Abo

Politik

Deshalb kauft der Kanton die Fischtreppe in Kollbrunn

Am Mittwoch wurde in Kollbrunn eine «Pionierleistung» an den Kanton übergeben. Die modulare Fischtreppe Steffstep kann im Gegensatz zu herkömmlichen Fischtreppen auf- und wieder abgebaut werden.

v.r. Heinz Meier, Geschäftsinhaber von M. Wiesendanger AG (machte Planung), Gerhard Stutz, ehem. Leiter Wasserbau von AWEL, Eva Baier, Masterstudentin, Heinz Möckli von Walter Reist Holding AG. (Bild: Christian Merz), In Kollbrunn haben die Fische eine Möglichkeit, die Höhendifferenz der drei Meter hohen Schwelle in der Töss zu überwinden. (Bild: Christian Merz), Dort wurde vor drei Jahren nämlich die Fischtreppe Steffstep montiert. (Bild: Christian Merz), Eine bislang einzigartige Entwicklung der Walter Reist Holding (WRH) mit Sitz in Hinwil. (Bild: Christian Merz), Am Mittwoch fand die Einweihung der Treppe statt. (Bild: Christian Merz)

Deshalb kauft der Kanton die Fischtreppe in Kollbrunn

«Fische haben ein Problem», sagt die Naturwissenschafterin Eva Baier. Alleine in der Schweiz gebe es über 100’000 Hindernisse in den Flüssen, die ihren Lebensraum durchschneiden. Das seien Kraftwerke, aber auch Verbauungen wie eine drei Meter hohe Schwelle in der Töss in Kollbrunn. «Deshalb gibt es keine Lachse mehr in der Schweiz. Auch andere Arten sind gefährdet.»

Baier hat dabei geholfen, dass die Tiere in Kollbrunn trotzdem eine Möglichkeit haben, die Höhendifferenz zu überwinden. Dort wurde vor drei Jahren die Fischtreppe Steffstep montiert, eine bislang einzigartige Entwicklung der Walter Reist Holding (WRH) mit Sitz in Hinwil (wir berichteten). Die Fischtreppe wurde vor kurzem an den Kanton Zürich verkauft, gestern war die Übergabefeier.

Bachforellen nutzen Steffstep rege

Wie Heinz Möckli, Direktionsmitglied der WRH, gestern sagte, fing die Entwicklung von Steffstep vor etwa fünf Jahren an. Zuerst mit einem Modell im Wasserlabor der Firma. Dann mit einem Prototyp im Aabach in Uster, der wieder abgebaut wurde. Schliesslich wurde die Pilotanlage in Kollbrunn erstellt, die von Baier wissenschaftlich untersucht wurde. Die ETH-Absolventin hat, unterstützt vom Bundesamt für Umwelt, zwei Monitorings durchgeführt.  Sie stellte fest, dass Steffstep von den Bachforellen, die häufigste Fischart in der Töss, rege genutzt wird. «Eine durchschwamm die Treppe 52 Mal», sagt Baier. 

Sie ist erfreut, dass der Kanton die Wartung der Anlage weiterführt. Das beinhaltet die regelmässige Kontrolle, ob Geschiebe, Äste oder Blätter die Fischtreppe verstopfen. «Das sollte einige Male im Monat geschehen und sicher nach jedem Hochwasser.» 

Modulare Treppenkonstruktion

Auch die kantonalen Ämter waren von Anfang an in die Entwicklung involviert. «Alle Gewässer gehören dem Staat. Wenn man in diesem Bereich etwas machen will, braucht man seine Genehmigung», sagt Möckli. Er lobt die Zusammenarbeit mit dem Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel) und dem Amt für Landschaft und Natur. «Die Baudirektion war uns gegenüber immer wohlwollend und hat uns stark unterstützt.»

«Alle Gewässer gehören dem Staat. Wenn man in diesem Bereich etwas machen will, braucht man seine Genehmigung»

Heinz Möckli, Direktionsmitglied der Walter Reist Holding

So ist es wenig überraschend, dass der Kanton die Fischtreppe gekauft hat. «Es ist ein preiswertes Konzept, das funktioniert», begründet Möckli (siehe Box). Er zieht den Vergleich zu anderen Fischtreppen, die grösser und meistens aus Beton seien, also fixe Bauwerke. «Wir bieten stattdessen eine modulare Treppenkonstruktion an, die auf- und abgebaut werden kann. Das ist ein entscheidender Vorteil.» 

Wegen der Unterstützung des Kantons bei der Entwicklung habe dieser nur einen reduzierten Preis bezahlen müssen; rund 50’000 Franken. Normalerweise koste Steffstep pro Höhenmeter etwa 30’000 Franken, ohne Einbaukosten. Zum Vergleich: Eine herkömmliche, betonierte Fischtreppe kostet mindestens 100’000 Franken pro Höhenmeter, sagt Möckli. 

«Etwas Kleines, aber Feines»

Auch Gerhard Stutz, Abteilungsleiter Wasserbau der Baudirektion, bestätigt den von Möckli angepriesenen Vorteil von Steffstep. «Sie benötigt keine bauliche Massnahmen. Herkömmliche Fischtreppen würden für die Schwelle in Kollbrunn kaum in Frage kommen. Der Bau wäre viel zu aufwendig und würde gegen eine Million Franken kosten.» Stutz spricht von einer Pionierleistung in der Schweiz. 

