Wetziker Maturanden übertrafen sich selbst
Bei der Prämierung der besten Maturarbeiten ist es ein bisschen wie an der Oscar-Verleihung. Die Namen in den Couverts sind bis am Ende streng geheim. Daniel Wiedenkeller, Beauftragter für das Maturjahr, verriet anfangs nur so viel: Aufgrund der hohen Qualität der Arbeiten seien dieses Jahr sogar sieben statt fünf Maturanden ausgezeichnet worden.
Bevor er die Katze aus dem Sack liess, ging Wiedenkeller aber der Frage nach, welchen Stellenwert so eine Maturarbeit überhaupt hat. Dazu wollte er von vier ehemaligen Preisträgern der Kantonsschule Zürcher Oberland wissen, wie sie ihre Arbeit rückblickend einschätzen.
Sie habe ihnen Türen geöffnet oder diente als Entscheidungshilfe fürs Studium, schrieb eine Ehemalige. Eine andere meinte, sie habe dank der Maturaarbeit erste Grossprojekterfahrung sammeln können – und dies in einem geschützten Rahmen, in dem man sich noch Anfängerfehler habe leisten können. Eine Dritte habe durch die Arbeit gelernt, die Ausführung eines komplexen Projekts anzugehen und an die eigenen Kräfte zu glauben und Durchzuhalten.
Die Qual der Wahl
Die Jury hatte dieses Jahr die Aufgabe, aus 206 Arbeiten 19 für die Preisverleihung zu nominieren und daraus dann nochmals die besten auszuwählen. Das Spektrum war breit. „Wir sind thematisch sehr offen“, sagt Wiedenkeller. Dieses Jahr seien speziell viele wunderbare Kunstarbeiten entstanden. So hätten die Maturanden eigene Kinderbücher, eine Musikkomposition oder fotorealistische Zeichnungen gefertigt.
Dies widerspiegelte sich auch in den sieben prämierten Arbeiten. Julia Semmler etwa komponierte ein 25-minütiges Klavierquartett. Dass dieses auch in der Praxis funktioniert zeigte sie gleich selbst, als sie zum Auftakt der Preisverleihung in der vollen Aula einen Satz daraus spielte. Die 88-seitige Partitur habe sie praktisch ohne Vorwissen geschrieben, sagte ihr Betreuer Martin Lucas Staub. Ohne tüchtige Probenarbeit sei diese auch für Profis nicht zu schaffen.
Eine weitere Auszeichnung ging an Leah van der Ploeg für ihre auf Englisch verfasste Geschichte «The Tale of the Painted Dog». Mit der Geschichte, die in der afrikanischen Savanne spielt wollte sie ihre persönlichen Eindrücke, die sie während ihrer Kindheit in Ostafrika sammelte, gestalterisch umsetzen. Dabei habe sie nicht nur ihr zeichnerisches Können gezeigt, das Bilderbuch werde zudem einem wissenschaftlichen Anspruch gerecht, sagte Betreuerin Simone Grob.
Tief ins Leben eingetaucht
Mit «HIMMELGRAU» legte auch Nina Baggenstos ein selbst gezeichnetes und geschriebenes Kinderbuch vor. Mit dem mit sicherem Strich gezeichneten und eigenhändig gebundenen Buch hat sie die Jury überzeugt. Das Buch könnte in dieser Form sogar verlegt werden, sagte Thierry Perriard, der die Arbeit gemeinsam mit Nathalie Wannaz betreute. «Ich würde es gerne verschenken.»
«So eine Arbeit habe ich schon lange nicht mehr in den Händen gehalten.»
Beat Trachsler, Betreuer
Nadine Beetz stellte in ihrer Arbeit «TROTZDEM» das Leben von Menschen mit einem Handicap ins Zentrum. Dafür habe sie zahlreiche Gespräche geführt und sei während einem Betreuungseinsatz tief ins Leben dieser Menschen eingetaucht.
Blick ins Buch «Himmelgrau». (Video: Andreas Kurz)
Unter dem Titel «Weisse Weste oder blutige Hände?» untersuchte Joel Probst die Problematik der Schweizer Kriegsmaterialexporte. Es sei ihm damit nicht nur gelungen, das Spannungsfeld zwischen Kriegsmaterialexport und der Schweizer Aussenpolitik zu analysieren, er habe gleichzeitig auch noch Lösungsansätze geliefert, sagte Betreuerin Karin Beereuter.
Forschung an die Kanti gebracht
Alda Schwager Adalsteinsdottir befasste sich mit der Geschichte ihrer zweiten Heimat Island. Dabei ergründete sie in Gesprächen mit Zeitzeugen den Einfluss der britischen und US-amerikanischen Besatzung der Insel während des zweiten Weltkriegs. Was viele nicht wissen dürften: Im Gegensatz zum Rest Europas habe der Krieg für Island hauptsächlich positive Folgen gehabt und viel Fortschritt sowie die Unabhängigkeit gebracht.
Als dann die Arbeit von Pio Blieske gewürdigt wurde, ging mehrmals ein Raunen durchs Publikum. Der Gymnasiast habe mit seinem Werk über zelluläre Automaten «ein kleines Stück mathematische Forschung an die Kantonsschule geholt», sagte sein Betreuer Beat Trachsler. Ganz nebenbei habe Blieske dafür noch ein eigenes Computerprogramm geschrieben. Betrachte man solch einen zellulären Automaten, so Trachsler, könne der Eindruck entstehen, man sei in einem fremden Universum. «So eine Arbeit habe ich schon lange nicht mehr in den Händen gehalten.»
Bei all diesen ausgezeichneten Arbeiten gibt es – wenn überhaupt – wohl nur einen Wermutstropfen: Die Preisträger müssen sich das Preisgeld nun durch Sieben statt durch Fünf teilen.