Abo

Justiz

Neffe erschlug Onkel

«Mich hat Panik ergriffen»: Tödliches Ende einer Familienfehde in Maur

Mit einem Ahorn-Ast erschlug ein 38-Jähriger seinen Onkel – nach Jahren gegenseitiger Schikanen und einem eben erst beigelegten Erbstreit. Nun wurde der Neffe zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt.

Der 40-Jährige muss wegen vorsätzlicher Tötung für 13 Jahre ins Gefängnis.

Gerichtszeichnung: Robert Honegger

«Mich hat Panik ergriffen»: Tödliches Ende einer Familienfehde in Maur

Neffe erschlug Onkel

Mit einem Ahorn-Ast erschlug ein 38-Jähriger seinen Onkel – nach Jahren gegenseitiger Schikanen und einem eben erst beigelegten Erbstreit. Nun wurde der Neffe zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt.

«Den Hag könnt ihr langsam abräumen», sagte der 71-jährige Onkel im Vorbeigehen zu seinem Neffen. Diese scheinbar harmlose Bemerkung über einen möglicherweise illegal aufgestellten Zaun brachte im Februar 2024 eine seit Jahren schwelende Familienfehde zur völligen Eskalation. Der Schauplatz war ein idyllisch gelegener Bauernhof oberhalb des Greifensees in Maur.

Der damals 38-jährige Neffe griff, ohne zu antworten, zu einem herumliegenden Ahornast. Er rannte über die Aussentreppe zum Onkel hoch und holte ihn vor der Tür zu dessen Einliegerwohnung ein. «Mich hat Panik, Existenzangst ergriffen», sagte der Beschuldigte am Donnerstag im Bezirksgericht Uster vor rund 70 Anwesenden.

Der Onkel habe laut Staatsanwalt den bevorstehenden Angriff kommen sehen und versucht, ihn mit einem «Schwinger» abzuwehren. Der Neffe sei dem Faustschlag ausgewichen. «Dann habe ich auf ihn eingeschlagen und wir sind kämpfend die Treppe hinunter», sagte der Beschuldigte.

Vertuschung der Tötung als «Unfall»

Gemäss Anklage schlug der gelernte Zimmermann mit dem Ahornast «zirka 25 Mal von oben sehr heftig auf den Kopf» seines Onkels, während dieser stand, sass, kniete oder bereits am Boden lag. Der 71-Jährige starb noch am Tatort an den schweren Schädel- und Hirnverletzungen.

Der 38-Jährige versuchte daraufhin, einen Treppensturz vorzutäuschen, wie er einräumte. Er zog den Leichnam seines Onkels auf die Aussentreppe, verbrannte die Tatwaffe im Ofen und spritzte den Vorplatz voller Blutspuren mit Wasser ab. Dann rief er seine Frau und die Ambulanz an und versuchte, seinen toten Onkel wiederzubeleben.

Gegenüber den herbeieilenden Polizisten sprach der Neffe zuerst von einem «Unfall». Kurz darauf räumte er jedoch ein, seinen Onkel getötet zu haben.

Der Vater dreier minderjähriger Kinder kam rund ein Jahr in Untersuchungshaft. Im vergangenen Februar konnte er das Gefängnis verlassen und zu seiner Familie zurückkehren, musste sich jedoch fortan regelmässig bei der Polizei melden.

Zum Beginn des Tötungsprozesses kam der Beschuldigte auf freiem Fuss und in Begleitung seiner Frau. «Sie findet es auch schrecklich, was passiert ist, aber sie hält zu mir», sagte er den Richtern.

Auch seine drei Kinder wüssten Bescheid, wollen aber nicht über das Geschehene sprechen. «Vielleicht werden sie einmal Fragen stellen, wenn sie älter sind», sagt der inzwischen 40-Jährige.

Der Streit in Maur begann 2015

«Der tragische Fall hat die Ruhe zwischen Pfannenstiel und Greifensee erheblich gestört», sagt der Staatsanwalt zu Beginn seines Plädoyers. Dabei sei der Beschuldigte ein sympathischer Mann, dem man eine solche Tat nicht zutrauen würde. «Dennoch muss er eine gerechte Strafe erhalten.» Für den Staatsanwalt sind das 16 Jahre Gefängnis wegen vorsätzlicher Tötung.

Der Verteidiger wiederum beantragte 4 Jahre Gefängnis wegen Totschlags im Affekt und stellte eine Frage: «Was ist passiert, dass ein so ruhiger und friedfertiger Mensch so ausgerastet ist?»

