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«Ehrlich gesagt hat mich das Interesse anfangs auch überrascht»

Die Musikschule Region Dübendorf bietet nun auch Unterricht für Schwyzerörgeli und Hackbrett an. Doch wollen die Kinder nicht viel lieber Hiphop als Ländler? Man könne Volksmusik auch modern interpretieren, findet Schulleiter Olivier Scurio.

Olivier Scurio, der Leiter der Musikschule Region Dübendorf

PD

«Ehrlich gesagt hat mich das Interesse anfangs auch überrascht»

Olivier Scurio, jetzt mal ernsthaft: Welches Kind will freiwillig Hackbrett oder Schwyzerörgeli spielen?

Wir spüren seit einiger Zeit ein vermehrtes Interesse für volkstümliche Instrumente, was mich ehrlich gesagt anfangs auch überrascht hat. Möglicherweise hat Hackbrettspieler Nicolas Senn etwas dazu beigetragen, weil er Volksmusik modern interpretiert und so Kinder und Jugendliche anspricht, die sonst eher andere Musikstile hören.

Haben sich denn tatsächlich Schüler eingeschrieben?

Bisher haben wir Interessenten immer an eine Musikschule in Wetzikon verwiesen, mit der wir zusammenarbeiten. Nachdem kürzlich drei Erwachsene bei uns wegen Hackbrett-Lektionen angefragt haben, haben wir beschlossen, dieses Instrument zusammen mit dem Schwyzerörgeli in unser Angebot aufzunehmen. Bereits wenig später hat sich eine Mutter gemeldet, deren Tochter schon lange den Wunsch hatte, Hackbrett zu spielen.

Wollen Kinder und Jugendliche nicht viel lieber Hiphop als Volksmusik?

Wir prüfen ein Angebot im Bereich Producing, also das Produzieren von Musik mit entsprechender Software am Computer. Vor einiger Zeit sind wir deswegen mit zwei Absolventen der Zürcher Hochschule der Künste in Kontakt getreten. Wegen der Arbeiten für unser 50-Jahr-Jubiläum ist die Sache zwischenzeitlich etwas im Sand verlaufen. Nun nehmen wir aber wieder einen neuen Anlauf.

«Erstaunlicherweise gibt es nicht viele Anträge auf subventionierten Unterricht.»

Um möglichst viele Kindern den Einstieg in die Musik zu ermöglichen, bekommen Familien oder alleinerziehende Elternteile je nach Einkommen ein Stipendium und bis zu 50 Prozent Rabatt. Gibt es viele Anträge auf subventionierten Unterricht?

Erstaunlicherweise nicht, vielleicht getrauen sich manche Eltern nicht, dieses Angebot anzunehmen.

Könnte es auch daran liegen, dass vor allem Kinder aus einkommensstarken Familien die Musikschule besuchen?

Das ist in der Tendenz richtig, und diese Entwicklung macht mir Sorgen. Musik muss für alle möglich sein. Doch je nach finanzieller Situation müssen es sich auch Familien mit durchschnittlichem Einkommen zweimal überlegen, ob sie sich Musikunterricht leisten können – gerade bei mehreren Kindern.  Wobei es nicht immer nur eine Frage der Finanzen ist. Denn gerade in bildungsfernen Familien wird der musikalischen Ausbildung häufig nicht viel Bedeutung beigemessen.

Beteiligen Sie sich deshalb am Projekt Bläserklasse, bei dem Drittklässler während eines Jahres im Schulunterricht ein Blasinstrument spielen lernen?

Das Projekt ist eine sehr gute Möglichkeit, die Kinder an die Welt der Musik heranzuführen. Leider ist das pro Jahr nur für zwei Klassen im Schulhaus Stägenbuck möglich. Wir würden dieses Angebot gerne flächendeckender anbieten, da sich durch diese Unterrichtsform verschiedene besondere Kompetenzen erwerben lassen, allen voran die Sozialkompetenz – aufeinander hören, in einer Gruppe einordnen, miteinander lernen und aufführen.

«In Zukunft wird es nötig sein, den starren Semesterunterricht zu ergänzen.»

Liegt es am Geld, dass das nicht möglich ist?

Geld ist immer ein Thema. Wenn in der Politik über Sparmassnahmen gesprochen wird, kommen die Kosten für den Musikunterricht früher oder später zur Sprache. Es liegt aber auch an den Platzverhältnissen. Wenn die Kinder Registerprobe haben, dann sind dadurch an einem Morgen fünf oder sechs Zimmer besetzt. Das ist in anderen Schulhäusern nicht möglich. Dort gibt es dafür das Klassensingen.

Machen Sie die Bläserklassen auch, damit sich mehr Kinder an der Musikschule anmelden?

Tatsächlich stagnieren die Schülerzahlen seit Jahren, was gemessen am Bevölkerungswachstum genau genommen ein Rückgang ist. Mit den Bläserklassen können wir dem aber nicht wesentlich entgegenwirken. Wir überprüfen ständig unser Angebot, um wirklich jedem Kind, unabhängig vom finanziellen Hintergrund seiner Familie, Musikunterricht zu ermöglichen und so die Freude am Lernen und Musizieren zu entdecken. In Zukunft wird es nötig sein, den starren Semesterunterricht mit Projekten oder Workshops zu ergänzen, welche die Kinder lediglich während ein paar Wochen besuchen. Die Zeiten haben sich eben geändert, und wir müssen darauf reagieren. 

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