Oberländer Musikschule schneidet besser ab als die Restschweiz
Trotz ernüchternden Studienergebnissen
Gemäss einer neuen Studie kämpfen Schweizer Musikschulen mit einer sinkenden Nachfrage. Im Oberland sieht die Situation zwar besser aus, doch es fehlt an Lehrpersonen.
Die Musik und vor allem seine Geige sind die Leidenschaft von Thomas Ineichen. Bereits seit 37 Jahren arbeitet er für die Musikschule Zürcher Oberland (MZO), bis vor zehn Jahren hat er selbst noch regelmässig unterrichtet. Inzwischen ist er Direktor der MZO.
Er kennt die Entwicklungen in der Musiklandschaft in der Region genau. Ineichen reagiert darum einigermassen entspannt auf eine neue Umfrage unter Schweizer Musiklehrpersonen.
Im Frühjahr 2025 führte die Vermittlungsplattform für privaten Musikunterricht «Matchspace Music» erstmals eine schweizweite Umfrage unter Musiklehrpersonen durch. Rund 400 Lehrerinnen und Lehrer nahmen teil und gaben Einblick in ihre Arbeitsrealität: etwa zu Anstellungsverhältnissen, Schülerzahlen und ihrer beruflichen Zufriedenheit.
Ein Leben im Takt der Teilzeit?
Die Resultate zeigen: Viele Musiklehrpersonen in der Schweiz arbeiten nicht in einer festen Vollzeitstelle. Stattdessen sind sie häufig auf mehrere kleinere Anstellungen angewiesen, teils ausserhalb der Musikbranche. Über ein Drittel der Lehrpersonen verbringt weniger als ein Viertel ihrer Arbeitszeit mit Unterrichten – im Durchschnitt entspricht das einem Pensum von rund 25 Prozent.
Ein etwas anderes Bild ergibt sich jedoch am Beispiel der MZO. Das durchschnittliche Pensum der Lehrpersonen liegt dort laut Schuldirektor Ineichen bei etwa 30 bis 35 Prozent, ein Wert, der sich seit Jahren kaum verändert habe. «Bei populären Instrumenten wie Klavier, Geige oder Gitarre gibt es durchaus auch Vollzeitstellen oder hohe Teilpensen von 70 bis 100 Prozent», sagt Ineichen.
Anders sehe es bei weniger gefragten Instrumenten wie Oboe oder Fagott aus: Hier seien die Unterrichtsstunden begrenzt, da sich das Angebot nach der Nachfrage richte. «Die Aussagen der Studie bezüglich der Pensen treffen zwar teilweise zu, aber eben nicht auf jedes Instrument», betont er.
Musik für alle, aber nicht für jeden
Ein weiteres Thema der Studie ist der Rückgang an Schülerinnen und Schülern im Musikunterricht. Ein Trend, der auch in Wetzikon zu beobachten ist. Zwar bleiben die Schülerzahlen auf den ersten Blick stabil, doch: «Wenn die Gesamtzahl der Kinder in der Region zunimmt, aber nicht mehr Kinder in die Musikschule kommen, dann bedeutet das einen Rückgang», erklärt Ineichen.
Die Ursachen dafür sind laut Studie Zeitmangel und finanzielle Gründe. Das kann Ineichen bestätigen: Besonders in der Oberstufe wachse der schulische Druck, und viele Jugendliche – oder ihre Eltern – seien der Meinung, dass neben Schule, Hausaufgaben und Freizeitaktivitäten kein Platz mehr für Musikunterricht bleibe. «Diesen Rückgang spüren wir deutlich», sagt Ineichen. «In der Primarschule hingegen haben wir viele Kinder, auch bei den Erwachsenen bleibt die Nachfrage stabil. Das Interesse bei Menschen über 50 Jahren nimmt sogar zu.»
Er sieht aber noch weitere Gründe für die sinkenden Schülerzahlen, unter anderem, dass Musikunterricht Ausdauer und regelmässiges Üben verlangt. «Das ist heute nicht mehr für alle Kinder selbstverständlich», sagt Ineichen. Auch Veränderungen in der Gesellschaft spielen eine Rolle: «Viele Kinder sind lieber in Gruppen unterwegs. Einzelunterricht ist da weniger attraktiv.»
