gewesen, dass er seine eineinhalbjährige Ausbildung zum Fotografen startete. «Wenn ich fotografieren will, dann richtig und mit umfassendem Hintergrundwissen. Ein Kurs am Sonntagnachmittag bringt mich nicht dahin.» Die Schule nehme zwar neben seinem Job viel Zeit in Anspruch, sei es aber Wert, so Tekyeli.
Am liebsten mit Menschen
Auch wenn die Ponys ihren Job als Models hervorragend gemacht haben, arbeitet Timur Tekyeli am liebsten mit Menschen. Von Portraits für Private und Firmen, über Portfoliobilder bis zu Hochzeiten – ihn fasziniere die individuelle Interaktion mit den Menschen vor der Kamera. «Zudem schätze ich den Kontakt zu Menschen», so sein Fazit.
Angst, dass die klassische Fotografie durch die Konkurrenz von zu guten Handykameras einmal aussterben wird, hat Tekyeli nicht. Kameras brauche es immer, auch wenn sich diese stetig entwickeln. «Nur schon der Auflösung wegen», so Tekyeli. «Jedes Bild wird ausserdem nur so gut, wie das Auge des Fotografen ist – egal, mit welchem Gerät.»