Ein Fest für alle Sinne
Auf der Wiese beim Herrenbaumgarten in Grüningen steht ein Mann in einem hellblauen Edelweisshemd. Um seinen Hals hat er ein rotes Glarnertuch geknüpft. Seine Hände umschliessen fest den Holzgriff seines Beils. Mit gezielten Bewegungen trennt er Äste von einem Baumstamm ab. Der Bommel seiner Zipfelmütze bewegt sich im Takt der Schläge. Ein meditatives Spiel. Dutzende Menschen stehen um ihn herum und verfolgen seine Arbeit. Er präsentiert seine Forstarbeit im Rahmen des Landvogteimarktes, der dieses Wochenende in Grüningen stattfand. Die Vorführung der traditionellen Handwerke ist ein fester Bestandteil des Anlasses.
WC-Bürsten und Kissen
Nicht weit vom Förster thront ein weiterer Mann auf einer Dreschmaschine. Er speist sie mit Weizenbündeln. Die Ansteckpins an seiner Kappe blitzen auf, wenn ein Sonnenstrahl sie trifft. Auch hier bleiben die Besucher des Marktes stehen. Sie haben keine Eile. Das Wetter verlockt zum Verweilen, die zahlreichen Marktstände und Präsentation bieten genug Abwechslung um mehrere Stunden zu bleiben.
Die Handwerker zeigen im Video, was sie draufhaben:
(Video: Simon Grässle)
Wo sonst die Autos, Busse und Lastwagen mit Tempo 40 durch das Stedtli fahren, ist am Wochenende Schritttempo angesagt. Allerdings gilt das nur für die Besucher, die Fahrzeuge wurden am Samstag und am Sonntag von der Stedtligass verbannt. Doch auch als Fussgänger ist es unmöglich, den Markt schnell zu passieren. Zu viele Stände verführen mit vollbeladenen Verkaufsflächen. Zu viele Möglichkeiten zum Essen bieten sich an. Das Angebot der Verkaufswaren mit einem Wort zusammenzufassen wäre ein Ding der Unmöglichkeit. So ist es möglich, am selben Markt sowohl mit einer neuen WC-Bürste, als auch mit einem überdimensionalen Kissen nach Hause zu gehen.
«Der absolute Wahnsinn»
So vielfältig das Angebot, so unterschiedlich die Gerüche in der Luft. Der Duft von frischgegrillten Fleischspiessen trifft auf Chnoblibrot und Raclette, um dann schon bald von einem schweren Patchouliduft, der von einem Räucherstäbchen-Stand kommt, unterbrochen zu werden. Ein olfaktorisches Potpourri.
Bewegt man sich weiter und biegt auf den Chratzplatz ab, um zum Herrenbaumgarten zu gelangen, steigt einem der Duft von Holz in die Nase. Tausende Holzschnitze funktionieren als Untergrund für die Festbänke. Auf dem ganzen Areal haben sich Schmiede verteilt. Dieses Jahr ist das eidgenössische Schmiedefest in den Landvogteimarkt integriert. Der Grüninger Gemeinderat und Kunstschmied Leonardo Benazzi ist begeistert: «Es ist der absolute Wahnsinn, wie viele Leute hier sind.» Beat Hofmann von der Marktkommission ist ebenfalls ganz angetan davon, dass die Schmiede Teil des Landvogteimarktes sind. «Der Hammer», findet er.
Auch Schmiedinnen
In der Mitte des Platzes werken die Schmiede. Muskulöse Arme heben den Hammer über die Schultern und schlagen ihn schonungslos auf ein Metallstück. Im Hintergrund flackert das Feuer in der Esse. Die Gesichter der Schmiede sind gerötet. Immer wieder fahren sie mit dem Handrücken über die Stirn, auf der bald wieder Schweissperlen glitzern. Fast alle tragen ein hellblaues Schmiedehemd. Die Beine sind mit langen Hosen geschützt.
Unter den anwesenden Berufsleuten seien auch sechs Schmiedinnen. «Ich habe noch nie so viele auf einem Haufen gesehen», sagt Benazzi. Obwohl es eine rechte Männerdomäne sei, stehe das Geschlecht der Schmiede für ihn nicht im Vordergrund. «Hauptsache, die Arbeit ist gut.» Auch Wandergesellen haben sich auf den Weg nach Grüningen gemacht. «Einer ist 700 Kilometer angereist, um dabei zu sein», sagt Benazzi. Sie unterstützen nun die Schmiede bei der Herstellung der Windfahne, die sie der Gemeinde überreichen werden. Ein Löwe, angelehnt an das Grüninger Wappentier, soll es werden.
Die Besucher selbst haben auch die Möglichkeit, sich im Schmiedehandwerkt zu versuchen. Unter Aufsicht agieren sie mit dem heissen Eisen. «Ein professioneller Schmied kann ungefähr fünf Stunden am Tag schmieden. Ein Laie braucht unter Umständen nach einer Wärme eine Pause», sagt Benazzi. Eine Wärme sei die Zeit, die vergeht, bis das Eisen wieder kalt ist. Während des zweitägigen Fests dominieren im Herrenbaumgarten die metallenen Klänge der Schmiede. Ein Schlag folgt auf den nächsten, einer klingt höher, der nächste tiefer. Der Grüninger Landvogteimarkt war also auch dieses Jahr ein Fest für alle Sinne.