«Es ist kein Hokuspokus»
Was an Susanne Keller als erstes auffällt, sind ihr kurzen blonden Haare und ihre positive Ausstrahlung. Die Frage, ob sie fürs Foto lächeln soll, erübrigt sich. «Ich kann gar nicht anders», sagt sie. Das 50-jährige Energiebündel lebt und arbeitet in Uster als Hypnosetherapeutin und ist auf Geburtshypnose spezialisiert. «Ich finde es eine wunderbar positive und sinnvolle Arbeit.» Bevor sie zu dieser Tätigkeit kam, machte ihr Leben jedoch einige Umwege.
Aufgewachsen ist Keller in Zürich. Als sich ihre Eltern trennten, zog sie 9-jährig mit ihrer Mutter, einer Deutschen, nach Norddeutschland. Mit 18 kam sie wieder zurück in die Schweiz und machte eine kaufmännische Lehre. «In Deutschland gab es kaum Studienplätze. Das KV wählte ich, weil meine Eltern wollten, dass ich etwas Anständiges mache.» Danach arbeitete sie bei einer Fluggesellschaft in der Gewichts- und Balanceberechnung für Flugzeuge – «ein cooler Job» wie sie heute sagt. Doch Susanne Keller wollte mehr, sie wollte die Welt sehen. Zweieinhalb Jahre reiste sie durch Indien, Thailand, Indonesien, Nepal und Südafrika. Dort lernte sie einen Mann kennen, wurde mit 28 schwanger. Doch die Beziehung zerbrach, sie kam zurück in die Schweiz, alleine mit ihrer Tochter.
Hier machte sie eine Ausbildung an der Schule für soziale Arbeit. Schon immer hätte sie sich für einen Job als Sozialarbeiterin interessiert. «Ich war eine schwierige Jugendliche», erzählt sie. «Mit den Sozialarbeitern im Jugendzentrum hatte ich aber immer guten Kontakt.» Sie begann, in einem Heim für sozial integrierte Jugendliche, besuchte nebenbei die Schule. «Wie ich das mit einem kleinen Kind schaffte, weiss ich heute auch nicht mehr so genau», sagt sie. Sie lernte einen neuen Mann kennen, bekam zwei weitere Kinder und machte drei Jahre beruflich Pause.
«Den Frauen wird heutzutage grosse Angst gemacht. Doch Angst verspannt und blockiert.»
Susanne Keller, Fachfrau für Geburtshypnose
Die Kinder forderten sie, oft hatte sie wenig Nerven. «Um gelassener zu werden, ging ich in die Hypnosetherapie.» Das habe sie so fasziniert, dass sie diese Tätigkeit auch erlernen wollte. Sie absolvierte eine einjährige Ausbildung zur Hypnosetherapeutin in Deutschland und der Schweiz. Parallel dazu machte sie eine vierjährige Ausbildung in psychologischer Beratung. Zuerst habe sie klinische Hypnosetherapie zum Auflösen von Verhaltensmustern angeboten. «Immer in Zusammenarbeit mit Psychologen.» Wer sich heute alles Hypnosetherapeut nenne und was sie versprechen würden, sei unhaltbar. «Sie machen eine fünftägige Ausbildung und werben damit, Traumas und Depressionen auflösen zu können», redet sich Keller in Rage. «Das ist höchst unprofessionell. Solche Probleme gehören in die Hände von medizinischen Fachkräften.»
Schwangere Klientinnen habe sie anfangs immer abgelehnt. «Dieses Hypnobirthingzeug fand ich blödsinnig.» Doch sie sei immer wieder gefragt worden, ob sie nicht auch Frauen mit Hypnose auf die Geburt vorbereite. «Bis ich irgendwann dachte, ich könne ja meine eigene Methode entwickeln.» So fing sie an, Geburtshypnose anzubieten und bekam derart positives Feedback von Müttern wie auch Hebammen, dass sie sich 2010 komplett auf diesen Bereich spezialisiert hat. «Es ist kein Hokuspokus. Es geht darum, dass man die Geburtstrance, die man durch die Hormonausschüttung erreicht, mittels Tiefenentspannung vertiefen kann.» Das Ziel sei keine schmerzfreie Geburt , sondern einen besseren Zugang zur Entspannung. «Den Frauen wird heutzutage grosse Angst gemacht. Doch Angst verspannt und blockiert.»
«Die Wahl des Spitals ist wichtiger als die Wahl des Kinderwagens.»
Susanne Keller, Fachfrau für Geburtshypnose
Die aktuelle Entwicklung mit einer Kaiserschnittrate von bis zu 50 Prozent in manchen Spitälern macht ihr Sorgen. «Ich habe von Orten gehört, die den Frauen sechs Stunden im Gebärsaal geben. Wenn das Kind bis dahin nicht da ist, wird eingegriffen.» Doch diese Interventionen – seien es Wehenförderer, Wehenhemmer oder Schmerzmittel – führten dazu, dass die körpereigene Hormonausschüttung nicht mehr funktioniere. «Und das hat Einfluss auf den Geburtsprozess, die Wehen werden als schmerzhafter empfunden und die Bindung zum Kind kann gestört werden.» Sie ist davon überzeugt, dass sich postpartale Depressionen nach Interventionen häufen. Man solle sich als Schwangere gut überlegen, wo man gebäre. «Die Wahl des Spitals ist wichtiger als die Wahl des Kinderwagens.»
Sie habe nicht grundsätzlich etwas gegen Interventionen. «Ein Kaiserschnitt oder Schmerzmittel im richtigen Moment ist ein Segen. Aber es muss einen Grund geben dafür. Die Frau möglichst schnell durchzuschleusen, damit der Gebärsaal wieder frei ist, ist kein guter Grund.» Sie selbst bereitet in ihren Einzelsitzungen die Schwangeren auf alle möglichen Szenarien vor. «Nicht jede Frau kann natürlich gebären. Ich möchte den Frauen einfach das Vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten zurückgeben.»
In einer einmaligen Einzelsitzung von zwei Stunden gibt sie den Frauen mentale «Werkzeuge» mit, damit sie sich während der Geburt gehen lassen können. «Welche das sind, ist individuell. Ich arbeite mit den persönlichen Erfahrungen der Frauen. Jede weiss selbst am besten, wie sie sich entspannen kann.»
Seit acht Jahren gibt sie auch Kurse für Hebammen. Mittlerweile betreibt ihr eigenes kleines Unternehmen Praxen für Geburtshypnose in Zürich, Uster, St. Gallen und Solothurn. Sie selbst sei daran, ein Buch zu schreiben. «Ein kleiner Ratgeber zur Geburtshypnose für die Handtasche.»
Ihr Plan sei, in fünf Jahren die Hälfte des Jahres in Südafrika zu verbringen – «dort gefällt es mir einfach.» Inzwischen ist Keller «glücklich geschieden», wie sie selbst sagt, hat seit eineinhalb Jahren einen neuen Partner. «Endlich passt es», sagt sie und lacht wieder.