Stutz war gestern ebenfalls an der Übergabefeier zugegen, seine letzte Einweihung, wie er sagt. Eigentlich ist Stutz bereits in Rente und erledigt nur noch einzelne Pendenzen. «Zum Schluss etwas Kleines, aber Feines. Die Fischtreppe ist eine gute Sache, mit der ich mich identifizieren kann.» 

Kein Schaden wegen Hochwasser

Für Kollbrunn sei Steffstep besonders geeignet, weil sie im «Schatten des Hochwassers» montiert werden konnte, wie Stutz sagt. Sie liege in einer Art Nische und sei den Belastungen der Wassermassen weniger ausgesetzt. «Es gab während der Testphase einige gröbere Hochwasser», sagt Stutz. Steffstep habe keinen Schaden genommen. 

Ein weiterer Vorteil in Kollbrunn: Hier ist die Konstruktion etwas versteckt vor den Augen der Passanten. «Es ist ein technischer Einbau, der nicht unbedingt ins Landschaftsbild passt. Das kann an anderen Orten störend wirken.» Die Baudirektion habe noch keine Strategie entwickelt, wo Steffstep angewendet werden könnte und wo nicht. 

4000 Kilometer Gewässer renaturieren

Ob und wo weitere Steffstep-Fischtreppen vom Kanton gekauft werden, kann Stutz deshalb noch nicht sagen. Grundsätzlich habe die Baudirektion aber Interesse daran. «Wir haben uns verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Fische wieder wandern können.» Im Kanton Zürich seien die meisten Hindernisse Kraftwerke. Entsprechend seien deren Betreiber dafür verantwortlich, die «Fischgängigkeit» wieder herzustellen.

Der Kanton sei zuständig für die eigenen Hindernisse. «Das sind meistens Schwellen. Alleine in der Töss wurde etwa 600 verbaut.» Das Ziel von Bund und Kantonen sei es, in den nächsten 80 Jahren 4000 Kilometer Gewässer zu revitalisieren.

«Wir haben uns verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Fische wieder wandern können.»

Gerhard Stutz, Abteilungsleiter Wasserbau der Baudirektion

«Das ist jedoch ein schleichender Prozess, der sich noch lange hinziehen wird», sagt der Abteilungsleiter Wasserbau. Alleine in der Töss sei die modulare Fischtreppe ein Tropfen auf dem heissen Stein. Es gelte jeweils abzuwägen, wo mit wenig Aufwand grosse Wirkung erzielt werden könne. «So stellen wir die Fischgängigkeit sukzessive wieder her.» Daher sei Steffstep eher eine temporäre Massnahme, um die Wanderung schnell wiederherstellen zu können. 

Auch Nachbarländer haben Interesse an Steffstep. 

Ob dieser grossen Aufgabe, die dem Bund und Kantonen bevorsteht, ist Direktionsmitglied Möckli überzeugt, dass noch viele weitere Aufträge auf die Walter Reist Holding zukommen werden. «Zwei Projekten laufen  bereits.» Eines im Kanton Schwyz sei bereits verkauft, ein Grossprojekt im Kanton Bern stehe kurz davor. «Wir haben auch schon Anfragen aus Deutschland, Österreich und Italien erhalten.» Denn nicht nur die Schweiz habe Interesse, ihre Gewässer zu revitalisieren, sondern auch die EU. 

Die Fischtreppe Steffstep

Steffstep ist eine modulare Fischtreppe, die von der Hinwiler Walter Reist Holding AG (WRH) entwickelt wurde. Sie besteht aus mehreren Becken, die mit schlitzförmigen Durchlässen verbunden sind. «Wie ein Legobaukasten», sagt WRH-Direktionsmitglied Heinz Möckli. Steffstep ist in zwei Ausführungen erhältlich: Typ I ist für Fische bis 50 Zentimeter (Bachforelle) und Typ II für Fische bis 100 Zentimeter (Seeforelle). «Kapazität für Fischtreppen für grössere Fische wie den Lachs und den Stör haben wir im Moment nicht», sagt Möckli. 

Steffstep könne für verschiedene örtliche Gegebenheiten flexibel gebaut und anschliessend in einem Fluss montiert werden. Bei Bedarf könne die Anlage auch einfach demontiert und anderweitig wieder verwendet werden. «Das wird in der Schweiz sonst nirgends angeboten», sagt Möckli. Die Idee für Steffstep kam auf, weil WRH unter dem Namen Steffworld neue Technologien für den Energie- und Umweltbereich entwickelte. Darunter auch eine Wasserturbine. «Da passt die modulare Fischtreppe wunderbar in unser Portfolio.»

Abo

Möchten Sie weiterlesen?

Liebe Leserin, lieber Leser

Nichts ist gratis im Leben, auch nicht Qualitätsjournalismus aus der Region. Wir liefern Ihnen Tag für Tag relevante Informationen aus Ihrer Region, wir wollen Ihnen die vielen Facetten des Alltagslebens zeigen und wir versuchen, Zusammenhänge und gesellschaftliche Probleme zu beleuchten. Sie können unsere Arbeit unterstützen mit einem Kauf unserer Abos. Vielen Dank!

Ihr Michael Kaspar, Chefredaktor

Sie sind bereits Abonnent? Dann melden Sie sich hier an

Digital-Abo

Mit dem Digital-Abo profitieren Sie von vielen Vorteilen und können die Inhalte auf zueriost.ch uneingeschränkt nutzen.

Sind Sie bereits angemeldet und sehen trotzdem nicht den gesamten Artikel?

Dann lösen Sie hier ein aktuelles Abo.

Fehler gefunden?

Jetzt melden.