Auf Tuchfühlung mit den Koalas
«Sie schlafen zwar 20 Stunden am Tag, aber dazwischen vertöffeln sie sich regelmässig.» Keiner kennt die beiden Koalas Milo und Mikey, die Anfang Februar in den Zoo Zürich einzogen, so gut wie der Dübendorfer Philipp Lederle. Er arbeitet als Fachspezialist in der neuen Australien-Anlage und ist täglich in Kontakt mit den beiden Koala-Männchen. Diese stammen ursprünglich aus dem Australian Reptile Park in der Nähe von Sidney und sind laut Lederle mit ihren zwei Jahren noch Teenager. «Sie kratzen an der 6-Kilo-Grenze, aber sie werden noch rund zwei Kilos zulegen, bis sie ausgewachsen sind.» Gerade seien sie daran, zu klären, wer im Gehege der Chef ist. «Im Moment ist Milo etwas grösser und kräftiger und setzt sich meist gegen Mikey durch. Das kann sich aber auch wieder ändern.»
Regelmässige Berichte
Auch Philipp Lederle und die anderen Tierpfleger müssen sich noch etwas an die neue Anlage gewöhnen, die vor drei Wochen eröffnet wurde. Neben den Koalas wird diese unter anderem von Allfarb-Loris, Bennett-Wallabys, Emus, Riesenwaranen und Tannzapfenechsen bewohnt. «Momentan liegt das Augenmerk natürlich auf den Koalas, da viele Besucher vor allem wegen ihnen in den Zoo kommen.» Zudem müssen die Tierpfleger regelmässig Berichte über den Gesundheitszustand der Koalas verfassen und nach Australien schicken – die beiden Tiere gehören rechtlich noch immer dem Australian Reptile Park.

Koala Mikey im Zoo Zürich. Noch ist er der kleinere und schwächere der beiden, doch das könne sich auch wieder ändern. (Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini)
«Dieses System ist bei einigen Tieren üblich, wie etwa auch bei den Grossen Pandas», erklärt Lederle. «Jeder Zoo der einen Grossen Panda hält, muss der Chinesischen Regierung einen bestimmten Betrag zahlen, sozusagen als Miete.» Für die Koalas zahlt der Zürcher Zoo nichts, aber er unterstützt das Naturschutzprojekt «Australian Ark» in Australien finanziell. Umgekehrt ist der Zoo in Zürich der einzige in Europa, der erfolgreich Galapagos-Riesenschildkröten züchtet. «Alle Nachkommen von unseren Tieren, die in anderen Zoos leben, gehören immer noch uns.»
Schwierige Suche
Um die Galapagos-Riesenschildkröten kümmert sich Philipp Lederle bereits seit zwei Jahren. Die Betreuung der Blutbrust-Paviane, für die er bisher ebenfalls zuständig war, hat er mit der Übernahme der Australien-Anlage abgegeben. Der 37-Jährige Lederle ist ursprünglich ausgebildeter Kaminfeger und kam 2011 noch in seiner Ausbildung zum Wildtierpfleger nach Zürich. «Ein halbes Jahr vor meiner Abschlussprüfung musste ich eine neue Stelle suchen, da der kleine Zoo, in dem ich bis dahin gearbeitet hatte, schliessen musste», erzählt Lederle. «Als ich die Möglichkeit hatte, nach Zürich zu wechseln, musste ich mir das nicht zwei Mal überlegen – schliesslich bewerben sich auf eine freie Stelle bis zu 300 Personen.»
Mit dem Arbeitswechsel kam auch der Umzug von Bad Ragaz nach Dübendorf. Die Suche nach einer passenden Wohnung war nicht minder schwierig als die Stellensuche. Denn Koalas findet Lederle zwar schon herzig und «glatti Cheibe», aber sein Herz schlägt für Reptilien. «Und mit mir zog eine ganze Gruppe giftiger Klapperschlangen nach Dübendorf», sagt er und lacht.
