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Der «Schweizerhof» weicht einem Coop Pronto

Das Restaurant Schweizerhof gibt es nur noch bis Ende November. Dann zieht ein Coop Pronto in das Erdgeschoss der Liegenschaft am Wetziker Bahnhof ein. Der langjährige Pächter Artan Nuredini ist traurig über die Schliessung.

Schweizerhof-Geschäftsführer Artan Nuredini und Hotel-Chefin Nurtene Nuredini sind enttäuscht., Restaurant und Hotel in Unterwetzikon waren ihre Babys., Ende November müssen die beiden das Restaurant schliessen. Das Hotel soll bleiben.

Seraina Boner

Der «Schweizerhof» weicht einem Coop Pronto

Er ist der Treffpunkt von Krethi und Plethi. Im «Schweizerhof» am Bahnhof Wetzikon essen und trinken Bauarbeiter, Geschäftsleute und Ausgesteuerte Tisch an Tisch. Doch per Ende November schliesst das Restaurant  seine Türen. 

« Das Gastgewerbe ist ein Knochenjob », sagt der Vertreter der Eigentümerschaft, Thomas Lüthy. Man habe sich mit dem Pächter geeinigt, das Mietverhältnis aufzulösen. Er werde voraussichtlich den Hotelbetrieb im oberen Teil der Liegenschaft weiterführen. Sein Nachfolger steht bereits fest: Ein Coop Pronto zieht ins Erdgeschoss der Liegenschaft ein.

Avec Box erhält Konkurrenz

« Der Detailhändler war sehr interessiert, der Standort ist natürlich ideal. »  Um das Restaurant wieder in Schwung zu bringen, hätte man laut Lüthy viel Geld in die Hand nehmen müssen. Der neue Mieter bezahle zudem deutlich mehr.

Doch auch für die Wetziker bringe die Änderung einen Mehrwert. Er gehe davon aus, dass der Laden sogar sonntags geöffnet sein werde. Dass wenige Meter entfernt auf dem Gelände der SBB die Avec Box von Valora zu stehen kommen soll, die rund um die Uhr offen ist, störe die Verantwortlichen von Coop nicht. « Sie sagten sogar, Konkurrenz belebe. » 

Eröffnung in einem Jahr

Bevor der Coop einzieht, wird die Liegenschaft umgebaut. Lüthy: « Die Hotelzimmer in der ersten Etage bleiben bestehen. Sie werden im Zuge des Umbaus aber saniert. »  Er rechne damit, dass die Arbeiten für die Hotelsanierung bis Februar abgeschlossen seien und die Wetziker wohl ab Juni im neuen Coop einkaufen gehen könnten.

Artan Nuredini führt den «Schweizerhof» bereits seit 13 Jahren.«Ich war jeden Tag hier. Es ist schon hart, nach so vielen Jahren einfach: zagg, fertig.» Der Entscheid der Hausbesitzer komme aber nicht überraschend. Er sei schon lange über die anstehende Schliessung informiert, einfach noch nicht wann und wie genau. Er könne nicht reklamieren, es sei alles sauber abgelaufen, der Vertrag eingehalten worden. «Es tut trotzdem weh, dass es mein Restaurant bald nicht mehr gibt.»

«Alle sind traurig – aber für mich ist es wohl am schlimmsten.»

Artan Nuredini, Pächter und Wirt des « Schweizerhofs »

Der Betrieb laufe nicht schlecht. Aber es sei nicht mehr wie früher, sagt Nuredini . « Um fünf Uhr früh ist der erste hier und der letzte geht um ein Uhr in der Nacht. Das sind lange Stunden.» Er habe seine Angestellten bereits über das Aus des Restaurants informiert. Die meisten Gäste wüssten ebenfalls Bescheid.