Die Antwort liege in einem langwierigen Erb- und Familienzwist, der 2015 begann. In diesem Jahr zogen der Beschuldigte und seine Frau zur Miete auf den Hof, auf dem er aufgewachsen war. Dies geschah in Absprache mit den Eigentümern, seinen damals noch lebenden Grosseltern.

Der in einer Einliegerwohnung lebende Onkel und die nebenan wohnende Tante sollen vom Einzug nichts gewusst haben. Das neu eingezogene Paar hätte gerne Pferde gehalten, wie es lange am Hof der Fall war. Doch von Anfang an habe der Onkel, ein Jäger, damit gedroht, dass er in den Stall schiessen würde, bis sich kein Pferd mehr bewege.

Wie alle Parteien bestätigen, kam es fortan immer wieder zu wechselseitigen Schikanen und Mieterhöhungen durch die Tante, die nach dem Tod der Grosseltern zur Chefin der Erbengemeinschaft avancierte.

Der Neffe habe zunächst kaum versucht, sich zu wehren. 2019 wollte er dann aber vorschreiben, dass nur noch der Onkel die Traktoren auf dem Hof benutzen dürfe – die Tante aber nicht mehr.

Diese habe deshalb dem Beschuldigten kurz darauf den Mietvertrag für die Scheune, in der die Traktoren untergestellt waren, gekündigt. Zudem wollte sie ihm die Miete für den Hof erhöhen. «4000 Franken, das ist unmöglich für einen Zimmermann zu leisten», sagte der Beschuldigte vor Gericht.

Die Tante, eine Anwältin, habe vom Beschuldigten verlangt, eine Empfangsbestätigung für die Mieterhöhung zu unterschreiben. Er weigerte sich, worauf sie ihn schlug. Als der Beschuldigte eine Abwehrbewegung machte, zeigte die Tante ihn wegen Körperverletzung an. «Nur aufgrund eines zufällig anwesenden Zeugens konnte bewiesen werden, dass nicht er, sondern die Tante ihn angriff», sagte der Verteidiger.

Erbstreit beigelegt, aber Familienzwist eskaliert

Zwei Tage vor der Tat hatte sich die Erbengemeinschaft schliesslich nach zähem Ringen geeinigt: Onkel und Tante erhielten zwei Scheunen am Hof und das Land unterhalb der Strasse. Der nach Kanada ausgewanderte Vater des Beschuldigten bekam den Hof und das Land oberhalb der Strasse. Am selben Tag übertrug der Vater aber den Erbteil sogleich seinem Sohn.

Dieser schrieb daraufhin seinem Onkel eine E-Mail, wonach die Grabungsarbeiten für dessen Scheunen eine Baubewilligung benötigen würden und veranlasste bei der Gemeinde einen Baustopp. Die Tante antwortete, eine Bewilligung für die Arbeiten sei nicht nötig. Eine solche brauche es viel mehr für den vor Jahren aufgestellten Zaun, der dem Beschuldigten gehörte.

Am Tattag habe schliesslich die Bemerkung des vorbeigehenden Onkels über besagten Zaun einen völligen Kurzschluss beim Beschuldigten ausgelöst, sagte der Verteidiger. Zudem habe ein neues Medikament gegen die Aufmerksamkeitsstörung des Beschuldigten noch dessen jahrelange Anspannung verstärkt. Ein rechtsmedizinisches Gutachten konnte allerdings keine Überdosis feststellen, betonte der Staatsanwalt. Ebenso wenig ergab ein psychiatrisches Gutachten eine Tat im Affekt.

Am Ende verurteilte das Gericht den Beschuldigten wegen vorsätzlicher Tötung zu 13 Jahren Gefängnis. Zudem muss er der Lebensgefährtin seines Onkels rund 50’000 Franken Schadenersatz und Genugtuung bezahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Abo

Möchten Sie weiterlesen?

Liebe Leserin, lieber Leser

Nichts ist gratis im Leben, auch nicht Qualitätsjournalismus aus der Region. Wir liefern Ihnen Tag für Tag relevante Informationen aus Ihrer Region, wir wollen Ihnen die vielen Facetten des Alltagslebens zeigen und wir versuchen, Zusammenhänge und gesellschaftliche Probleme zu beleuchten. Sie können unsere Arbeit unterstützen mit einem Kauf unserer Abos. Vielen Dank!

Ihr Michael Kaspar, Chefredaktor

Sie sind bereits Abonnent? Dann melden Sie sich hier an

Digital-Abo

Mit dem Digital-Abo profitieren Sie von vielen Vorteilen und können die Inhalte auf zueriost.ch uneingeschränkt nutzen.

Sind Sie bereits angemeldet und sehen trotzdem nicht den gesamten Artikel?

Dann lösen Sie hier ein aktuelles Abo.

Fehler gefunden?

Jetzt melden.