«Es ist nicht unsere Aufgabe, den Jugendlichen den Alkohol wegzunehmen»
Mit dicken Winterjacken und Skiunterwäsche treten Nicolas Eugster und Zahai Isler nach draussen in die Kälte. Für sie geht es während mehreren Stunden auf die Strassen Usters, wo sie zweimal wöchentlich öffentliche Plätze abklappern, an denen Jugendliche sich gerne treffen. Meistens friedlich – manchmal mit lautem Gangsterrap und hinterlassenen Bierflaschen. An einen dieser Hotspots führen sie die «Zueriost»-Redaktiorin.
Jugendliche werden sie heute aber erst später ansprechen – ohne Begleitung der Journalistin. Isler und Eugster sind nämlich erst seit zwei Monaten als mobile Jugendarbeiter für das Team der Jugendanimation Frjz in Uster unterwegs. Das Vertrauen der Jugendlichen, das sie seither aufgebaut haben, steht also noch auf wackligen Beinen. «Wir müssen uns vorsichtig herantasten und zuerst Kontakte aufbauen.»
Langsamer Kontaktaufbau
Dass sie für das in Uster bereits als Institution bekannte Freizeit- und Jugendzentrum (Frjz) arbeiten, sei ein Türöffner gewesen, sagt Eugster. Dennoch seien in den ersten Wochen ein paar Jugendliche verunsichert gewesen, als sich plötzlich zwei neue Gesichter in die Runde stellten und sie kennenlernen wollten. Mittlerweile sei das Verhältnis aber bereits viel wärmer, so Isler.
Eugster und Isler kennen sich selber erst seit sie zusammen arbeiten. Trotzdem sind sie bereits ein eingespieltes Team – manchmal beenden sie die Sätze des jeweils anderen. Während Eugster sein Studium in Sozialer Arbeit an der ZHAW schon vor einigen Jahren abgeschlossen hat, befindet sich Isler noch im Teilzeitstudium. Beide haben durch diverse Praktika bereits Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen und wissen, wie sie auf Teenager zugehen können.
«Die repressive Methode bringt längerfristig nichts.»
Zahai Isler, mobile Jugendarbeiterin
Nicolas Eugster: Wenn wir die Jugendlichen aufsuchen, begeben wir uns in ihre Welt – nicht umgekehrt. Wir verhalten uns wie Gäste. So gehen wir zum Beispiel nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Gruppen zu und unterbrechen ihre Partys. Es ist nicht unsere Aufgabe, ihnen den Alkohol wegzunehmen und die Musikbox auszuschalten, auch wenn wir Rauschmittel nicht gutheissen und uns die teils frauenverachtenden oder gewaltverherrlichenden Lieder persönlich sehr fern sind. Repressive Strukturen gibt es bereits genügend.
Zahai Isler: Die repressive Methode würde längerfristig auch nichts bringen. Stattdessen setzen wir auf die Beziehungsebene. Mit der reinen Präsenz kann man bereits viel erreichen. So suchen wir das Gespräch, zeigen Interesse und ein offenes Ohr. Wir zwingen aber auch niemanden zu einer Diskussion, wenn wir merken, dass alles okay ist und kein Gesprächsbedarf besteht.
Nicolas Eugster: Besteht erstmal eine Vertrauensbasis, spüren wir auch, was die Jugendlichen beschäftigt. Dann gelingt es uns, mit ihnen gemeinsam Dinge kritisch zu hinterfragen und Ideen auszuarbeiten.
Obdachlosigkeit, Eskalation, Gewalt
In manchen Situationen müssen die Jugendarbeiter aber sofort reagieren. Wenn zum Beispiel jemand von zu Hause rausgeschmissen wird, oder wenn eine Party eskaliert. In Uster gebe es eine oder zwei Gruppen, die zu Gewaltakten neigen, so Isler. Ihnen seien sie aber noch nicht begegnet, sagen die Jugendarbeiter.
Generell seien die Jugendlichen in Uster aber sehr umgänglich. Eugster und Isler kennen bereits viele von ihnen: Immer wieder werden sie während des Gesprächs von Jugendlichen gegrüsst, die vorbeigehen. Es sei wichtig, dass Jugendliche in Uster wahrgenommen werden, so Eugster. Nicht alle Erwachsenen haben solch eine offene Haltung gegenüber der Jugend.
«Es wird immer nur über diejenigen geredet, die negativ auffallen.»
Nicolas Eugster, Jugendarbeiter
In Uster ärgern sich Erwachsene regelmässig über Vandalismus, Lärm oder Littering. Der oft zitierte Satz «Wir waren ja auch einmal jung, aber», zeugt von Generationenkonflikten und wenig Verständnis für die heutige Jugend. Das nervt die Jugendarbeiter. Es werde immer nur über diejenigen geredet, die negativ auffielen. Die Anständigen erwähne niemand, obwohl sie in der grossen Überzahl seien.
Nicolas Eugster: Man kann nicht abstreiten, dass Jugendliche oft die Grenzen überschreiten, aber die Tendenz, öffentliche Plätze von Jugendlichen zu säubern, ist völlig unangebracht. Schliesslich sind sie ein wichtiger Teil der Gesellschaft und bestimmen die Zukunft der Stadt. Der öffentliche Raum ist für alle da – auch für Jugendliche.
Zahai Isler: Deshalb arbeiten wir etwa bei Nutzungskonflikten auch als Vermittler zwischen den Anspruchsgruppen. Jugendliche sollen sich in der Öffentlichkeit willkommen fühlen. Wir haben auch schon mit ihnen zusammen einige ihrer Treffpunkte aufgewertet, zum Beispiel mit Palettensofas auf dem Zeughausareal.
Öffentliche Plätze für Jugendliche schaffen
Mit der aufsuchenden Jugendarbeit wollen Isler und Eugster den öffentlichen Aussenraum für alle möglichst attraktiv gestalten und verschiedene Bedürfnisse abdecken. In einer grossen und wachsenden Stadt wie Uster sei es unerlässlich, jüngere Menschen in der Gesellschaft einzubinden und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Als es eindämmert, begeben sie sich deshalb auf die Suche nach den Jugendlichen.
Kontakte:
Nicolas Eugster: 076 572 75 23
Zahai Isler: 076 458 14 49