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Die Perlen am «falschen» Zürichberg

Die Gockhauser Künstlerszene liess am Samstag über 60 Architekturinteressierte in ihre Häuser blicken. Die Besucher staunten - über prächtige Inneneinrichtungen und die Unkompliziertheit der Gastgeber.

Die Natur im Wohnzimmer: Eine von insgesamt neun Wohnungen, die am Samstag in Gockhausen besichtigt wurden. (Bilder: André Gutzwiler), Der Eingangsbereich im ehemaligen Büro des Architekten Eduard Neuenschwander., Der Eingangsbereich im ehemaligen Büro des Architekten Eduard Neuenschwander., Die Besucher der Wohnungsführung sahen die gezeigten Wohnungen nicht nur von aussen, sie durften sich auch ungeniert im Innern umsehen., Landschaftsarchitekt Stefan Rotzler leitete die Führung und zeigte auch sein eigenes Haus.

Die Perlen am «falschen» Zürichberg

Als die Besucher der samstäglichen Exkursion durch die schönsten Häuser und Gärten Gockhausens das Wohnhaus der Überbauung im Buck betreten, entfahren ihnen Worte der Bewunderung : «Unglaublich» sagen sie oder: «Man findet sein Zuhause richtig bieder, wenn man hier herein kommt und sich das hier ansieht.»

Ein zu bestaunender Bau des Architekten Eduard Neuenschwander hat es in sich: Das wenige Licht des an der «falschen» Seite des Zürichbergs gelegenen Hauses wird von der Glasfront im Erdgeschoss eingefangen und durch den geschwungene Dachkanal bis ins sonst dunkle Untergeschoss geleitet. Und öffnet man dort die Gartentür, blickt man in eine Oase aus Seerosen, Gras und Fichtennadeln.

Überfordertes Laienauge

Das Auge des Laien ist völlig überfordert bei all den kulturellen Referenzen, die sich ihm in und um die neun zu besichtigenden Häuser bieten. Der Kreis um Neuenschwander, der hier viele Häuser gestaltet hat, dachte Architektur ganzheitlich. An einem Ort begrünten die Architekten das Flachdach, sammelten dessen Regenwasser und leiteten es durch Bäche in den Teich vor dem Haus. Man baute Treppen aus grobem Fels, liess sie von Gras überwachsen, so dass es aussieht, als seien sie Teil der Natur. Die Balken zogen sie über den Hausrand hinaus in den Boden und formten daraus eine Pergola.

Die feinen Betonwände des Einfamilienhauses Im Binzen scheinen direkt aus dem Teich, den es umgibt, herauszuwachsen: Das Gras ist so hoch und der Kiesweg derart mit Laub bedeckt, dass man meint, die Natur habe sich das Gebäude zurückerobert. Im Inneren der Häuser gehen Innenhöfe mit Steinbrunnen und Bäumen nahtlos in Bibliotheken und Esszimmer über. An den Wänden reiht sich ein Bild ans andere – die Bilder sind von einer Qualität, die man sonst üblicherweise nur im Museum antrifft.

Neuenschwander hat in Gockhausen eine eigene Welt erschaffen. Nach seinen Lehrjahren beim finnischen Architekten und Alvar Aalto, einer Pionierfigur des Modernismus, liess sich der Zürcher in den 50er Jahren in Gockhausen nieder, gründete mit dem Grafikerpaar Gottfried Honegger und Warja Lavater auf einer Brache eine Künstlerkolonie und lockte nach und nach Berufskollegen, Künstler und Werber an. «Sie erfanden hier die Welt neu», sagt Landschaftsarchitekt Stefan Rotzler, der zusammen mit zwei Berufskollegen den über 60 Besuchern das «architektonische Unikum» nahe bringen will.

Max Frisch ging hier ein und aus

In seinem eigenen Haus, einem renovierten Atelier des Grafikerpaars Gottfried Honegger und Warja Lavater, legt Rotzler Bilder von Max Frisch auf den Designertisch. Sie zeigen: An dieser Stelle arbeitete der Schriftsteller an seinem Buch Montauk. An der Holzwand gegenüber legte er seine Notizen aus.

Manch Gockhauser ist überrascht über den freien Geist, der unmittelbar vor seiner Haustür gepflegt wurde. Nur Kennern war wohl bewusst, welche Perlen hier zu finden sind. Besucher Thomas Thomi findet es spannend, dass er die Häuser, an denen er sonst vorbeiläuft, auch einmal von innen sehen kann. Und wenn er sieht, wie andere hier oben leben, kommt bei ihm auch schon mal ein bisschen Neid auf. Von Arroganz spürt er aber nichts. «Die Leute hier sind unkomplizierter als der Durchschnittsbürger. Wer sonst würde fremde Leute völlig spontan in sein Haus lassen?», fragt er.

Unkompliziert sind sie tatsächlich. Niemandem ist es hier peinlich, dass plötzlich eine Menschenmasse mit Hunden und Kindern in der Wohnung steht, sich durch die Gänge drängt, sich an Teichen vorbeizwängt und in jede Nische der Häuser blickt. Während des Rundgangs laden manche Hausbesitzer die Besucher sogar unvorbereitet in ihr Haus ein. Und statt den Gästen zu sagen, sie sollen die Schuhe am Türabtreter abstreifen, machen sie Scherze: «Wenn jemand Lust hat, unser Bett zu machen, dann nur zu», sagt eine Hausbesitzerin.

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