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Keine fixen Arbeitszeiten, dafür mit Café

In ihrem neu eröffneten Salon Crazy Hairline will Fränzi Rüegg nicht nur Haare schneiden. Der Laden mit Bar und Lounge soll zu einem Treffpunkt mit glücklichen Mitarbeitenden werden. Das Konzept entstand aufgrund eines Schicksalsschlags.

Im Dezember hat Fränzi Rüegg den Salon Crazy Hairline in Uster eröffnet. Sie will damit die Coiffeur-Szene aufmischen., Rüegg schneidet Haare, seit sie zwölf Jahre alt ist., Es soll nicht nur ein Coiffeurladen, sondern ein Treffpunkt werden. , Die Inneneinrichtung hat die Coiffeuse selber in die Hand genommen. , Die 23-jährige Cindy Natter ist glücklich über ihren neuen Arbeitsplatz. , Bis jetzt verbringen vor allem Kollegen der Familie Zeit im Salon, aber nicht nur, sagt Fränzi Rüegg. , Die 19-jährige Lea Keller kam durch Fränzi Rüeggs Tochter an den Job., Sie hat sich auf Bartfplege spezialisiert und macht eine Visagisten-Ausbildung. (Bilder: Christian Merz)

Keine fixen Arbeitszeiten, dafür mit Café

Ein Coiffeur mit einem Bar-Tresen – das klingt nicht sehr aussergewöhnlich. Einen Espresso kriegt man schliesslich heutzutage zu jedem Haarschnitt dazu. Ein Besuch beim neu eröffneten Salon Crazy Hairline zeigt jedoch, dass es Coiffeuse Fränzi Rüegg mit der eingebauten Bar nicht nur ums Kaffee trinken geht.

Das ehemalige Yoga-Studio an der Wermatswilerstrasse 6 in Uster wurde stilvoll umgebaut. Für die Bar verwendete Rüegg Eichenholz einer 450 Jahre
alten Scheune. Daneben hängt ein Dartbrett, das zurzeit vor allem von Rüeggs Sohn und ihrem Mann benutzt wird. In der Lounge gegenüber stehen mehrere gemütliche Sessel und ein Sofa. Gleich daneben beginnt das Coiffeurstudio mit einer Ecke für Nageldesign.

Keine fixen Arbeitszeiten

Die 47-jährige Hittnauerin hat zwei Ziele mit ihrem Studio: Sie will einen Ort schaffen, an dem sich «wirklich jeder» wie zu Hause fühlen kann. Zudem will sie jungen Leuten eine Arbeitsstelle bieten, die sie motiviert. So hat Rüegg, die mit ihrer herzlichen und offenen Art auch eine Südländerin sein könnte, die 23-jährige Cindy Natter und die 19-jährige Lea Keller angestellt, die für den Laden in ihrer Abwesenheit verantwortlich sind.

Einzig bei den Themen Ordnung und Sauberkeit lasse sie die Chefin raushängen. «Da bin ich pingelig.» Sonst sei sie eine «Querschlägerin»: «Ich habe eine ganz andere Einstellung als die anderen Coiffeure. Bei mir muss man nicht stur nach Struktur arbeiten.» Fixe Arbeitszeiten gibt es nicht, Stunden werden keine aufgeschrieben. «Ab 9 Uhr sollte eine der beiden vor Ort sein, wenn ein Termin eingeschrieben ist. Ansonsten überlasse ich es ihnen, wie sie die Tage organisieren.» Am Freitagabend hat das Geschäft bis22 Uhr geöffnet – oder auch mal länger, wenn es sich ergibt. Dafür dürfen die zwei Angestellten jederzeit ihre Freunde einladen.

«Vorher war ich Coiffeuse, hier kann ich m ich selber sein»

Man nimmt es Fränzi Rüegg ab, wenn sie sagt, es gehe ihr darum, die Welt ein bisschen besser zu machen – auch wenn vieles, was Rüegg sagt, nach schönen Worten klingt.Die Freiheit werde nicht ausgenützt, sagt Lea Keller, die über Rüeggs Tochter an den Job kam. «Vorher habe ich ständig auf die Uhr geschaut und jede Minute gezählt. Hier ist es ganz anders, ich gebe von mir aus auch gerne mehr, als ich müsste.» Auch Cindy Natter ist begeistert von ihrem neuen Job: «Jetzt ist die Arbeit für mich kein Müssen mehr, sondern ein Dürfen. Es ist eine komplett andere Atmosphäre. Vorher war ich die Coiffeuse, hier kann ich mich selber sein.» Sie sei anfangs skeptisch gewesen, als sie von der Idee erfahren habe. «Bei Fränzi klingt alles so nach ‹Blüemli›. Aber es ist nicht nur Gerede, es ist wirklich toll.»

Rüegg schneidet Haare, seit sie zwölf Jahre alt ist. (Bild: Christian Merz)

 

Schwere Krankheit

Rüegg schneidet Haare, seit sie 12 Jahre alt ist. Einen offiziellen Lehrabschluss hat sie nicht, dafür eröffnete sie mit 20 ihren ersten Salon. «Haare zu schneiden war einfach mein Ding. Und es lief unglaublich gut, ich habe sehr gut verdient, als ich jung war.» 27 Jahre lang arbeitete sie und kümmerte sich um ihre drei Kinder. Dann, vor sieben Jahren, musste sie aufhören. «Bei meiner jüngsten Tochter wurde eine schwere Lungenkrankheit diagnostiziert. Ich wollte für sie da sein und beschloss, zu Hause zu bleiben.» Während dieser Zeit hatte sie sehr viel Kontakt zu den Freunden ihrer Kinder. «In unserem Haus ist es immer ein Kommen und Gehen, da kriegt man viel mit.» So habe sie gemerkt, dass fast alle Jungen nicht mehr gern zur Arbeit gehen würden. «Ich fand das sehr schade, denn ich hatte bei meiner Arbeit grosse Freiheiten erlebt», sagt Rüegg. Als ihre Tochter älter wurde und selbständiger mit ihrer Krankheit umgehen konnte, entschloss sich Rüegg, wieder ein Geschäft zu eröffnen, und mindestens zwei Jugendlichen einen anderen motivierenden Arbeitsort zu bieten.

Ihr Mann Roland, der eine Käserei in Hinwil betreibt, unterstützt das Vorhaben finanziell. Er habe nicht lange gezögert: «Fränzi kommt mit ihrer ‹gspürigen› Art sehr gut an.» Für ihn sei klar gewesen, dass das funktionieren werde: «Wenn Fränzi etwas anpeilt, steckt sie ihre ganze Energie da rein.»

Noch schreibt der Laden, der im Dezember eröffnet wurde, keine schwarzen Zahlen, aber Fränzi Rüegg ist ebenfalls zuversichtlich: «Ich bin überzeugt von mir und meiner Idee.»

 

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