«Auch gamen ist anstrengend»
Die 19-Jährige Vanessa Trieb aus Ohringen verbringt ihre Freizeit gerne gamend vor dem Computer. Wie langweilig, mögen nun viele denken. Manch einem wird sicher das Klischee eines abgedunkelten Raumes in den Sinn kommen: Ein ungepflegter Mann mit Bierbauch und Chipstüte starrt in einen Bildschirm. Während draussen bei strahlend blauem Himmel die Vögel zwitschern, gammelt der Gamer unserer Fantasie drinnen und verpasst das «wahre Leben».
Mit diesen Vorurteilen kann die junge Gamerin überhaupt nichts anfangen. «Es ist ein Hobby wie jedes andere auch. Wer mit diesen Vorurteilen leben will, der kann das gerne machen.»
Besonders die Idee, dass man durch das Spielen vor dem Bildschirm vereinsame, halte sie für kompletten Unsinn. «Es kommt auf jeden selbst an, wie sehr er sich sozial einbringen möchte.» Dabei gibt es beim Online-Gaming gleich mehrere Möglichkeiten.
Einerseits kann man sich über die Chatrooms mit seinen Mitspielern austauschen. Dabei muss man das Zimmer allerdings nicht verlassen. Doch es gibt auch viele Events, bei denen man sich trifft, sich über neuste Spiele austauscht und persönliche Erfahrungen preisgibt. Eine weitere Möglichkeit sind die sogenannten LAN-Partys. «Dafür werden grosse Messehallen gemietet», beschreibt die Streamerin. In diesen reihen sich Computer an Computer. Zusammen werde dann einen ganzen Tag oder über ein Wochenende gespielt.
Nur ein Team überlebt
Vanessa Trieb ist Teil des grössten E-Sports-Teams der Schweiz. Für mYinsanity streamt sie online. «Beim Streamen können mir andere Leute live beim Gamen zusehen», erklärt sie.
Momentan spiele sie hauptsächlich «PUBG», was für «Playerunknown’s Battlegrounds» steht. Dabei sei man in Teams von bis zu vier Personen oder auch alleine. Man springt irgendwo aus einem Flugzeug und landet auf einem Landfleck, der das Spielfeld darstellt.
Insgesamt spielen bis zu 100 Personen gegeneinander. Das Ziel sei es, sich in der richtigen Zone zu befinden und die anderen Mitspieler zu überleben. Mit der Zeit verkleinert sich der Kartenausschnitt immer mehr. Doch man weiss nie, wo das Gebiet als nächstes eingegrenzt wird. «Das Team, das am Schluss überlebt, hat natürlich gewonnen», erläutert Vanessa Trieb. Es sei der Nervenkitzel und die Mischung aus Team- und Solospiel, dass dieses Game für sie zu einem ihrer Lieblinge mache.
«Ich habe es niemandem erzählt»
Bereits mit 13 Jahren hat sich die Faszination für Gaming entwickelt. Die heute 19-Jährige sah sich «Let’s Play»-Videos auf YouTube an. In diesen Clips sieht man eine Aufzeichnung eines Games, das von jemandem gespielt wurde. «Es ist eigentlich wie beim Streamen, nur dass man nicht live zusieht.» Damals war sie noch alleine mit ihrem Hobby. «Ich habe auch fast niemandem davon erzählt», erinnert sie sich. Nicht aus Scham, vielmehr weil das Hobby nie wirklich Gesprächsthema war.
Heute wissen aber alle ihre aus ihrer Familie und ihrem Freundeskreis von ihrer Leidenschaft. «Es ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden.»
Auch ihr Freund sei vom Gamen angetan. «Ich könnte mir nicht vorstellen, mit jemandem zusammen zu sein, der nicht selbst Onlinespiele spielt», findet die Gamerin. Sie erwarte von ihrem Partner ein gewisses Verständnis. Und das könne man natürlich leichter aufbringen, wenn man die Faszination teilt.
Vom Gamen leben
Das Gamen sei ein zeitaufwendiges Hobby. «Vor allem wenn man nebenbei streamt, frisst das schnell viel Freizeit.» Deswegen streame sie spontan. «Es gibt auch Wochen, wo ich nur einmal online gehe.» In der Regel schaue sie aber schon, dass sie zwei bis drei Mal pro Woche aktiv sei.
Bevor Vanessa Trieb mit dem Spiel beginnt, kündigt sie das jeweils auf Twitter an. Das heisst, sie veröffentlicht die Uhrzeit und welches Game sie spielen wird. «Durchschnittlich schauen mir etwa zwanzig Leute zu.» Es gebe natürlich auch professionelle Streamer, die immer um die gleiche Zeit online seien. Das habe dann zur Folge, dass einem bedeutend mehr Leute zusehen. «Manche haben eine so grosse Fan-Gemeinschaft, dass sie davon leben können.»
«Es Gamen mehr Frauen als man vermuten würde.»
Vanessa Trieb, Streamerin bei mYinsanity
Mehr weibliche Gamerinnen
Ihren Stream hat Vanessa Trieb auf der Internetseite Twitch. Unter dem Namen Sharelia ist sie dort anzutreffen. Dort hat sie auch schon einige abschätzige Kommentare abbekommen. «Die einen haben mich nicht mehr ernst genommen, als sie bemerkten, dass ich eine Frau bin», erzählt sie. Doch diese Kommentare haben der 19-Jährigen nur wenig an: «Sobald sie mich spielen sehen, werden sie schon merken, dass ich genauso viel drauf habe, wie die männlichen Gamer.»
Zudem gebe es nun immer mehr weibliche Gamerinnen. «Dadurch wird es mit der Zeit normaler und stellt kein Problem mehr dar», meint sie. Einige ihrer Kolleginnen seien ebenfalls von dem Hobby begeistert. «Ich glaube, es gamen sogar mehr Frauen als man vermuten würde.»
Noch zu unbekannt in der Schweiz
Hierzulande sei der E-Sport noch grundsätzlich zu unbekannt. «In letzter Zeit ist es schon prominenter geworden. Doch das ist noch lange nicht genug.» In den USA, Japan oder China sei die Szene viel weiter entwickelt. «Man sollte dieses Hobby aus seiner Nische holen und die Leute darüber aufklären», findet Vanessa Trieb.
Für sie sei E-Sport auf jeden Fall ein richtiger Sport. «Auch Gamen kann anstrengend sein», findet die Streamerin. Wenn man sich über mehrere Stunden auf ein Spiel konzentriere, dann sei man danach ziemlich müde. «Wenn ich game, dann lege ich mir Strategien zurecht», erzählt sie und hofft dass ihre Leidenschaft auf immer mehr Beachtung stösst.