Intermezzo schliesst auch

«Wir haben zu 95 Prozent Stammgäste. Ich kenne jeden, der hier ein- und ausgeht.» Für viele werde es schwierig, so der Wirt. «Wo verkehren sie in Zukunft? Etwas Vergleichbares gibt es nicht in der Umgebung.» Einige seiner Gäste verkehrten bereits seit 60 Jahren im «Schweizerhof». Sein ältester Gast komme altersbedingt seit kurzer Zeit nicht mehr. Er sei 98 oder 99 Jahre alt und besuche das Restaurant seit seiner Stifti.  «Alle sind traurig – aber für mich ist es wohl am schlimmsten.»  Er freue sich, dass er zusammen mit seiner Frau wenigstens den Hotelbetrieb weiterführen könne. «Es macht uns Spass. Ausserdem kann ich mir nicht vorstellen, nicht mehr hier zu sein.»

Die Bar Intermezzo, die sich in derselben Liegenschaft befindet und sich mit dem  « Schweizerhof » einen Eingang teilt, schliesst aufgrund des Umbaus ebenfalls.  Nicht tangiert sind die Tanzschule und die Fahrschule im östlichen Teil des Gebäudes. 

Die Chronologie des «Schweizerhofs»

Die SBB kaufen 1862 das Land, auf dem der «Schweizerhof» steht. Im Mai desselben Jahres erwirbt Heinrich Dietliker aus Robenhausen das im Bau befindliche Wohnhaus an der Rapperswilerstrasse 4/6.Ein Jahr später kauft Dietliker eine Scheune mit Tanzsaal und Verbindungsgang. Erstmals erscheint im Grundbuch der Name Schweizerhof. 1882 erhält die Gaststube Wandmalereien, die eine bayrische Bierhalle darstellen. Zwei Jahre später wird die Poststelle in den «Schweizerhof» verlegt. 

1887 erben Dietlikers Kinder die Liegenschaft. Der Sohn übernimmt den «Schweizerhof» als Wirt.1895 kauft Ferdinand Pfister aus Bubikon die Liegenschaft. Drei Jahre später besteht das Gebäude aus einem Wohn- und Wirtshaus, «zum Schweizerhof» genannt, aus einem Tanzsaal mit Remise und Waschhaus und einer Scheune. Pfister betreibt neben dem Gastgewerbe eine grosse Furhalterei. In den Stallungen stehen 30 Pferde. Aus der Scheuen macht er einen grossen Gesellschaftssaal. Zwischen 1903 und 1970 wechselt der Besitzer mehrmals. Schliesslich wird die Scheune abgetragen.

1972 übernimmt das Ehepaar Helen und Emil Zurbriggen den «Schweizerhof». Sie hatten seit 1961 die Krone in Oberwetzikon geführt. Ende der 70er Jahre wird der Schaffhauser Urs Küng neuer Pächter und im 1. Stock eröffnet eine Tanzschule. 1982 kauft Roland Casiraghi den «Schweizerhof», fünf Jahre später wird eine Aussen- und Innenrenovation durchgeführt und währenddessen in zwei Eisenbahnwagen gewirtet. Die Bierhallen-Malereien bleiben erhalten. 

1995 wird aus dem Spielsalon «Joker» der erste Nachtclub in der Region. Geschäftsführer Siegfried Zibetto ist überzeugt mit dem Strip-Lokal eine Marktlücke entdeckt zu haben. Am 27. August 1999 wird der «Schweizerhof» versteigert. Sein Schätzungswert beträgt rund 3,6 Millionen Franken. Adrian Arnold aus Gossau erhält den Zuschlag aber für nur 2,4 Millionen Franken. 2000 übernehmen Susanne und Andre Burhkalter die Pacht, zwei Jahre später verkauft Besitzer Arnold den «Schweizerhof» an die Firma H.R.B. Immobilien AG.

In den Räumen des ehemaligen Spielsalons und Cabarets wird 2004 die «Nanu?!»-Bar eingebaut. Im Lokal haben rund 80 Personen Platz, es werden Getränke und Speisen serviert. Ein Jahr später zieht die Steiner Bäckerei in den Südosttrakt ein. Seit 2006 steht das Restaurant Schweizerhof unter der Leitung der Familie Nuredini. Seit 2012 ist die Intermezzo-Bar, zwischendurch «Goldeneye», im gleichen Haus. (Quelle: Wetzipedia)

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