GZO-Spitalkrise: Was Gläubiger und Steuerzahler jetzt wissen müssen
Nächste Schritte der Nachlassstundung
Das GZO Spital Wetzikon ist in der Nachlassstundung, der Weg zur Sanierung ist noch weit. Wir klären die aktuell wichtigsten Fragen.
Die Situation ist bekannt: 2014 nahm das GZO Spital Wetzikon eine Anleihe in Höhe von 170 Millionen Franken auf, um seinen Neubau zu finanzieren. Die Pläne zur Refinanzierung scheiterten, ein Investor sprang ab, der Kanton gab keine Staatsgarantie, erklärte das Gesundheitsinstitut für nicht systemrelevant.
> > Lesen Sie hier, was bisher in der Wetziker Spitalkrise passiert ist.
Die Folge? Das Spital trat, auch weil das operative Geschäft grundsätzlich funktionierte, den Gang in die Nachlassstundung an und ist bald seit gut einem Jahr vor seinen Gläubigern geschützt. Dies umfasst Gläubiger, welche in die Anleihe investierten, aber auch Gläubiger mittel- und langfristiger Schulden, wie beispielsweise Lieferanten oder Zulieferer.
Um das Regionalspital zu retten, wurde im vergangenen Herbst ein Sanierungskonzept vorgestellt, welches drei massgebende Säulen umfasst: eine massive Wertberichtigung der Immobilien des Spitals (Abschreibungen in Höhe von 110 Millionen Franken), eine Aktienkapitalerhöhung durch die zwölf Eigentümergemeinden (50 Millionen Franken) und einen sehr hohen Schuldenschnitt der Gläubiger.
Dieser könnte gemäss einer ersten Schätzung zwischen 65 und 70 Prozent betragen. Das heisst, die Gläubiger müssten freiwillig auf zwei Drittel ihres Gelds verzichten. Um sich einen Überblick über alle tatsächlich ausstehenden Schulden, die vor dem Beginn der Nachlassstundung resultieren, zu verschaffen, haben die Sachwalter des GZO zuletzt den Schuldenruf gestartet.
Dieser wurde am Donnerstag vom Bezirksgericht Hinwil betreffend die Forderungen der Anleihegläubiger mit einer superprovisorischen Massnahme einstweilen gestoppt. Doch der Reihe nach.
Warum gibt es den Schuldenruf?
Der Schuldenruf ist zu Beginn der Nachlassstundung gesetzlich vorgeschrieben. Er gibt den Gläubigern bis zum 20. März Zeit, ihre Forderungen gegenüber der GZO Spital Wetzikon AG bei den Sachwaltern anzumelden.
Die Sachwalter erhalten damit eine umfassende Übersicht über alle Gläubiger, sofern diese nicht bereits bekannt sind, wie beispielsweise aus der Buchhaltung des Spitals. Diese Liste ist nicht öffentlich. Die Sachwalter werden über das Ergebnis des Schuldenrufs informieren.
Wieso ist der Schuldenruf wichtig?
Nur wer seine Forderungen rechtzeitig anmeldet, darf am Ende der Nachlassstundung – voraussichtlich im März 2026 – über den Nachlassvertrag des Spitals abstimmen.
In diesem ist unter anderem die Nachlassdividende geregelt, sprich die Prozentsumme, welche das Spital seinen Gläubigern ausbezahlen wird. Stand heute stehen die verfügbaren flüssigen Mittel zur Auszahlung an die Gläubiger noch nicht fest.
Die Dividende und der Vertrag können von den Gläubigern nur angenommen oder abgelehnt, nicht aber abgeändert werden. Der Dividendenanspruch geht bei verspäteter Forderungsanmeldung nicht verloren.
Wieso kam es zum teilweisen Stopp des Schuldenrufs?
Clearway Capital Partner, ein Investmentfonds, welcher Teil der umtriebigen GZO Creditor Group ist, hat beim Bezirksgericht Beschwerde eingereicht. Man sieht im Vorgehen des Schuldenrufs eine Ungleichbehandlung der Anleihegläubiger.
So wurden diese im Schuldenruf aufgefordert, ihre Titel in das Depot der Sachwalter einzuliefern. Damit können die Anleihegläubiger die Papiere beispielsweise nicht mehr an der Börse verkaufen. Dort werden sie nach der Dekotierung, sprich der Aufgabe des öffentlichen Börsenhandels, im Segment notleidende Anleihen gehandelt – wenn auch nur zu einem Bruchteil des Nennwerts. Andere Gläubiger hingegen, wie etwa Handwerker, müssen ihre Forderungen lediglich anmelden.
