«Der Name trägt zur eigenen Identität bei»
«Nomen est omen», pflegte ein etwas unsensibler Lateinlehrer zu sagen – immer dann, wenn der damalige Gymnasiast Olaf Irrgang einen Fehler gemacht hatte. Bemerkungen zu seinem Namen ist sich Irrgang mittlerweile gewohnt. Heute berät er Arbeitssuchende in Dübendorf.
Kuriose Namen haben für deren Träger Konsequenzen: In der Schule wird man belächelt, gehänselt, und auch später im Leben muss man sich mit dummen Sprüchen abmühen. Eine kleine Umfrage in der Region zeigt, dass die Betroffenen damit umgehen können – manche sind sogar stolz auf ihren speziellen Namen.
Spässe, die man halt macht
Wer beim Volketswiler Unternehmen Set Glass anruft, um ein neues Fenster eingebaut zu erhalten, muss womöglich Herrn Führer verlangen. «‹Heil, mein Führer›, sagt hin und wieder einer am Telefon», erzählt Betriebsleiter Peter Führer, «einer ist auch schon einmal vor mir strammgestanden.»
Der in Hinwil lebende Deutsche erkennt im Umgang mit seinem Namen einen deutlichen Unterschied zwischen seiner alten und seiner neuen Heimat: «Die Schweizer gehen offener mit den Nazibezügen um.» Für Führer sind das Spässe, die man halt so macht – stören tun sie ihn nicht.
Name betont Fehler
«Wenn ich einen Fehler mache, den die Leute mit meinem Namen verbinden können, wirkt der Fehler grösser, als er wirklich ist», sagt Olaf Irrgang.
Der Bayer weist einen abwechslungsreichen Lebenslauf vor: Jobcoach, Pressesprecher, Fussballtrainer und einen Master in Sportmanagement sind Etappen in seinem Leben. Sein Name wurde auch schon wegen dieser Wechsel ins Spiel gebracht, und er selber sagt: «Ich habe oft mehrere Wege gleichzeitig beschritten.»
Aus seiner Zeit als Pressesprecher stammt die Schlagzeile eines deutschen Eishockeymagazins, die auf seinen Namen Bezug nimmt: «Irrgang auf dem Holzweg». Irrgang nimmt es gelassen: «Ich hätte das als Journalist auch so gemacht.» Irrgang hatte zuvor an einer Pressekonferenz unwissentlich eine falsche Information über einen Nachwuchsspieler der Mannschaft verkündet, für die er Pressesprecher war. Ein anwesender Journalist bemerkte den Fehler und nutzte den auffälligen Namen für eine süffige Schlagzeile.
Anders reagieren seine heutigen Klienten, die den Namen eher mit positiven Emotionen in Verbindung bringen würden. «Da hat mich der Irrgang auf den richtigen Weg gebracht», nennt Irrgang als Beispiel.
Trinker trinkt nicht
Monika Trinkers Ehemann sei «eine umgekehrte Socke», was den Namen angeht. «Er trinkt keinen Alkohol», sagt die Bernerin, die seit rund 25 Jahren in Fällanden wohnt. Sie hat bei der Hochzeit den Namen ohne Bedenken angenommen, denn «früher machte man das so».
Ein Doppelname kam für sie auch nicht infrage, da ihr der Ledigname Schlapbach schon genügend dumme Sprüche eingebracht hätte. «Einen dieser Namen zu tragen, genügt», sagt sie und lacht.
Stolz auf den Namen
Auch Peter Führers Ehefrau habe den neuen Namen aus der Tradition heraus angenommen, wie er sagt. Seine Tochter habe sogar angekündigt, den Namen auch im Falle einer Hochzeit zu behalten, da sie «stolz auf den seltenen Namen» sei.
Jürg Geiler aus Dübendorf empfindet seinen Namen nicht als Bürde. Der Pensionär meint, dies habe aber auch mit seinem Alter zu tun. Denn das Wort geil war in seiner Jugend noch konfliktfrei.
Hin und wieder kämen heute aber schon faule Bemerkungen, diese würde er aber mit «einem trockenen Spruch» entschärfen. Seine Tochter «nutzte die Gelegenheit», wie ihr Vater betont, und nahm bei der Hochzeit den Namen des Ehemanns an.
Wiedererkennungswert
Ablegen will den Namen niemand der Angefragten, auch wenn nicht alle hundertprozentig glücklich damit sind. Dies wäre auch nicht so einfach: Artikel 30 des Zivilgesetzbuches verlangt das Vorlegen «achtenswerter Gründe», damit der Wohnsitzkanton eine Namensänderung bewilligt.
Eine Änderung wird bewilligt, wenn der Name «ernstliche Nachteile» bringt, wie die «NZZ» in einem Artikel von 2007 schrieb – etwa wenn der spezielle Name den Träger lächerlich macht oder im Leben behindert. Ansonsten gilt das Prinzip der «Unwandelbarkeit des Namens».
Die Führers, Geilers, Irrgangs oder Trinkers denken aber nicht an eine Änderung ihrer Namen. Schon nur, weil es sein Gutes hat, einen speziellen Namen zu tragen: «Man erinnert sich an einen», sagen fast alle – wenn sich auch niemand an einen konkreten Moment erinnern kann, wo dies handfeste Vorteile gebracht hätte.
Olaf Irrgang versucht eine Erklärung: «Der Name trägt ein Stück weit zur eigenen Identität bei.»