Gymnasium retour: Probezeit als Prellbock für Schüler
Immer mehr Jugendliche bestehen die Probezeit am Kurzzeitgymnasium nicht. Waren es im Schuljahr 2009 im Kanton Zürich noch 17 Prozent, lag die Quote im vergangenen Herbst bei über 22 Prozent.
Zu hohe Zahl
Auch für Martin Zimmermann, Rektor der Kantonsschule Zürcher Oberland, ist diese Quote zu hoch. Allerdings seien es nicht nur die Gymnasien, welche Jugendliche einfach zurückschickten. «Etwa die Hälfte derjenigen, welche die Probezeit nicht bestehen, brechen diese freiwillig ab», erklärt er auf Anfrage.
Die Gründe dafür seien aber schwierig zu eruieren. Basieren diese Entscheide auf einem Eingeständnis der Überforderung? Oder handelt es sich eher um Entscheide für einen anderen Bildungsweg?
Vornoten wieder einführen?
Die steigende Ausfallquote, also der Anteil derjeniger, welche während oder nach der Probezeit das Gymnasium verlassen, zeigt, dass viele Jugendliche in einer für sie unpassenden Ausbildung landen und Kosten verursachen.
Zürcher Kantonsräte haben deshalb einen Vorstoss lanciert, welcher den Vorleistungen in der Sekundarschule wieder mehr Gewicht geben soll. Denn zur Aufnahme ins Gymnasium muss heute nur mehr noch die Prüfung bestanden werden, Vornoten haben keinen Einfluss mehr auf den Aufnahmeentscheid.
Mehr Stoff
KZO-Rektor Zimmermann glaubt allerdings nicht, dass die hohe Ausfallquote mit den fehlenden Vornoten zusammenhängt, sondern gibt zwei Hypothesen zu bedenken.
So könne es einerseits sein, dass die Anforderungen am Gymi gestiegen seien und mehr Stoff in kürzerer Zeit behandelt werde. Andererseits könne es aber auch sein, dass bei der Vorbereitung aufs Gymnasium der Fokus besonders stark auf die Prüfung gelegt werde, so dass diese auch von Jugendlichen bestanden werde, welche noch nicht unbedingt reif für den Gymnasiumsalltag seien.
Für den Kanton ein Problem
Die hohe Ausfallquote ist für den Kanton in erster Linie wegen der Kosten an den Mittelschulen ein Problem. Kürzlich hat er darum im Rahmen der Sparübung neben vielen weiteren Massnahmen angekündigt, die Quote senken zu wollen.
Passiert dies aber über höhere Hürden beim Eintritt, wie es Kritiker aus Schulkreisen befürchten, könnte dies einen Bumerang-Effekt zur Folge haben: Schüler pauken noch härter für die Prüfung, so dass die Ausfallquote weiter ansteigt und den Sekundarschulen wegen der intensivierten Vorbereitungen ausserdem höhere Kosten beschert.
Gymnasien in die Pflicht nehmen
Verbesserungspotenzial sieht Zimmermann aber auch bei den Gymnasien selber. Man müsse sich noch deutlicher mit den Sekundarschulen absprechen, um den Anschluss sicherzustellen. So kam es beispielsweise in der Vergangenheit vor, dass ohne entsprechende Kommunikation neue Lehrmittel benutzt wurden.
Mit der Einsetzung der Arbeitsgruppe VSGYM Ende 2014 bestehend aus Repräsentanten der Volksschule und der Gymnasien, welcher auch Zimmermann angehört, wurde die Kommunikation intensiviert. Auch um die Zahl der Jugendlichen, welche die Probezeit nicht bestehen, zu reduzieren.
Zweiter Versuch möglich
Doch auch wenn es im Einzelfall als Scheitern wahrgenommen wird: nach dem Verlassen des Gymnasiums während oder nach der Probezeit bleiben immer noch zahlreiche Optionen. Einerseits berechtigt die bestandene Aufnahmeprüfung zu einem zweiten Eintritt ins Gymnasium (wiederum mit Probezeit) nach der dritten Sekundarschule. Andererseits haben diese Jugendlichen auch im Wettbewerb um Lehrstellen üblicherweise gute Chancen.
Einige fahren zweigleisig
Für Urban Regenscheit, welcher als Klassenlehrer eine SekA-Klasse am Ustermer Schulhaus Weidli unterrichtet, ist in jedem Fall die Motivation entscheidend. «Ist der Wille vorhanden, bleibt genug Zeit für eine seriöse Berufswahl.» Diese verlaufe gerade für starke Schülerinnen und Schüler in der Regel problemlos.
Dies bestätigt auch Kaspar Vogel, Präsident des Berufsverbands der Zürcher Sekundarlehrkärfte. Er weist zudem darauf hin, dass jedes Jahr kurzfristig bereits vergebene Lehrstellen wieder frei werden. «Es gibt einige Schülerinnen und Schüler, welche in der dritten Sekundarschule zweigleisig fahren.»
Diese würden einerseits eine Lehrstelle suchen und andererseits die Aufnahmeprüfung an einem Gymnasium absolvieren. Bestehen sie die Prüfung, verzichten sie auf die Stelle. Und schliesslich würden ohnehin viele Schülerinnen und Schüler, welche die Aufnahmeprüfung nach der zweiten Sekundarstufe bestanden hätten, nach der dritten Sek nochmals ans Gymi wechseln.
KZO-Rektor Zimmermann beziffert deren Anteil auf etwa 40 Prozent. «Diese Jugendlichen bleiben dann in der Regel auch.» Sie hatten ein weiteres Jahr Zeit, um sich vorzubereiten und sich voll und ganz fürs Gymi – nicht bloss die Aufnahmerprüfung – zu entscheiden.