Neben gesellschaftlichen Veränderungen spielen auch kulturelle Faktoren eine Rolle. Mit der zunehmenden Migration kommen auch mehr Kinder aus Kulturkreisen, in denen Musikunterricht nicht selbstverständlich ist. «Für viele Eltern ist es nicht klar, was Musikbildung überhaupt bringt, oder sie halten es für etwas Elitäres», sagt Ineichen. «Da müssen wir als Musikschule verstärkt aufklären und aktiv auf Familien zugehen.»
Hier verweist der Schuldirektor auch auf das Musikschulgesetz: Im Kanton Zürich wird der Musikunterricht bis zum Alter von 25 Jahren finanziell mitgetragen – solange sich die Lernenden in der Erstausbildung befinden. Diese Subvention sorgt dafür, dass musikalische Bildung nicht nur einem privilegierten Teil der Bevölkerung vorbehalten bleibt.
Trotz den schwierigen Umständen fühlen sich laut Studie drei Viertel der Musiklehrpersonen in der Schweiz wertgeschätzt. Auch an der MZO ist das so: «Die Stimmung ist sehr gut, wir sind trotz Grösse eine Schule mit familiärem Charakter», sagt Ineichen. Kritik gebe es höchstens in Bezug auf Raumkapazitäten oder die zeitliche Planung der Stunden, da die meisten Kinder nach dem regulären Schulunterricht kommen möchten.
Dieser Aspekt gibt Ineichen zu denken
Obwohl es im Team gut läuft, bereitet dem Direktor dennoch etwas Kopfzerbrechen, und zwar die Altersstruktur des Kollegiums: «Ein Drittel unserer Lehrpersonen geht bald in Pension. Nachfolger und Nachfolgerinnen zu finden, wird schwierig – gerade bei Klavier und Gitarre.» Hinzu komme ein Widerspruch in der Politik: Viele ausländische Studierende dürfen nach dem Studium in der Schweiz nicht hier unterrichten aufgrund einer fehlenden Aufenthaltsbewilligung. «Doch wir bräuchten sie dringend.»
Laut Ineichen ist das Musikstudium grundsätzlich auch für Schweizer und Schweizerinnen attraktiv. Doch die Zahl der Studienplätze ist begrenzt, der Zugang stark selektiv. «Nur die Besten – unabhängig von der Herkunft – schaffen es durch das anspruchsvolle Vorspiel der Aufnahmeprüfung für die Musikhochschule», erklärt Ineichen. Besonders im Fach Klavier sei der Wettbewerb enorm.
Zudem orientiere sich die Studienplatzvergabe «leider nicht am Bedarf des Arbeitsmarkts, sondern an den Interessen der Professoren und Professorinnen der Musikhochschulen», so Ineichen weiter. So gebe es Fächer mit einem Überangebot an Absolventen und Absolventinnen und andere, in denen qualifizierter Nachwuchs fehle.
Um diesem Ungleichgewicht zu begegnen, setzt die MZO auf gezielte Förderung: Besonders talentierte Schülerinnen und Schüler werden früh beraten, begleitet und aufs Vorspiel vorbereitet. «Die MZO hat eine hohe Erfolgsquote bei den Aufnahmeprüfungen», betont Ineichen, aber das allein reiche nicht.
Ein weiterer Lösungsansatz liegt in flexibleren Berufsbildern. Junge angehende Musiklehrpersonen in der Grundausbildung sollten dazu ermutigt werden, neben ihrem Hauptinstrument auch eine allgemeine musikalische Ausbildung zu absolvieren. «Dadurch erhöhen sie ihre Chancen, künftig ein volles Arbeitspensum zu erreichen», erklärt Ineichen.
Trotz vereinzelten Bedenken bleibt Ineichen optimistisch: «Musik ist ein verbindendes Element. Das ist wertvoll, gerade in einer polarisierten Gesellschaft.»