Mit der Quartierpolizei auf Streife
Werner Langenegger und Martin Linder schreiten zum Eingang eines Hauses, das vor Weihnachtsdekorationen nur so strotzt. An den Wänden hängen LED-Ketten, auf dem Boden stehen leuchtende Weihnachtsmänner und neben dem Eingang steht ein grell funkelnder Baum. «Nachbarn haben uns gemeldet, dass sie sich an der Beleuchtung stören – besonders in der Nacht», sagt Quartierpolizist Langenegger. Das Haus leuchte laut den Nachbarn von 16 bis 20 Uhr und dann wieder von 4 Uhr morgens bis 8 Uhr. «Wir probieren nun zu vermitteln», sagt sein Kollege Linder. Sie schreiten zur Tür.
Ein Mann öffnet. Er lässt Langenegger und Linder in sein Haus und bietet ihnen zwei Stühle am Esstisch an. «Geht es um die Weihnachtsbeleuchtung?», fragt der Mann. «Ja. Wäre es ihnen möglich, die Beleuchtung in der Nacht auszuschalten?», fragt Linder. Der Mann zeigt sich kooperativ, wünscht sich aber, die Lichter nicht erst um 8 Uhr morgens wieder einzuschalten. «Um 6 Uhr wäre optimal. Dann hat man auch am Morgen noch was davon.» Linder und Langenegger sind einverstanden und verlassen das Haus wieder. «Wir hoffen nun, dass alle Parteien mit diesem Kompromiss zufrieden sind.»
Sicherheits- und Verkehrspolizei entlasten
Langenegger ist vollamtlicher Quartierpolizist. Im Juni geht er in Pension und Linder übernimmt seinen Posten. Deshalb ist er auch heute schon mit auf Patrouille. Wie die Bezeichnung bereits unschwer erahnen lässt, kümmern sich Quartierpolizisten um Belange in Ustermer Quartieren. Im Gegensatz zur Sicherheits- und Verkehrspolizei kümmert sich die Quartierpolizei um niederschwellige, allenfalls sogar nicht einmal strafrechtlich relevante Probleme: Nachbarschaftsstreitigkeiten, Einzug von Kontrollschildern, Abklärungen von Wohnsituationen, Einbürgerungen oder die Zustellung von Gerichtsurkunden sowie Zahlungsbefehlen.
«Wir möchten den Quartierdienst definitiv nicht mehr missen.»
Enis Feratovic, Chef des Fachdienstes und des Quartierdienstes
Die Quartierpolizei wurde vor rund fünf Jahren als Teil des Fachdienstes der Stadtpolizei Uster aufgebaut. «Damit sich die Kollegen der Sicherheits- und Verkehrspolizei den Hauptaufgaben der Stadtpolizei, nämlich Ruhe und Ordnung zu schaffen, widmen können, wurde zu deren Entlastung der Quartierdienst geschaffen. Er nimmt ihnen viele administrative und zeitaufwendige Arbeiten ab», sagt Enis Feratovic, Chef des Fachdienstes und des Quartierdienstes. Zudem sei mit dem Quartierdienst ein Mittel geschaffen worden, damit die bürgernahe Polizeiarbeit noch umfassender wahrgenommen werden könne. «Wir möchten den Quartierdienst definitiv nicht mehr missen», sagt Feratovic. Der «Dichtestress» nehme auch in Uster zu – und damit auch damit verbundene Probleme wie Ruhestörungen und Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Verdächtiges Fahrzeug
Nachdem die Quartierpolizisten Linder und Langenegger aus dem Haus mit der protzigen Weihnachtsbeleuchtung treten, fällt einem der beiden ein Auto mit deutschem Kennzeichen auf. «Den gehen wir kontrollieren», sagt Langenegger und schreitet mit grossen Schritten zum Auto. Er vermutet, dass sich darin ein Einbrecher befinden könnte, der auf einen Komplizen wartet. Nach kurzer Abklärung und einem Augenschein des Wagens wird aber schnell klar: Der Mann ist sauber und war zu Besuch im Quartier.
Auch wenn sich dieser Verdacht nicht erhärten lässt, müssen die Quartierpolizisten besonders in Monaten, in denen es früh dunkel wird, jeder dubiosen Situation, die auf einen Einbruch hindeuten könnte, nachgehen. «Auch das gehört zu unserem Aufgabenbereich», sagt Langenegger. «Wie die Einbruchsprävention, zu der die Aufklärung der Bevölkerung gehört.»
Auf Einbrecherjagd
Die beiden Polizisten fahren vor die Feuerwehr Greifensee, wo bereits ein zweites Polizisten-Team auf sie wartet – darunter ist auch Linder und Lange ne ggers Chef Enis Feratovic und Laurent von Rotz , der neben seiner Tätigkeit als Verkehrsinstruktor noch zirka 30 bis 40 Prozent als Quartier polizist im Einsatz steht. Sie ziehen ihre Leuchtwesten an, auf denen mit fetten Lettern Polizei geschrieben steht, und stellen ein Verkehrsdreieck auf.


Alles sieht auf den ersten Blick nach einer Verkehrskontrolle aus: Während jeweils ein Polizist mit seinem Leuchtstab Autos aus dem Verkehr nimmt, spricht der andere mit dem Fahrer. Doch in Tat und Wahrheit handelt es sich eben um eine Einbruchs-Präventions-Massnahme. «Sie kennen ihr Quartier am besten und wissen, wenn etwas Verdächtiges passiert», sagt Langenegger zu einem Lenker. «Besonders im Winter häufen sich Dämmereinbrüche und wir sind froh, wenn Sie uns verdächtige Situationen melden.» Der Quartierpolizist schenkt dem Autofahrer eine Schokolade mit der Aufschrift «Gemeinsam gegen Einbrecher» und verabschiedet sich.

