Politik

Der Chef hinter den Kulissen von «Ewigi Liebi»

Der Dürntner Thomas Zweifel ist im Musical «Ewigi Liebi» der Regisseur im Hintergrund. Kontrollverlust gehört zu seinem Job. Dafür hat er Murmeltiere als Helfer, wie ein Blick hinter die Kulissen des Musicals zeigt.

Bei ihm laufen hinter der Bühne die Fäden zusammen: Der Dürntner Thomas Zweifel arbeitet als Bühneninspizient des Musicals «Ewigi Liebi». (Bild: Nathalie Guinand)

Der Chef hinter den Kulissen von «Ewigi Liebi»

So klingt also die Ewigkeit. Drei Murmeltiere stehen vor ihrem Bau und singen inbrünstig ein Trio-Eugster-Lied: «En Kafi mit Schnaps, en Jass und de Schwiizer het sie Rueh.» Wem das – frei nach Sängerin Maja Brunner – «spanisch vorkommt», gehört zur Mehrheit. Nicht aber zu den rund 700‘000 Zuschauern, die «Ewigi Liebi» gesehen haben. Das erfolgreichste Schweizer Musical aller Zeiten erzählt die Geschichte vom Daneli und seinem Heidi.

Einer, der «Ewigi Liebi» noch öfter gesehen hat als die grössten Fans, sitzt hinter der Bühne. Es ist ein neckisches Detail, dass er den Zweifel im Namen trägt. Der Dürntner Thomas Zweifel hat vor zehn Jahren als Techniker bei «Ewigi Liebi» angefangen, nun ist er Bühneninspizient. Er instruiert die Techniker, sorgt dafür, dass zur richtigen Zeit das Bühnenbild gewechselt wird, und trägt die Verantwortung für den Ablauf der Show.

Deren zweiter Erzählstrang handelt von einer zotigen Murmeltierfamilie mit schwulem Sohn. Diese tritt immer dann auf, wenn der Schmalzbrei überzulaufen droht und ein Schuss Klamauk gefragt ist. Die Mischung machts, die Zuschauer kriegen vom Blockbuster-Rührstück nicht genug. Das Mundart-Hit-Musical wurde von 2007 bis 2012 in Zürich und Bern 906 Mal aufgeführt. Dann war Pause. Zum zehnjährigen Jubiläum läuft es wieder in der Zürcher Maaghalle.

Ausschnitte von der Premiere im März 2017:

(Quelle: youtube)

Anweisungen aus der Bibel

Im Kontrollraum der ewigen Liebe herrscht ein charmantes Chaos. Zwischen Unmengen von Kabeln lächelt ein Buddha von der Wand. Auf einem Sperrholztisch stehen ein Plüschhase, Süssigkeiten für die Schauspieler und zwei Computer-Bildschirme. Zweifels Arbeitsplatz.

Der 33-Jährige sitzt hinter seiner Bibel, wie er den dicken Ordner mit dem Programmablauf nennt. Auf den zwei Bildschirmen verfolgt er die Show. Auf einem hat er mit farbigen Post-It-Zetteln genau markiert, wo die wichtigsten Elemente auf der Bühne stehen müssen. Das aufwendige Bühnenbild des bisweilen rasant getakteten Musicals wechselt in schneller Folge. Die beiden grössten verschiebbaren Elemente, der Einfachheit halber «Wagen links» und «Wagen rechts» genannt, wiegen je über eine Tonne. Bewegt werden die Wagen von fünf Bühnentechnikern, denen Zweifel über ein drahtloses Kommunikations-System Anweisungen gibt, sogenannte Cues.

Er schildert die jeweils nächste Aufgabe, fragt einzeln ab, ob die Techniker bereit sind, und gibt schliesslich ein Kommando: «Cue 1: Wohnwand weg, Schrottwand weg, Steintreppe reinfahren – und go!» Die kompliziertesten Elemente sind die Holzwände. Sie sind alle unterschiedlich lang und müssen stets in einem anderen Tempo bewegt werden. Zweifel hat hohe Ansprüche an Sorgfalt und Genauigkeit, der Zuschauer nimmt aber, wenn überhaupt, nur gröbere Fehler in der Choreografie wahr.

