Politik

Ein Mafiaboss, drei Tote und die umstrittene Blutfehde

Die Geschichte des blutigen Streits zwischen der Familie I., der der erschossene Rütner Bären-Wirt angehörte, und der Familie B., die laut Medien ein Prostitutionskartell in Mazedonien betreibt, klingt wie das Drehbuch eines Thrillers.

Im Restaurant Bären wurde Wirt I.I. erschossen. Er steckte offenbar in einer Blutfehde., Die Schüsse fielen von ausserhalb des Restaurants (Patronenfunde sind weiss eingekreist)., Das Restaurant ist nun versiegelt.

Seraina Boner

Ein Mafiaboss, drei Tote und die umstrittene Blutfehde

Die folgende Geschichte ist der Abriss eines blutigen Balkankonfliktes. Über die Schuld- und die Verursacherfrage sind sich die beteiligten Familien nicht einig. Familie I. des erschossenen «Bären»-Wirtes behauptet gar, es gebe gar keine Fehde. Medienberichte aus dem Balkan basierten lediglich auf Spekulationen.

Die Hauptfiguren des Konflikts sind Dilaver B., der von diversen Medien, darunter etwa die «New York Times», als einer der mächtigsten Mafiabosse des Balkans und als mazedonischer König der Prostituion bezeichnet wird. Dazu kommen die Gebrüder Prentim und Sitem I., die beiden Söhne des nun erschossenen Rütner Wirten, sowie deren Neffe K.Li. Ort des Geschehens ist Struga, ein touristisches Kleinstädtchen in Mazedonien mit etwas über 15’000 Einwohnern am Ohrid-See.

Illegale Bauten am Strand führen zur ersten Eskalation

Hier betreibt Dilaver B. am Seestrand ein paar Lokale; Stripclubs, Bars, Restaurants. Dies allerdings zumindest teilweise illegal, wenn man den Ausführungen der Familie I. glaubt. 2013 fordert demnach der damalige Bürgermeister die Rückbauten eines solchen Lokales, wie auch die mazedonische Newsagentur Kurir bestätigt. Und Vetter K.Li., er ist offenbar so etwas wie der Stadtschreiber Strugas, soll die Verfügung durchsetzen. Laut Familie I. versucht dieser das, wird aber im Sommer 2015 tätlich angegriffen von Dilaver B.s Clan, insbesondere von dessen Sohn, der laut Familie I. auch in der Schweiz schon verurteilt wurde.

Laut Familie I. sind bei diesem Angriff «zufällig» auch die Gebrüder Prentim und Sitem I. zugegen und werden Zeugen des Vorfalls. Familie I. bekommt einige Zeit später gar Wind von Mordplänen gegen K.Li., die via albanischer Staatspolizei zu ihnen gelangt sein sollen und über die sie auch die mazedonische Polizei informieren.

Sitem I.: Aus dem Auto heraus erschossen

Es ist dann aber nicht K.Li., der ermordet wird. Am 13. Dezember 2015, so berichten die Angehörigen des erschossenen «Bären»-Wirtes und diverse Medien gleichermassen, werden die Brüder Prentim und Sitem I. aus einem Hinterhalt angegriffen. Laut der ältesten mazedonischen Zeitung Republika fährt ein Wagen mit mehreren Personen an Sitem und Prentim vorbei, dessen Insassen eröffnen das Feuer, welches die beiden Brüder erwidern. Sitem stirbt bei der Schiesserei, Prentim überlebt mit schweren Verletzungen. Der Hinterhalt sei von fünf Personen inszeniert worden, sagt Familie I. Zwei davon sind der Bruder und der Sohn von Dilaver B., was auch die mazedonischen Medien bestätigen. Einer der beiden wird bei der Schiesserei ebenso verletzt. Beide werden in der Folge zu 20 Jahren Haft verurteilt, einer ist laut Familie I. aber bereits wieder auf freiem Fuss, was auch die Newsagentur Kurir schreibt. Die drei weiteren Angreifer sind bis heute nicht gefasst. Das Delikt ist der Moment, in dem der Familienkonflikt blutig wird.

Dilaver B.: Zwei Schüsse in den Hinterkopf

Im Sommer 2017 am frühen Abend des 14. August sitzt Dilaver B. gemeinsam mit einem alten Jugendfreund in seinem Strandrestaurant «Aqua Blue» in Struga, als eine mit Sonnenbrille und dunklem Hut getarnte Person in die Beiz schleicht, sich in Dilaver B.s Rücken positioniert, eine Magnum-Pistole zückt und dem Mafiaboss in den Hinterkopf schiesst. Der Schütze läuft zum Ausgang, zwei Gäste wollen ihn aufhalten. Er gibt zwei Schüsse in ihre Richtung ab, sie lassen ab, der Täter entkommt. Die Geschichte wird von diversen etablierten Zeitungen aus Serbien, Albanien und Mazedonien so erzählt. Ihnenzufolge verschwindet er danach zu einem Hotel und von dort zum nahen Flughafen, nimmt einen Flug nach Basel, wo sich seine Spur verliert.

«Das war nicht mein Werk. Ich werde das Blut eigenhändig nehmen.»

Ein Mitglied von Familie I. (laut serbischer Zeitung Telegraf)

Bis heute ist ungeklärt, wer hinter dem Mord an Dilaver B. steckt. Die mazedonischen Medien spekulieren aber sofort, es könnte ein Akt der Blutrache gewesen sein und das grösste mazedonische Newsportal mkd.mk nennt explizit I.I., den toten Wirt des Rütner «Bären» und Vater des erschossenen Sitem I., als möglichen verhüllten Schützen. Andere Medien, etwa die älteste mazedonische Zeitung Republika, gehen von einem Auftragsmord aus – die spekulierten Initianten könnten aus der Familie I. stammen, schreiben sie. Die serbische Zeitung Telegraf glaubt hingegen nicht an eine Beteiligung der Familie I. Gegen einen Akt der Blutrache spreche die Tatsache, dass der Täter Dilaver B. von hinten erschossen hatte. Blutrache werde von Angesicht zu Angesicht vollzogen, werden in jenem mazedonischen Artikel Betroffene zitiert. Auch Personen aus Dilaver B.s Familienumfeld bestätigen das laut Telegraf. Sie hätten nach dem Mord gar ein Telefonat von einem Mitglied der Familie I. erhalten, diese habe nichts mit dem Vorfall zu tun gehabt. Dies mit den Worten: «Das war nicht mein Werk. Ich werde das Blut eigenhändig nehmen.»

Familie I. will nichts mit der Fehde zu tun haben

Familie I. distanziert sich vom Mord an Dilaver B. auch gegenüber diesem Medium. Sie habe nie Probleme mit Menschen oder dem Gesetz gehabt, teilt sie mit. Es handle sich ausschliesslich um rufmörderische Spekulationen. Die Familie sei gegen ihren Willen in diese Probleme verwickelt worden. Dieser Sichtweise widerspricht die mazedonische Republika. Familie I. habe dem B.-Clan schon seit Jahren die Blutrache angedroht. Die Eskalation sei lediglich eine Frage der Zeit gewesen.

Die Bluttat von Rüti
Am frühen Morgen des 25. Dezembers schoss ein unbekannter Täter auf die Fenster des Restaurants bären und verletzte dabei den Wirt I.I. tödlich. Weitere Personen, die sich zum Tatzeitpunkt im Gastbetrieb aufgehalten haben, blieben unverletzt. Der Täter ist nach wie vor auf der Flucht, wie die Kantonspolizei mitteilt.

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