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Kultur

80 Jahre WAM

«Trump würde ich jetzt nicht unbedingt parodieren wollen»

Der Satire-Profi Walter Andreas Müller feiert dieses Jahr seinen achtzigsten Geburtstag. Er erzählt, warum ihn die Rolle eines Ganoven doch noch gluschten würde.

Walter Andreas Müller wurde vor allem durch die SRF-Satiresendung «Classe Politique» bekannt.

Foto: Simon Grässle

«Trump würde ich jetzt nicht unbedingt parodieren wollen»

80 Jahre WAM

Der Satireprofi Walter Andreas Müller feiert dieses Jahr seinen 80. Geburtstag. Er erzählt, warum ihn die Rolle eines Ganoven noch «gluschten» würde.

Wir treffen uns im Café Steiner in Fehraltorf. Walter Andreas Müller, den alle einfach WAM nennen, wird als prominente Person vor Ort allerdings nicht belagert von Autogrammjägern. Die Leute linsen zwar zum Tisch herüber, aber niemand kommt auf den Schauspieler zu.

«Ich bin ja auch nicht wirklich ein Star», wiegelt der Madetswiler bescheiden ab. «Das kleine Schweizer Gärtchen, das ich hier beackere, reicht natürlich nicht an einen Tom Hanks oder einen Anthony Hopkins heran», sagt er mit einem Lächeln. Dabei liegt genau in dieser Mischung aus Charme und Tiefgang etwas, das ihn fast wie eine alpine Version der beiden Hollywood-Grössen wirken lässt.

Dennoch tauschen die Gäste im Café untereinander Blicke aus und tuscheln. «Ja, die Leute schauen schon, das merke ich», sagt WAM. Er sei einfach froh, dass er als positiver Mensch wahrgenommen werde, der die Leute zum Lachen bringe. «Niemand kommt zum Glück auf der Strasse auf mich zu, zeigt mit dem Finger auf mich und erzählt mir, was ich alles falsch gemacht habe.»

Der Schauspieler fällt kurz in die Rolle eines anklagenden Menschen. Mit dem Finger zeigt er auf die Journalistin und redet mit kühler Stimme auf sie ein: «Sie, also Ihre letzte Satiresendung war absoluter Schrott, den Sie da abgeliefert haben.» Diese schauspielerische Einlage wirkt absolut glaubwürdig – und einschüchternd.

Imitation als Markenzeichen

Ein Highlight seiner Karriere war die Satiresendung «Classe Politique», in der er bis 2008 gemeinsam mit Birgit Steinegger alle aktuellen Bundesräte parodierte. Wenn er jemanden imitiert, dann vor allem über Stimme, Dialekt – und die berühmte verkniffene Oberlippe.

«Den Trump würde ich jetzt nicht unbedingt parodieren wollen», sagt er und zieht eine Schnute, die so perfekt passt, dass man meint, den US-Präsidenten persönlich vor sich zu haben.

WAM blieb stets den Schweizer Politikern und Politikerinnen treu. «Mittlerweile sind aber alle Bundesräte jünger als ich.» Damals, zu Zeiten der Bundesräte Christoph Blocher (SVP) und Moritz Leuenberger (SP), hätten die Politiker alterstechnisch noch besser gepasst.

WAM als Moritz Leuenberger mit verzerrtem Gesicht und verschränkten Händen.
WAM überzeugte vor knapp 20 Jahren als Bundesrat Moritz Leuenberger in der Komödie «Alles in Butter». (Archivfoto)

«Ich werde auch heute noch angefragt, ob ich an einer Veranstaltung den alt Bundesrat Blocher spielen könne, aber das ist Schnee von gestern.» Das macht er nicht mehr.

Anecken bei der Kirche

Dass seinen Parodien auch Kontroversen auslösen können, hat WAM mehrfach erlebt. Als er einmal Papst Johannes Paul II. persiflierte, gab es einen kleinen Shitstorm aus katholischen Kreisen.

Auch seine jüngste Papstrolle brachte ihm nicht nur Glück: Letzten Sommer musste er während der Schlossfestspiele Hagenwil krankheitsbedingt einige Vorstellungen ausfallen lassen – das erste Mal in seiner Karriere. «Ich wurde direkt nach der Vorstellung ins Spital gefahren.»

Es sei ihm peinlich gewesen, besonders weil die Aufführung ausverkauft gewesen sei. «Zum Glück konnte ein Ersatz gefunden werden – aber lustig war das nicht.» Ärgerlich sei vor allem gewesen, dass Angehörige sich Sorgen gemacht hätten. «Ich musste etliche SMS beantworten und alle beruhigen.»

Das Ende der Homestorys

Früher hat WAM Journalisten oft zu sich nach Hause eingeladen – in sein berühmtes Erdhaus in Madetswil. Das ungewöhnliche Architektenhaus war schon Thema im «Blick», in der «Schweizer Illustrierten» – und bei der Sendung «Lifestyle», wo Patty Boser sogar in seinen Kühlschrank gucken wollte.