Schon bald geht den Polizisten die Schokolade aus und sie brechen auf, um die sogenannte Uniformpolizei bei ihrer Jagd nach Einbrechern zu unterstützen. «Im Unterschied zur Präventions-Kampagne geht es hier um repressive Massnahmen. Alle Autos werden direkt auf der Strasse angehalten, und es wird ein Blick in das Fahrzeug geworfen», sagt Feratovic. Erscheine jemand verdächtig, werde dieser einer eingehenden Kontrolle unterzogen .
Mini ohne Licht
Auf der Strasse stauen sich die Autos. Die beiden Polizisten, die sie anhalten und kontrollieren, wirken bestimmt. Sie fragen Autofahrer etwa, w o sie herkommen und wo sie hinwollen. Nach einem kurzen Blick auf die Rückbank lassen sie ein Auto nach dem anderen weiterfahren. Die Quartierpolizisten schauen dem ganzen Prozedere zu und unterstützen, wo es nötig ist. Es scheint, als wären heute keine Einbrecher unterwegs – zumindest nicht auf der Strasse, auf der die Polizisten die Kontrolle durchführen.

Trotzdem müssen die Quartierpolizisten ein Auto anhalten und genauer unter die Lupe nehmen: Bei einem Mini funktioniert das rechte Vorderlicht nicht. «Obwohl unserer Augenmerk auf Einbrechern liegt, lassen wir alles andere nicht aussen vor », sagt Feratovic, Der Fahrer des Minis zeigt sich kooperativ und lässt die Polizisten an seinem schlechten Gewissen teilhaben. Er erhält ein Beanstandungsformular und muss innerhalb einer Woche bei einer Polizeistelle vorbeigehen, um zu zeigen, dass er das Licht repariert hat.
«Ich hoffe einfach, dass die verdächtige Person, wenn sie denn im Gebäude ist und flieht, nicht allzu schnell rennt»
Quartierpolizist Werner Langenegger
Langenegger und Linder spalten sich nach einiger Zeit von der Gruppe ab. Sie müssen sich neben der Einbrecherjagd noch um anderes kümmern. Auf ihrer To-do-Liste steht als nächstes das Einziehen von Autokontrollschildern. «Das Strassenverkehrsamt hat uns gemeldet, dass jemand offene Rechnungen nicht beglichen hat», sagt Langenegger. Die beiden Quartierpolizisten klingeln bei einem Wohnblock. Eine Frau öffnet. Sie wirkt überrascht, als die Polizisten ihr erzählen, worum es geht. Doch ohne grosse Widerworte führt sie die beiden zu ihrem Auto. Mit gekonnten Griffen schrauben Linder und Langenegger die Schilder ab.
Auswandern nach Costa Rica
Lange ausruhen können sich die beiden nach diesem Einsatz nicht. Offenbar befindet sich eine verdächtige Person in einem Gewerbegebäude in Uster. Die Uniformpolizei rückt mit Blaulicht an. Die Quartierpolizisten folgen ihnen. Vor Ort gehen die Uniformpolizisten ins Gebäude, die Quartierpolizisten sichern und durchsuchen den Aussenbereich und rufen Verstärkung. Langenegger zieht alleine in Richtung Wald, zu einem der Ausgänge des Areals. Angst habe er keine. «Ich hoffe einfach, dass die verdächtige Person, wenn sie denn im Gebäude ist und flieht, nicht allzu schnell rennt», sagt er mit einem Schmunzeln.
«Dieser Abend hat gezeigt, was den Quartierdienst ausmacht: Er ist so vielseitig und man ist nah bei den Menschen.»
Quartierpolizist Martin Linder
Nachdem die Polizisten trotz intensiver Suche niemanden im und um das Gebäude ausmachen konnten, sprechen sie von einem Fehlalarm. Langenegger sagt leise: «Ich werde solche Einsätze schon vermissen.» Doch er freue sich auch auf seine Pensionierung. «Ich werde mit meiner Frau nach Costa Rica auswandern. Das Haus ist schon fast fertig gebaut. Wenigstens ist es dort immer warm», sagt er – in seiner dicken Polizeijacke.
Während bei Langenegger Wehmut aufkommt, freut sich Linder auf seinen neuen Job. «Dieser Abend hat gezeigt, was den Quartierdienst ausmacht: Er ist so vielseitig und man ist nah bei den Menschen. Darauf freue ich mich sehr. Ich würde sogar sagen, dass ich dann den interessantesten Job in der Stadtpolizei Uster habe», sagt er und steigt zusammen mit Langenegger in das Quartierdienst-Auto.
Aktion der Kantonspolizei Zürich
«Verdacht ruf an – gemeinsam gegen Einbrecher» – so heisst die Aktion der der Kantonspolizei Zürich während der Wintermonate. Meldungen aus der Bevölkerung über verdächtige Personen und Beobachtungen seien zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität wichtig. Aufgrund dieser Erkenntnisse würden Einsatzkräfte in gefährdeten Gebieten die Anzahl an Kontrollen erhöhen.
Die Einbruchszahlen im Kanton Zürich sind in den letzten Wintern stetig zurückgegangen. Die Kantonspolizei führt dies auf kostenlose Einbruchschutzberatungen durch Präventionsspezialisten und auf intensivere Kontrollen zurück. Seit dem 29. Oktober sind die Einsatzkräfte der Kantonspolizei Zürich zusammen mit den Stadt- und Kommunalpolizeien täglich in der Region präsent. Die Stadtpolizei Winterthur teilte gar mit, ihre Patrouillen noch zu verstärken zu wollen . Bereits seien wegen diverser Delikte über 50 Personen verhaftet worden, schrieb die Kantonspolizei in einer Mitteilung.