Der Umgangston hinter der Bühne ist kollegial bis bestimmt. Zweifel spricht viel mit den Technikern. Der Dürntner sagt von sich, er sei strenger als andere Inspizienten. Schliesslich führt Routine schnell zu Unachtsamkeit – und dann droht Gefahr. Er zieht den Vergleich zu im Schritttempo fahrenden Autos, die grossen Schaden anrichten. Mit den beiden Wagen ist noch nie ein schwerer Unfall passiert. Dafür konnte die im Musical als Zeitmaschine dienende Seilbahngondel einmal nur mit zehn Minuten Verspätung gestartet werden.

Ein Medley aus «Ewigi Liebi»:

(Quelle: youtube)

Alle helfen mit

Die Gondel ist der einzige Teil des Bühnenbilds, der mit einem Motor läuft. «Viele glauben, wir arbeiten mit Bühnentechnikern weil es billiger ist», sagt Zweifel. «Das Gegenteil ist der Fall.» Bei Menschen liessen sich Ausfälle aber besser beheben als bei Maschinen. Jeder Techniker hat einen Ersatz. Und bei den aufwendigsten Bühnenbild-Wechseln helfen die Schauspieler mit. Dann schieben zum Beispiel die Murmelis Kulissen oder bedienen den Seilzug. «In einem subventionierten Theater würden für solche Szenen drei zusätzliche Techniker eingestellt», kommentiert Zweifel süffisant.

Beim Dürntner laufen während der Vorführung viele Fäden zusammen. Er entscheidet, wann die Show beginnt, sorgt für das richtige Timing, nimmt Anliegen der Schauspieler auf, muss aber auch Kontrolle abgeben. «Das macht mich manchmal hilflos.» Denn alles nachprüfen kann Zweifel nicht. Die Techniker arbeiten bereits vor der Show eine sechsseitige, persönliche Checkliste ab. Jeder einzelne der über 900 Zuschauersitze wird getestet, die Sicherheitsvorkehrungen auf der Bühne sind gemäss Zweifel rigoros.

Die Magie gefunden

Zum Musical ist der Dürntner eher zufällig gekommen. Er organisierte ehrenamtlich Konzerte und Partys in einem Zürcher Klub, als 2007 die Anfrage eines Freundes kam, ob er nicht neben dem Informatik-Studium bei «Ewigi Liebi» einsteigen wolle. Das Stück sah er zum ersten Mal nach einem halben Jahr als Bühnentechniker – im Zuschauerraum. Während der Arbeit war er so stark auf seine Aufgabe fokussiert, dass er Teile der Handlung gar nicht kannte.

Die Bühne wurde für Zweifel zur «Herzensangelegenheit». Er schmiss sein Studium und liess sich zum «Meister für Veranstaltungstechnik» ausbilden. Nach Jahren als Freelancer ist er seit April fest als Hallenmeister der Maaghalle angestellt. «Das ist, einfach ausgedrückt, ein Abwart, der sehr viel mit Veranstaltungstechnik zu tun hat», erklärt Zweifel.

Weitere Ausschnitte aus aus «Ewigi Liebi»:

(Quelle: youtube)

Seine Zeit als Bühneninspizient endet nach der letzten Vorführung von «Ewigi Liebi». Das Musical bedeutet ihm viel. «In keinem anderen Team war der Groove je so toll.» Die Stimmung hinter den Kulissen gehört für den Oberländer zum Geheimnis des Grosserfolgs. «Es ist eine gewisse Magie vorhanden. Alle fühlen sich wohl, vom Servicepersonal bis zu den Schauspielern. Das spürt der Zuschauer.» Ein verklärter Ausdruck legt sich bei diesen Sätzen über sein Gesicht. «Ich weiss», fügt Zweifel lachend an. «Das klang jetzt leicht esoterisch.» Nach mehreren hundert Vorführungen ist die Distanz zum Stück aber grösser geworden. Doch wenn in der Schlussszene das ganze Ensemble die Liebe beschwört, berührt ihn das nach wie vor.  

Nicht zuletzt wegen seiner persönlichen Geschichte. Der Dürntner hat nicht nur sein Herz an die Bühne verloren. Er hat es auch dahinter verschenkt – an eine der Theaterschneiderinnen, die zu Beginn bei «Ewigi Liebi» arbeitete. An ihrer Hochzeit trat der Gitarrist der Ewigi-Liebi-Band zusammen mit einer Sängerin auf. Bei ihnen, so ist es verbürgt, klang die Ewigkeit nicht nach Trio Eugster.

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