Das Erdhaus von Walter Andreas Müller ist rund und weiss und sieht doch aus wie ein kleiner Palast.
Walter Andreas Müllers Erdhaus hat der Architekt Peter Vetsch konzipiert.

Doch irgendwann reichte es ihm. «Dann stiehlt mir das Haus jeweils die ganze Aufmerksamkeit», sagt er schmunzelnd. Heute ist er selektiver. Der Treffpunkt bleibt das Café.

Endlich einen Bösewicht spielen

Auch bei der Auswahl von neuen Projekten ist er wählerischer geworden. «Das ist das Privileg des Älterwerdens, man kann es sich eher aussuchen. Man darf – und man muss nicht mehr.» So habe er auch schon Filmrollen abgelehnt, weil ihn das Drehbuch nicht überzeugt habe. Tatsächlich steht aber eine Filmrolle noch aus.

Gibt es da eine spezielle Traumrolle? «Immer die, die ich gerade spiele», sagt er erst diplomatisch. Doch dann ändert sich etwas in seinem Gesicht.

Ein Blick, ein kurzes Zucken in den Mundwinkeln – und plötzlich erkennt man einen mörderischen Hauch von Hannibal Lecter. Etwas Kühles, Bösartiges, das an den Serienkiller im Film «Das Schweigen der Lämmer» erinnert. «Da gäbe es schon ein, zwei Filmrollen», sagt er mysteriös.

Da ist etwas in der Pipeline, über das er aber noch nicht konkret sprechen darf. «Ich möchte hier nicht über ungelegte Eier plappern», sagt er – und tut es dann doch. Er verrät zumindest so viel: Der Filmemacher Marc Schippert habe einmal zu ihm gesagt: «Du bist immer so lieb und herzig – jetzt will ich dich einmal böse sehen.» Der Regisseur habe somit vielleicht eine Rolle für ihn in einer Ganovenkomödie.

Da würde WAM einen Mafioso im Morgenmantel spielen. «Ein brutaler Bluffer», sagt er – und Schalk blitzt in seinen Augen auf. Doch noch ist nichts unterschrieben. Der Film müsse erst finanziert werden.

Nicht noch einmal als Schauspieler anfangen

Ob er noch einmal 20 sein möchte? «Nein, danke.» In seiner Zeit war es schon schwierig, Fuss zu fassen. «Wenn ich heute sehe, was junge Schauspieler alles leisten müssen, um nur drei Sätze in einer Werbung sagen zu dürfen, dann löscht mir das ab.» Das tue ihm leid für die jungen Menschen, die frisch in die Welt der Bühne eintauchten.

WAM ist froh, dass er sich jetzt auch mal auf seiner Terrasse ausruhen kann – oder in seinem Erdhaus, das längst nicht mehr im Rampenlicht stehen muss.

Am 3. September wird WAM 80. Und er selber wird – wie fast immer – auf der Bühne feiern: im Casinotheater Winterthur. Er zelebriert sein Jubiläum mit einer eigenen Geburtstagsproduktion: «Dinner for WAM». «Zu meinem 50. gibts was Besonderes», lacht er – und man merkt: Das Spiel mit dem Alter ist Teil des Programms.

«Kürzlich habe ich zwei Teenagern gesagt, ich werde 60. Die eine meinte dann sogar: ‹Sie haben sich aber gut gehalten.›» Er erzählt es spitzbübisch, betont jedoch auch, dass ihn das Älterwerden nicht störe. Bis auf eine Bedingung: «Ich hoffe einfach, dass ich noch lange munter und gesund bleibe.» Ein gutes Motto – dafür klopft er auf Holz.

«Dinner for WAM» – ein Geburtstagsstück

Vom 3. bis 28. September steht Walter Andreas Müller im Casinotheater Winterthur auf der Bühne – anlässlich seines 80. Geburtstags.

In «Dinner for WAM» wollen alle seinen 80. Geburtstag feiern. Bloss er selbst sträubt sich dagegen – und stellt deshalb Bedingungen: Er spiele nur mit, wenn er endlich die Rolle bekomme, die ihm zeitlebens verwehrt geblieben sei – den Romeo. Ausgerechnet den jugendlichen Liebhaber aus Shakespeares Klassiker «Romeo und Julia». Eine Rolle, die er wegen seiner Körpergrösse nie spielen durfte.

Eine Geburtstagstorte, dahinter sind WAM und seine Bühnenkollegen.
Anstossen auf WAM und seine Rolle als Romeo. Ob das gut kommt?

Dass «Romeo und Julia» nicht ganz oben auf der Wunschliste der Casinotheater-Verwaltungsräte Viktor Giacobbo und Christian Jott Jenny steht, liegt auf der Hand. Doch WAM lässt ihnen keine Wahl. Also fügen sie sich – zumindest vordergründig: Sie verpflichten Maja Brunner als Julia und Peter Niklaus Steiner als leidenschaftlichen Regisseur.

Hinter den Kulissen arbeiten Giacobbo und Jenny allerdings mit Hochdruck daran, dass WAM selbst erkennt, was für eine absurde Idee das Ganze ist. Ihr Ziel: ihn doch noch für ihre eigenen Pläne zu gewinnen. (eru)

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