Johnny Depp und Alice Cooper spielen in Dübendorf
Alice Cooper – da denkt man an einen Testosteronrocker, der mit enger Lederhose und dämonischer Schminke die Fans verzückt. In der Lounge des Zürcher Hotels Sheraton hingegen erscheint ein 69-Jähriger, der etwas gebückt durch die Gänge läuft und statt Whiskey Mineralwasser trinkt.
Alice Cooper, am 3. Juli spielen Sie mit Johnny Depp und dem Gitarristen Joe Perry als «Hollywood Vampires» in der Samsung Hall. Kann man Depp auf einer Rockshow wirklich gebrauchen?
Alice Cooper: Johnny war ein Rocker, bevor er Schauspieler wurde. Schon in seiner Jugend war er ein sehr guter Gitarrist und jetzt ist er sogar noch besser geworden – so gut, dass sogar Joe Perry, Lead-Gitarrist von Aerosmith, sich von ihm unterrichten lässt. Und ich vertraue ihm, dass er an diesem Abend nicht Eduard mit den Scherenhänden, sondern ein ganz normaler Musiker sein wird.
Johnny Depp, Alice Cooper und die Hollywood Vampires. (Quelle: Youtube)
Stiehlt er Ihnen nicht die Show?
Was die weiblichen Fans angeht schon. Ist er auf der Bühne, sind doppelt so viele Frauen im Publikum. Und die schauen nicht uns, sondern ihn an.
Ihr Gitarrist Tommy Henriksen wohnt in Nänikon. Kennen Sie die Region?
Nein. Ich war zwar schon bei ihm zu Hause. Aber sonst kenne ich Zürich nur wegen der Uhren. Wenn ich hierher komme, dann gehe ich immer auf die Flohmärkte. Dort findet man die besten alten Uhren.
Sind Sie und Henriksen Freunde?
Alle Bandmitglieder sind meine Freunde. Ich hänge mit ihnen ab, wir feiern zusammen Weihnachten und Thanks-Giving. Die Leute, die mit mir arbeiten, sehe ich als Familie. Vom Gitarristen zum T-Shirt-Bedrucker behandle ich alle gleich. Bei dieser Arbeit braucht es jeden Einzelnen. Und nur wenn sie Spass haben, wird die Show gut.
Apropos Familie und Thanks-Giving: Wussten Sie, dass die Samsung Hall, in der Sie im November gespielt haben, die heilige Halle der Freikirche ICF ist?
Wirklich? Das ist super. Mein Vater, mein Grossvater und mein Schwiegervater waren Pfarrer. Und auch ich bin Christ. Ich würde mit diesen Leuten wunderbar auskommen. Wissen Sie, die Leute haben oft eine falsche Vorstellung von uns Christen. Sie denken, wir stünden politisch am rechten Rand und hätten viele Vorurteile. Aber Christus war das Gegenteil davon. Er kam nicht zur Welt, um sie zu verfluchen, sondern um sie zu retten. Er hing mit Armen und Prostituierten ab und war nicht nur für die Elite da. Deshalb ist auch Rock’n‘ Roll nicht die Musik des Teufels. Gott soll genauso viel grossartige Musik hören wie der Teufel. (lacht). Die Bands aber, die sich als satanistisch bezeichnen, haben keine Ahnung von Satanismus.
Johnny Depps Gitarrenspiel. (Quelle: Youtube)
Was ist denn Satanismus?
Ich glaube, das Böse hat einen klaren Ursprung, den Teufel. Und das zeigt sich momentan besonders stark in der Weltlage. Jedes Mal, wenn jemand in eine Masse schiesst, kommt das sicher nicht von einem spirituellen, sondern von einem sehr dunklen Ort. Wenn einer versucht, Menschen zu kontrollieren, hat das für mich immer einen satanistischen Beigeschmack. Rock’n’Roll aber ist nicht satanistisch. Hören Sie meine Lieder genau, dann merken Sie, dass sie gute Dinge behandeln.
Zum Beispiel?
