Ein Leben für die Musik
Wenn Markus Stucki vor «seinen» Chor tritt, dann wird er ein anderer Mensch. Seine Augen funkeln, sein ganzer Körper geht mit der Musik mit. «Was mir das Dirigieren gibt, kann ich nicht gut in Worten ausdrücken», sagt der 61-Jährige. «Das ist einfach unbeschreiblich.»
Stucki macht schon sein ganzes Leben lang Musik. Seine Instrumente: Klavier und Orgel. Schon als Oberstufenschüler habe er Auftritte als Organist gehabt. Aufgewachsen in Grüningen, absolvierte er aber zuerst eine Lehre als Schreiner. «Neben der Musik ist das Handwerk meine grosse Leidenschaft.»
Chorleiter mit 25 Jahren
Danach besuchte er die Musikakademie in Zürich, war sechs Jahre lang als Organist in Sternenberg und danach in Bäretswil tätig. Ausserdem arbeitete er als Klavierlehrer bei der Musikschule Zürcher Oberland. 1984 übernahm er den Singkreis Bäretswil Bauma, gerade mal 25-Jährig. «Das drängte sich auf, als die damalige Chorleiterin zurücktrat.»
Er habe einen kleinen, überalterten Chor mit rund 20 Sängerinnen und Sängern übernommen. Mit seiner Frau, die er 1978 kennengelernt hatte, habe er mit Abstand zu den Jüngsten gehört. Stucki brachte frischen Wind in den Chor, neue Lieder, neue Instrumente, neue, geistliche Musik.
Keine Nachwuchsprobleme
Der Chor wuchs und wuchs, erlebte einen regelrechten Boom. Heute sind es rund 75 Menschen, die im Singkreis Bäretswil Bauma singen. Sie kommen aus der Umgebung, aber auch aus Männedorf, Zumikon, Wattwil und sogar vom Bodensee.
Der Chor wird von den reformierten Kirchen Bauma und Bäretswil finanziert, und singt pro Jahr je fünf Gottesdienste in beiden Kirchen. Alle drei Jahre gibt es zusätzlich ein grösseres Konzert. Fünf CDs hat der Singkreis bis jetzt veröffentlicht.
Während andere Chöre ums Überleben kämpfen, kennt man beim Singkreis Bäretswil Bauma kaum Nachwuchsprobleme. Auch an Zuschauern mangelt es nicht. Bei den Konzerten sind die Kirchen regelmässig voll.

«Markus hat einfach eine wahnsinnige Ausstrahlung und Begeisterungsfähigkeit, die mitreisst», sagt seine Frau Evelyne Stucki. «Er lebt die Lieder richtig mit. Und gleichzeitig hat er eine Engelsgeduld.»
Markus Stucki zuckt etwas verlegen mit den Schultern. «Vielleicht ist es auch die Bekanntheit, die ich mittlerweile erlangt habe», sagt er. «Und meine Liebe zu den Menschen.»
Tour durch die USA und die Schweiz
Mit dem Singkreis hat Stucki in all den Jahren viel erlebt. Ein Höhepunkt war 2010 eine Reise in die USA zu Amischen und Mennoniten. «Mennoniten pilgern oft nach Bäretswil in die Täuferhöhle. So hat sich ein Kontakt mit einem Chorleiter ergeben, der uns dann eingeladen hat», erzählt Stucki. Mit 50 Leuten führte der Chor in zehn Tagen acht Konzerte auf.
«Das war eine gewaltige Erfahrung, eine Art Versöhnung. Wurden die Amischen doch im 16. Jahrhundert in der Schweiz von den Reformierten verfolgt und flüchteten in die USA.» Stucki strahlt. Wenn er etwas erzählt, das ihm ans Herz geht, wirkt er mit seinen 61 Jahren wie ein begeistertes Kind.
Ein weiteres Highlight war 2011 die Tournee zu «50 Jahre Schweizer Hymne», als der Chor die Messe von Alberich Zwyssig aufführte und in Bern, Luzern, Bäretswil und Zürich gastierte.
Vier Jobs bringen Abwechslung
Neben seinen Tätigkeiten als Chorleiter, Klavierlehrer und Organist kam vor 25 Jahren ein weiterer Job hinzu: Stucki wurde Werklehrer in Bäretswil. «Als Klavierlehrer hatte ich zu Spitzenzeiten bis zu 50 Schüler pro Woche», erzählt er. «Das war teilweise schon ziemlich einsam, weil mir Arbeitskollegen fehlten. Da kam der Job in der Schule gelegen.»
«Wenn man etwas mit Leidenschaft macht, dann fällt es einem leicht.»
Angefangen habe er mit zwei Lektionen, heute sei es mit 85 Prozent beinahe seine Hauptbeschäftigung.«Ich brauche die Vielfalt», sagt Stucki. «Ich könnte nicht jeden Tag dasselbe machen. Und die Arbeit mit den jungen Menschen gefällt mir.»
Aber alles ging dann doch nicht. Nach 33 Jahren hörte der dreifache Vater und sechsfache Grossvater als Organist auf. Beim Chor aufzuhören, ist für ihn auch nach 35 Jahren kein Thema. Verleidet sei ihm das Dirigieren noch lange nicht. «Wenn man etwas mit Leidenschaft macht, dann fällt es einem leicht. Jeder Auftritt treibt einen weiter.»
Vision: Männerchor
Er mache einfach ein Jahr ums andere, sagt Stucki. «Mein Ziel ist es, den Chor einmal gut funktionierend abzugeben.»
Eine Vision hat Stucki aber noch. «Ich möchte einmal einen Männerchor gründen», sagt er. «Das gibts heute fast gar nicht mehr.» Das Singen tue den Menschen gut. «Es ist eine Art Psychohygiene.»
Wenn man Markus Stucki reden hört, gibt es kaum Zweifel, dass er auch dieses Projekt erfolgreich anpacken wird. Mit der Begeisterung und Leidenschaft, die für ihn typisch ist.