Abo

Politik

Springerli und Chräbeli

Beatrice Almeida macht seit 17 Jahren Anisguetzli. In ihrer Backstube in Turbenthal produziert sie auch für den Globus. Denn ihr Gebäck kommt bei Feinschmeckern gut an und ist auch ein Augenschmaus.

Auch Beatrics Almeidas Anis-Gebäck ist traditionell mit hübschen Motiven verziert., Die gibt es auch in verschiedenen Farben...

Fototräume

Springerli und Chräbeli

«Die meisten Leute kennen nur die steinharten Chräbelis», sagt Beatrice Almeida – 41 Jahre alt, gelernte Köchin und im Anisguetzli-Geschäft. «Wenn sie dann in meine knusprigen Guetzli beissen, sind sie erstaunt darüber, wie schön weich die im Innern sind.»

Vier- bis fünfhundert Kilogramm produziert die Zuckerbäckerin jeden Winter. In ihrem Zuhause in Turbenthal hat sie dafür eine Backstube eingerichtet. Verkaufen tut sie ihr Gebäck zur Weihnachtszeit auf den regionalen Märkten. Die Globus Delikatessenabteilung gehört ebenfalls zu ihren treuen Kunden. Denn Almeidas « Tösstaler Anisguetzli » sind nicht nur zart im Herzen. Auch ihr Äusseres ist lieblich anzuschauen.

Traditionelles Gebäck

Anisguetzli, auch Anisbrötli oder Springerli genannt, sind traditionelles Süssgebäck. Vor allem zu Ostern und Weihnachten füllen die hellen Plätzchen die Marktstände. Das Besondere an ihnen sind die detaillierten und filigranen Prägungen – ihre typische Verzierung. Die haben auch Beatrice Almeidas Anisguetzli. Besonders hübsche sogar.

«Die meisten Leute kennen nur die steinharten Chräbelis.»
Beatrice Almeida

Die Model, die Almeida für die Prägung verwendet, lässt sie teils extra für sich anfertigen. An den Wänden ihrer Backstube hängen etwa vierhundert mit verschiedenen Motiven. Die Model gehören zur Volkskunst und werden auch heute noch in Holz geschnitzt. Ein Holzmodel, jeweils eine Einzelanfertigung, kostet heute gut 800 Franken.  Das Modelstechen war lange Zeit Teil des Zuckerbäcker-Handwerks.

Heute gibt es die Model auch in erschwinglicher Kunststoffausführung. Ihre Motive sind grenzenlos. Bilder von Blumen und Tieren, Szenen mit Menschen – beim Arbeiten oder sich Liebkosen – bis zu ganzen Märchen und Geschichten.

Christliche Szenen und Schäferstündchen

Das älteste bekannte Schweizer Holzmodel ist aus dem 14. Jahrhundert. Es stammt aus dem Kloster St. Katharina in Will SG und zeigt das Osterlamm. Im Mittelalter zierten hauptsächlich christliche Szenen die Anisbrötli, im Barock eher Geschichten aus dem weltlichen Alltag, Frauen am Spinnrad oder Jäger mit Beute. Im Rokoko erfreuten sich die Menschen an verspielten Motiven auf ihren Backwaren –zum Beispiel der Abbildung eines Schäferstündchens.

Das traditionelle Anisgebäck kommt ursprünglich aus der Nordschweiz und Süddeutschland. Die Model unterscheiden sich regional. Während in der Schweiz einzelne Motive und kleinere Szenen die Anisbrötli zieren, sind es in Deutschland oft mehrere Szenen. Ganze Erzählungen finden Platz auf den auch etwas grösseren Gebäcken aus dem Schwarzwald.

Die Handarbeit von der Mutter gelernt

Ihre Anisguetzli macht Almeida in schöner, altmodischer Handarbeit. Ausser das Teigkneten, das erledigt für sie eine Maschine. Gelernt hat Almeida die Arbeit von ihrer Mutter. Die 74-Jährige bäckt seit 30 Jahren Anisguetzli. «Als gelernte Köchin lag mir das Guetzlibacken sowieso nah», sagt Beatrice Almeida. So nah, dass sie nun selber seit 17 Jahren im Geschäft ist.

«Als gelernte Köchin lag mir das Guetzlibacken sowieso nah.»
Beatrice Almeida

Damals, auf der Suche nach einem Haus im Grünen, um ihren künftigen Nachwuchs aufzuziehen, stiessen Beatrice Almeida und ihr Mann auf ein Haus am Rand von Turbenthal. 2004 zog das Paar ein. Sie eröffneten ein Bed and Breakfast und richteten sich ihre Backstube ein. Vor einem Monat ist die Familie mit ihren drei Kindern nach Kanada ausgewandert. Dort haben sie ein Motel übernommen.

«Unser Haus in Turbenthal haben die Schwiegereltern übernommen, sie führen jetzt das B&B », sagt Almeida. Mit dieser Lösung kann sie im Winter wieder für ein paar Monate nach Turbenthal kommen, um ihre Anisguetzli für Globus und die Weihnachtsmärkte zu backen. «Sollten in der Zwischenzeit Guetzli-Bestellungen reinkommen, kann ich sie getrost an meine Mutter weiterleiten», sagt die Bäckerin. In der Zwischenzeit serviert sie die Guetzli zum Frühstück ihren kanadischen Motel-Gästen.

Abo

Möchten Sie weiterlesen?

Liebe Leserin, lieber Leser

Nichts ist gratis im Leben, auch nicht Qualitätsjournalismus aus der Region. Wir liefern Ihnen Tag für Tag relevante Informationen aus Ihrer Region, wir wollen Ihnen die vielen Facetten des Alltagslebens zeigen und wir versuchen, Zusammenhänge und gesellschaftliche Probleme zu beleuchten. Sie können unsere Arbeit unterstützen mit einem Kauf unserer Abos. Vielen Dank!

Ihr Michael Kaspar, Chefredaktor

Sie sind bereits Abonnent? Dann melden Sie sich hier an

Digital-Abo

Mit dem Digital-Abo profitieren Sie von vielen Vorteilen und können die Inhalte auf zueriost.ch uneingeschränkt nutzen.

Sind Sie bereits angemeldet und sehen trotzdem nicht den gesamten Artikel?

Dann lösen Sie hier ein aktuelles Abo.

Fehler gefunden?

Jetzt melden.