«Wenn man dann so einen Kerli auf dem Arm hat, streichelt man ihn natürlich auch ein bisschen.»
Philipp Lederle, Tierpfleger
Um sich auf seine neue Herausforderung mit der Australienanlage vorzubereiten, verbrachte er drei Monate in Australien. «Einerseits reise ich gerne und andererseits ist es als Fachspezialist wichtig, das Land kennenzulernen, aus dem die Tiere, die sich in meiner Obhut befinden, stammen.» Da Australien mittlerweile eine beliebte Reisedestination sei, werde er auch von Zoobesuchern vermehrt mit Ferienerlebnissen konfrontiert. «Es ist schon besser, wenn ich mitreden kann.» Darum arbeitete er für einige Wochen in einem Zoo in Perth mit Koalas und stattete auch dem Australian Reptile Park einen Besuch ab.
Im Gegensatz zu gewissen Tierpärken in Australien, wo die Besucher Koalas auf den Arm nehmen dürfen, wird in Zürich der körperliche Kontakt zu den Tieren auf einem Minimum beschränkt. «Zwei Mal pro Woche werden sie für die medizinischen Berichte untersucht und gewogen», sagt Philipp Lederle. Dafür müsse man sie natürlich anfassen. «Wenn man dann so einen Kerli auf dem Arm hat, streichelt man ihn natürlich auch ein bisschen. Sie sollen sich schliesslich an uns Menschen gewöhnen.» Rückmeldung von den Koalas gebe es nicht gross. «Sie brauchen die Streicheleinheiten nicht, aber es ist ihnen wohl dabei.» Obwohl er im Vergleich zu den anderen Pflegern wohl am meisten Zeit mit den Koalas verbringt, glaubt er nicht, dass sie ihn darum speziell gut kennen oder mögen.
Philipp Lederer über seine Faszination für Koalas (Video: Lea Chiapolini/David Kilchör):
Von den Tausenden von Besuchern, die täglich in die Australien-Anlage strömen, würden sich Milo und Mikey nicht gross aus der Ruhe bringen lassen. Gefüttert werden die beiden mit verschiedenen Eukalyptus-Arten, die von einer Zürcher Firma angebaut werden. «Man könnte ihnen alles anbieten, sie würden niemals etwas anderes als Eukalyptus fressen.» Der Mythos, die Koalas würden von der Pflanze berauscht und schliefen deshalb so viel, stimme allerdings nicht. Tatsächlich enthalte Eukalyptus Giftstoffe, dies führe aber lediglich dazu, dass der Verdauungsvorgang der grundsätzlich schwer zu verdaubaren Blätter noch komplexer werde.
Weibchen in Sicht?
Zum Gehege der Koalas gehört auch ein Aussenbereich, in den sie selbstständig wandern können – wenn es denn genug warm ist. «Bisher waren sie noch nicht draussen», sagt Lederle. Zwar seien Teile der Bäume im Aussenbereich von Innen geheizt, doch es muss über 20 Grad warm werden, damit die Tierpfleger den ersten Ausflug absegnen. Langfristig sei geplant, auch Koala-Weibchen nach Zürich zu holen. «Dann würden Milo und Mikey hormonbedingt sehr wahrscheinlich noch einmal etwas wachsen», sagt Lederle.
Doch momentan nehmen es die beiden noch sehr gemütlich, regen sich stundenlang kaum. Die grösste Chance, die beiden wach und aktiv zu sehen, sei zwischen 13.30 und 14 Uhr, wenn sie gefüttert werden. «Doch es gibt keine Garantie», sagt Lederle. «Sie haben auch schon die Fütterungszeit um mehr als eine Stunde verschlafen.»

Koala Milo verschläft wie sein Kollege Mikey rund 20 Stunden eines Tages. (Foto: Zoo Zürich, Enzo Franchini)