Vater missbrauchte und quälte Tochter immer wieder
Bezirksgericht Hinwil
Unzählige Male soll sich ein Mann an seiner Tochter im Teenageralter vergangen haben. Während er die Vorwürfe vehement bestreitet, sah sie das Bezirksgericht Hinwil als zutreffend an und schickt den Vater nun ins Gefängnis.
So, wie der kürzlich vom Bezirksgericht Hinwil behandelte Fall in der Anklageschrift nacherzählt wird, handelt es sich um eines der schwersten Sexualdelikte, das sich je im Zürcher Oberland ereignete. Sehr stark zusammengefasst – auch weil Details perverser Ausprägung hier nicht ausgerollt werden –, soll ein Vater seine damals 12- bis 16-jährige Tochter unzählige Male auf diverse Arten sexuell missbraucht haben, unter anderem durch erzwungenen Oralverkehr.
Zudem soll er sie geschlagen haben, etwa mit einem Gürtel ins Gesicht, bis sie blutete. Wenn sie jemandem etwas von den Übergriffen erzähle, dann werde er sie töten, sagte er ihr gemäss Anklage.
Zu den Taten kam es laut den Schilderungen in der Familienwohnung des Syrers, der in der Region lebte. Die Übergriffe sollen sich über vier Jahre hinweggezogen haben.
Sie ist das schlechte Kind, das es in jeder Familie gibt.
Der angeklagte Vater über seine Tochter
Der Angeklagte machte es an der Verhandlung kurz: Die Vorwürfe seien alle falsch, «eine Verleumdung». Es handle sich um Phantasiegeschichten, erfunden von der Tochter aufgrund «schmutziger Geschichten», die sie von seinem Schwager gehört habe.
Der heute 47-Jährige bezeichnete sich als «guten Vater». Auf die im Prozess gestellte Frage, wie er sich denn die Vorwürfe erkläre, antwortete er: «Ich weiss es nicht.» Seine Tochter sei halt «das schlechte Kind, das es in jeder Familie gibt.»
Der Staatsanwalt beantragt einen Freispruch
In der Anklage wurde eine Verurteilung wegen neun Tatbeständen gefordert, unter anderem Vergewaltigung. Der erst an der Verhandlung gestellte Strafantrag des Staatsanwalts ging dann aber in eine um 180 Grad andere Richtung: Freispruch.
Das sei auch in seiner Karriere eine Premiere, dass er statt einer Verurteilung – im vorliegenden Fall würde eine Gefängnisstrafe von mehreren Jahren im Raum stehen – einen Freispruch beantrage. Er, erzählte der Staatsanwalt, habe das Verfahren einstellen wollen, doch das Obergericht als Beschwerdeinstanz gegen einen Einstellungsbeschluss hatte diesen Schritt nicht genehmigt. Also musste er halt Anklage erheben.
Doch er habe bis heute «keine Bestätigung» für die Vorwürfe des Mädchens, aber sehr wohl «unüberwindbare Zweifel» daran. Deshalb könne es hier nur einen Freispruch nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» geben.
Chats mit Intimfotos
Die Anwältin des Mädchens hingegen machte «eine eindeutig belastende Beweislage» aus. Sie forderte eine Verurteilung und eine Genugtuung von 65’000 Franken.
Es gäbe zum Beispiel Chats, in denen der Vater der Tochter geschrieben habe, sie sei seine Geliebte. Ergänzt gewesen seien die Nachrichten durch Intimfotos von ihr.
Erst nach langer Leidenszeit habe sich die Tochter durchringen können, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Nämlich kurz bevor es zum vom Vater angekündigten ersten ungeschützten Geschlechtsverkehr hätte kommen sollen.
In der Schule sei das Mädchen von Fachpersonen als eingeschüchtert wahrgenommen worden. Und als das Kind einmal bei einer Physiotherapeutin war, stellte diese unerklärliche Verletzungen fest, die, so die Anwältin, zu gewalttätigen Übergriffen passen würden. Heute leide die 22-Jährige aufgrund der Taten unter einer schweren Belastungsstörung.
Nur «wirre Erzählungen»?
Der Verteidiger konnte sich für einmal dem Staatsanwalt anschliessen. Nebst einem Freispruch verlangte er eine Genugtuung von 19’500 Franken.
Es gäbe keine Beweise für die Vorwürfe. Und die Beschuldigungen des Mädchens würden sich widersprechen. Ja, die Beschuldigungen der Tochter gegenüber ihrem Vater seien «streckenweise geradezu wirre Erzählungen». Weshalb das Kind so handelte, das konnte sich der Verteidiger auch nicht erklären.
Die Aussagen des Opfers kann man nicht erfinden.
Die vorsitzende Richterin
Das Gericht hatte in diesem Fall primär die Aussagen des Vaters und diejenigen der Tochter zu bewerten – und kam zum Schluss, dass die Vorwürfe des damaligen Kindes glaubwürdig sind. «Die Aussagen des Opfers kann man nicht erfinden», erklärte die vorsitzende Richterin zum Urteil, das erst in einer unbegründeten Fassung vorliegt.
Der Mann wurde schuldig gesprochen, unter anderem wegen versuchter Vergewaltigung, mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern, mehrfacher sexueller Nötigung und einfacher Körperverletzung. Es wurden eine Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren ausgefällt und ein Landesverweis von zehn Jahren.
50’000 Franken für die Tochter
Und die Verurteilung hat massive Kostenfolgen. So muss der Mann, der laut seinen Angaben rund 4000 Franken pro Monat verdient, der Tochter über 50’000 Franken Genugtuung zahlen und Verfahrensgebühren von mehr als 35’000 Franken übernehmen.
Der 47-Jährige ist mit dem Urteil nicht einverstanden. Er hat Berufung dagegen angemeldet.
Gewalt melden
Opfer, aber auch Zeugen, einer Gewalttat und Menschen, die eine solche Tat befürchten, sollen sich sofort und rund um die Uhr über den Polizeinotruf 117 melden. Umfassende Informationen zum Thema gibt es unter anderem auf der Internetseite des Kantonalen Bedrohungsmanagements Zürich, https://www.kbm.zh.ch. (ehi)