«Man hat mich für einen Spinner gehalten. Ein Himmelfahrtskommando sei das»
Aus den kleinen Samen ist etwas Grosses gewachsen. 127 Jahre ist es her, seit Ernst Meier senior in Tann seinen Betrieb als Samen-Versandhandel gegründet hat. Das Geschäft wuchs und gedieh, über 150 Mitarbeiter sind mittlerweile beim Gartencenter Meier im Dürntner Lättenmoos beschäftigt.
Nur wenige Jahre liegen zwischen der Gründung des Betriebs und der ersten Ausgabe der eigenen Gartenzeitschrift «Schweizerischer Pflanzenfreund». Seit 1900 berichten die Meiers darin über aktuelle Entwicklungen in der Welt der Gärten und Pflanzen.
Rolle oft gewechselt
«Die Grundidee des Pflanzenfreundes entspringt eigentlich dem Versandhandel. Da steckte bei meinem Urgrossvater Ernst Meier der Marketinggedanke dahinter», sagt Erwin Meier-Honegger, Co-Geschäftsleiter des Gartencenters. Er habe seine Kunden orientieren und informieren wollen, sodass sie nachher bei ihm bestellten.
«Lange Zeit war der Pflanzenfreund für viele gratis, die Zahl der bezahlenden Abonnenten sank rapide.»
Erwin Meier-Honegger, Verleger des «Pflanzenfreund»
Die Rolle der Zeitschrift habe einige Male gewechselt. In den 70ern und 80ern sei der stationäre Handel überall explodiert. «Bevor ich zu Beginn der 90er-Jahre in die Firma gekommen bin, hat mein Vater den Inhalt gemeinsam mit externen Journalistinnen gefüllt», sagt Meier-Honegger.
Für viele gratis
Danach habe sein Vater das fast im Alleingang gemacht. «Er hatte ein Gspüri, auch weil er an der Front im Gartencenter viel von den Kunden mitbekommen hat. Er hat stets gewusst, welche Probleme die Kunden und Leser in einem Monat mit ihrem Garten haben werden. Die Lösung präsentierte er dann jeweils im Pflanzenfreund.»
Nun soll die Rolle der Zeitschrift ein weiteres Mal wechseln. Aus dem Kundenmagazin soll eine unabhängige Gartenzeitschrift werden. «Lange Zeit war der Pflanzenfreund für viele gratis, die Zahl der bezahlenden Abonnenten sank rapide», sagt Meier-Honegger.
Himmelfahrtskommando
Man sei vor der Entscheidung gestanden, dass das Heft entweder zum Gratis-Prospekt wurde oder dass man für die Zeitschrift bezahlen muss. «Ich habe mich stark für die Bezahl-Variante eingesetzt. Der Grundgedanke meines Urgrossvaters wäre ansonsten gestorben.»
«Mit Jean-Pierre Ritler als Verlagsleiter haben wir einen Verrückten gefunden, der auch daran glaubt.»
Erwin Meier-Honegger
«Man hat mich schon für einen Spinner gehalten. Ein Himmelfahrtskommando sei das. Print sterbe. Das sagt man mir auch heute noch», sagt Meier-Honegger, der als Verleger des Magazins auftritt. Doch er sei davon überzeugt, dass Leute für gute Inhalte auch bezahlen.
Unabhängigkeit wird gross geschrieben
«Mit Jean-Pierre Ritler als Verlagsleiter haben wir einen Verrückten gefunden, der auch daran glaubt.» Drei Jahre hat Ritler nun Zeit, das Konzept umzusetzen. Kritischer müsse der «Pflanzenfreund» wieder werden. «Wir müssen auch Dinge thematisieren, die das Mutterhaus Meier noch nicht richtig macht. Wir müssen unabhängig sein.»
Meier-Honegger wünscht sich, dass das Magazin selbsttragend wird und auch Leser aus der ganzen Schweiz anzieht und nicht nur Kunden des Gartencenters. «Momentan finanziert das Mutterhaus das Magazin. Man fragt sich dort natürlich schon, was das für die Firma bringt, wenn auch Menschen aus Bern unser Magazin lesen. Die kommen ja dann nicht nach Dürnten einkaufen.»
Kritisch auch gegenüber Werbekunden
Wenn die Digitalisierung auch beim Gartencenter in der Zukunft weiter fortschreite, sei es nicht schlecht, wenn der Name durch das Magazin schon da draussen bekannt ist.
« Die Werbekunden seien doch nicht masochistisch.»
Erwin Meier-Honegger
Im «Pflanzenfreund» brauche man unbedingt vom Gartencenter Meier unabhängige Werbekunden. Auch über diese soll kritisch geschrieben werden. «Das ist nur fair, sonst geht es nicht. Auch hier bekomme ich oft gesagt, dass ich doch spinne. Ich könne doch nicht jetzt schon ankündigen, dass ich negativ schreiben werde. Die Werbekunden seien doch nicht masochistisch.»
Redaktion in Zürich
Der Pflanzenfreund solle nicht wie andere Gartenzeitschriften sein. «Es braucht mehr als nur die heile Welt», sagt Meier-Honegger. «Wir wollen Stellung beziehen und beispielsweise auch über Politisches wie die Pestizidinitiative schreiben. Dabei sollen beide Fronten einen Platz erhalten. Die Debatte muss zugelassen werden.»
Nebst der Chefredaktorin Tanja Keller, gebe es eine Grafikstelle, eine Bildredaktion und halbexterne Journalistinnen. Ungefähr 300 Stellenprozente würden für das Magazin aufgewendet. Die Redaktionsräume befinden sich nicht bei beim Gartencenter in Dürnten. «Mit dem Oberland konnten sich nicht alle Involvierten anfreunden. Deshalb sind wir in Zürich.»
Man wolle klar auch mit der Auflage wachsen. Allerdings sei das alles ja immer relativ, so Meier-Honegger. «Früher hatten wir auch eine grosse Auflage und weil es gratis war, landete das Magazin im Altpapier. Das soll anders werden.»