Mein Song «Hey Stupid» ist eine Reaktion auf Teenagersuizide. Er erzählt von einem Jungen, der seinem Freund sagt: «Hey du Dummkopf, du kannst dich doch nicht einfach so umbringen.» Übrigens kamen viele Leute auf mich zu und sagten: «Dieser Song hat mir das Leben gerettet.» Ich hätte nie gedacht, dass er eine solche Wirkung haben würde. Für dieses Geschenk von Gott bin ich dankbar.
Wie damals, als er Sie von ihrem Alkoholismus befreit hat?
Ich habe 35 Jahre lang getrunken. Jeden Morgen öffnete ich als allererstes eine Dose Bier. Mitte der 1980er Jahre musste ich deswegen ins Spital, und als ich wieder herauskam, war der Wunsch nach Alkohol weg. Die Ärzte sagten, sie hätten noch nie eine solche Heilung gesehen. Für mich ist es ein göttliches Wunder. Normalerweise habe ich nämlich überhaupt keine Willenskraft. Beim Versuch, auf Zucker zu verzichten, bin ich gescheitert. Aber Alkohol habe ich nie mehr angerührt.
Sie haben also kein Problem damit, dass konservativen Freikirchen in Ihnen ein Paradebeispiel für den geheilten Sünder sehen?
Nein. Sehen Sie, überall gibt es extreme Positionen, und manche rechtsgerichtete Kirchen verurteilen mich auch. Aber wenn ich zu meiner Kirche «Camelback Bible Church» gehe, verurteilt mich nie jemand. Die Leute sehen, dass ich mit ihnen bete, und finden es schön, dass ich unter ihnen bin.
Sind es die Evangelikalen, die sie verurteilen?
Evangelikale sind grundsätzlich keine schlechten Menschen. Wir sollten alle so sein wie sie. Problematisch wird es, wenn sie Menschen voreilig verurteilen. Etwa den Priester, der mit Prostituierten verkehrt. Dabei vergessen sie, dass wir alle fehlbar sind und Jesus als Ideal feiern.
Sie kommen aus Detroit und damit aus dem Rust-Belt, der Heimat der Trump-Wähler.
Das weiss ich gar nicht. Ich bin nicht sehr politisch.
Haben Sie nicht gewählt?
Doch. Aber mein Job ist es nicht Politik zu betreiben, sondern die Gedanken des Publikums von ihr weg zu lenken. An meiner Show sollen sie im Alice-Land ankommen. Politische Statements werden Sie von mir nie hören. Ich hasse
Politik.
So sehr, dass Ihnen egal ist, wer im Oval Office sitzt?
Ich glaube, das spielt keine Rolle. Der Präsident ist der CEO, der das Unternehmen führt. Viel Macht hat er aber nicht. Er kann den Kriegs-Knopf nicht alleine drücken, sondern braucht dafür die Zustimmung des Kongresses. Dass Trump gefährlich ist, glaube ich auch nicht. Die Trump-Wähler stimmten nur für ihn, weil sie Hillary für gefährlicher hielten.
Haben Sie ihn gewählt?
Mich überzeugte weder Hillary noch Trump. Gewählt habe ich darum einen parteilosen Kandidaten. Ich würde mir sowieso eine starke dritte Partei im Land wünschen, anstatt nur Demokraten und Republikaner, die die USA spalten. Und Präsident sollte auch nicht nur eine Person sein. Besser wären fünf Minister, die sich die verschiedenen Aufgabenbereiche unter einander aufteilen. Für einen allein ist alles zu viel. Das zeigt das Beispiel Trump: Die Volkswirtschaft war noch nie so gut wie unter ihm, weil er ein guter CEO ist. Aber als Aussenminister würde ich eine andere Person einsetzen.
Glauben Sie, er wird die Jobs nach Detroit zurückbringen?
Ja. Detroit befindet sich momentan in einer Boomphase. Die Downtown war einst eine der gefährlichsten Gegenden auf der Welt. Nun aber gibt es hier die besten Restaurants. Es wird viel Geld investiert. Und die Autobranche schreibt Rekordgewinne. Detroit verwandelt sich gerade in ein neue Stadt.