Auf der Suche nach dem Tösstaler Drogenpilz
Jetzt, in der Pilzsaison, sollen in der Schweiz neben den vielen genussvollen Speisepilzen auch die als «magic mushrooms» bekannten Drogenpilze wachsen. Gemäss wissenschaftlichen Publikationen kommt in unseren Breiten der Spitzkegelige Kahlkopf am häufigsten vor (siehe Box). Sucht man auf einschlägigen Internetseiten nach den konkreten Standorten, ist oft vom Jura oder vom Napfgebiet die Rede. Ein Eintrag vermerkt auch das obere Tösstal, genauer das Gebiet rund um den Tössstock.
Ich frage telefonisch bei Landwirt Ruedi Kaspar nach, wo die Drogenpilze wachsen. Kaspar bewirtschaftet auf der Grossegg unterhalb des Schnebelhorns den höchstgelegenen Hof im Kanton Zürich. Seine Wiesen liegen eigentlich genau auf jenen Höhen, wo die Drogenpilze wachsen sollen. Doch Kaspar winkt ab: «Ich habe schon gehört, dass es diese Pilze im Tösstal geben soll, habe aber auf den Weiden noch keine Sammler gesehen.» Drogenpilze seien zudem seinem Wissen nach kein Thema bei den Tösstaler Bauern.
Achtung: Die Aussage im Video, dass die Pilze praktisch keine Wirkung zeigen würden, gibt nur die Ansicht der Polizei wieder. (Video: Michael von Ledebur/Mike Gadient)
Ideale Wiesen am Tössstock
Ausgerüstet mit Fotos des Spitzkegeligen Kahlkopfs und dem Wissen, dass der Pilz auf rund 1000 Meter über Meer auf nährstoffreichen Wiesen wächst, mache ich mich in Wald auf den Weg. Im Restaurant Farneralp weiss Wirt Paul Fischbacher nichts über lokale «magic mushrooms». «Nein, nie gehört. Wir haben ab und zu schon auch komisches Volk hier oben, vielleicht hat einer solche Pilze genommen», sagt er lachend.
Ich steige nordostwärts weiter Richtung Tössstock. Die Wiesen ändern ihren Charakter. Nach den landwirtschaftlich intensiv genutzten Weiden oberhalb von Wald, werden die Grünflächen wilder, steiler. Auf kargen Flächen entdecke ich erste Kuhfladen. Plötzlich sehe ich ein jüngeres Wander-Pärchen, das langsam und gebückt über eine Wiese streift. Bei näherem Hinsehen zeigt sich die Wiese mit Kuhfladen gespickt, dunkelgrüne, saftige Grasbüschel verweisen auf einen hohen Nährstoffgehalt und mein Höhenmesser zeigt knapp 1000 Meter an.
Auffällige Wanderer
Da finden sich hellbraune, kleine Pilze mit einem weitgefächerten Hut, fast schwarze, grosse – und dann entdecke ich ihn: Gelblich weiss schimmernd steht er zwischen dichten Grasbüscheln, ein Spitzkegeliger Kahlkopf. Ich pflücke ihn und spreche den Mann des Pärchens auf meinen Fund an. «Ja, das ist einer», sagt der unverblümt. Er selbst hält rund zehn entsprechende Pilze locker in der Hand. Er komme aus Winterthur regelmässig hierher, um den Spitzkegeligen Kahlkopf zu suchen, offenbart er. Das Gebiet sei zum Glück nicht so bekannt.
20 Pilze für 2-Stunden-Trip
Wie er die Pilze konsumiere, will ich von ihm wissen. «Ich esse rund 20 Stück und habe damit einen Trip von zwei bis drei Stunden. Nicht so stark wie LSD – das schätze ich besonders an den ’magic mushrooms’.» Er wisse, dass der Konsum illegal sei, habe aber noch nie von Problemen mit der Polizei gehört. Und: «Eigentlich ist im Kanton Zürich vom 1. zum 10. jeden Monats Schonfrist für alle Pilze. Aber der Spitzkegelige Kahlkopf ist halt speziell.»
Der Mann entschuldigt sich, verabschiedet sich lachend und streift mit seiner Gefährtin weiter in gebückter Haltung über die Wiese. Da ich selbst kein Bedürfnis nach illegaler Bewusstseinsveränderung habe, schultere ich meinen Rucksack und mache mich auf den Rückweg. (Andreas Leisi)
Psilocybin – unterschiedlich beurteilte Wirkung
Der Spitzkegelige Kahlkopf (Psilocybe semilanceata) ist der in Europa am weitesten verbreitete Pilz, der den halluzinogenen Stoff Psilocybin enthält. Messungen ergaben einen durchschnittlichen Gehalt von 0,8 bis 1,0 Prozent der Trockenmasse, was ihn gemäss verschiedenen Internet-Einträgen zu einem der potentesten sogenannten Magic mushrooms macht.
Zwischen Glück und Panik
Anzutreffen ist er vor allem auf Wiesen und Weiden um
1000 Meter über Meer, an grasigen und nährstoffreichen Stellen, meist geben ihm ausgetrocknete Kuhfladen den Nährstoff. «Magic mushrooms» werden gemäss Internet-Einträgen insbesondere in der Goa- und Trance-Szene konsumiert. Der Wirkungsstoff Psilocybin imitiert den körpereigenen Botenstoff Serotonin und führt zu einer Reizüberflutung. Diese kann als Glücksgefühl erlebt werden, aber auch Angstzustände und Panikattacken hervorrufen.Expertin warnt
Gemäss Priska Bretscher von der Suchtpräventionsstelle Zürcher Oberland ist der Konsum des Spitzkegeligen Kahlkopfs
bei der Fachstelle kein Thema. Trotzdem warnt die Expertin: «Der Pilz ist ein Giftpilz und seine halluzinogene Wirkung nicht unproblematisch. Zudem kann es zu Verwechslungen kommen mit anderen Pilzen, die tödlich sein können, wenn sie wild gesammelt werden.»In der Schweiz ist seit dem 1. Januar 2002 Handel, Erwerb, Besitz und Konsum von halluzinogenen Pilzen der Gattungen Psilocybe (Kahlköpfe), Conocybe (Samthäubchen) und Panaeolus (Düngerlinge) verboten. Wer zuwiderhandelt, hat mit einer Verzeigung im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes zu rechnen.
Polizei winkt ab
Die Kantonspolizei weiss gemäss Cornelia Schuoler vom Mediendienst nicht, dass der Spitzkegelige Kahlkopf im Tösstal wächst – man werde dem Hinweis jedoch nachgehen. Anzeigen im Kanton Zürich im Zusammenhang mit halluzinogenen Pilzen seien als Einzelfälle kategorisierbar, sagt Schuoler. Und: «Der Wirkstoff eines solchen Pilzes ist sehr gering, und der Konsum erzielt kaum eine oder gar keine Wirkung.» (lei)