Die Sachwalter teilen diese Auffassung nicht. Auch die übrigen Gläubiger müssen ihre Forderung belegen – nur erfolgt dies nicht auf Basis einer Einlieferung der Titel, sondern beispielsweise im Fall eines Handwerkers mittels Einreichung von Rechnungen und anderen Belegen. Die Sachwalter haben das von ihnen vorgegebene Vorgehen gewählt, da es im Hinblick auf das weitere Verfahren, insbesondere im Hinblick auf die Auswertung des Abstimmungsergebnisses zum geplanten Nachlassvertrag, hohe Sicherheit bietet und sich zudem in der Praxis bewährt hat.
Das Bezirksgericht teilt im Rahmen seiner superprovisorischen Verfügung, die noch ohne Anhörung der Position der Sachwalter erfolgte, einstweilen die Auffassung der Ungleichbehandlung. Und hat deshalb die Sachwalter superprovisorisch angewiesen, den Schuldenruf in Bezug auf die Anleihegläubiger (nicht aber in Bezug auf die übrigen Gläubiger) per sofort zu widerrufen.
Welche Auswirkungen hat der teilweise Rückruf?
Die Sachwalter und die GZO AG erhalten nun Gelegenheit, zur eingereichten Beschwerde Stellung zu nehmen. Danach wird das Bezirksgericht über diese beziehungsweise über das weitere Vorgehen in Bezug auf den die Anleihegläubiger betreffenden Schuldenruf entscheiden.
Das Gericht wird nach Stellungnahme der Sachwalter und gegebenenfalls der GZO AG die Leitplanken für einen erneuten Schuldenruf mit Bezug auf die Anleihegläubiger vorgeben.
Wie können die übrigen Gläubiger Forderungen anmelden?
Die Sachwalter stellen hierzu auf ihrer Website umfassende Informationen und Wegleitungen bereit. Der Widerruf des Schuldenrufs betrifft ausschliesslich die Anleihegläubiger.
Wer hat welche Forderungen?
Das ist nicht öffentlich bekannt. Während es viele Gläubiger der 170-Millionen-Franken-Anleihe gibt, existieren auch Lieferanten und Zulieferer, bei denen das Spital in der Kreide steht.
Ein Grossgläubiger ist unter anderem auch die Steiner AG. Das Bauunternehmen, das sich selbst in Nachlassstundung befindet, war für den Neubau verantwortlich. Beteiligt an den Bauarbeiten mit Kosten im dreistelligen Millionenbereich waren auch zahlreiche Firmen aus der Region, die von der Steiner AG als Subunternehmen beauftragt worden waren.
Finanzanleger und Aktivisten, die in der Krise um das Spital in Erscheinung getreten sind, wollen vor allem eines: möglichst viel Geld zurück. Die GZO Creditor Group, die 6,56 Prozent der Anleihe hält, versuchte bereits im Herbst unter den Obligationären für dieses Hauptanliegen Mehrheiten hinter sich zu versammeln. Das dürfte wiederum bei der Abstimmung über den Nachlassvertrag geschehen.
Was passiert bis zur Abstimmung über den Nachlassvertrag?
Der operative Betrieb des Spitals läuft weiter wie bisher. Sowohl die Spitalleitung als auch die Sachwalter bestätigen, dass die Rentabilität gesichert ist – eine unabdingbare Voraussetzung, um einen drohenden Konkurs abzuwenden. In den beiden ersten Monaten 2025 wurden stationär und ambulant mehr Patientinnen und Patienten behandelt als in den gleichen Monaten des Vorjahrs. Der detaillierte Geschäftsbericht für das vergangene Jahr steht laut Spitaldirektor Hansjörg Herren noch aus.
Sehr erfreulich sei, dass der Ertrag durch Patientenbehandlungen gegenüber dem Vorjahr 2023, trotz erschwerten Bedingungen, lediglich um 2 Prozent zurückgegangen sei. Nämlich von 154 auf 151 Millionen Franken Jahresumsatz.
Im Juni werden die Sachwalter erneut einen Bericht zuhanden des Bezirksgerichts Hinwil schreiben, um die definitive Nachlassstundung nach den ersten sechs Monaten zu verlängern. Verlängert das Bezirksgericht Hinwil die definitive Nachlassstundung, so wird voraussichtlich im September eine Gläubigerversammlung stattfinden. Die Teilnahme steht dabei allen Gläubigern mit Forderungen aus der Zeit bis und mit 30. April 2024 offen. Der Anlass wird dabei ein Informationsanlass sein, um über den dortigen Stand der Dinge zu informieren.
Voraussichtlich im März 2026 werden dann alle Nachlassgläubiger mit fristgerecht angemeldeten Forderungen über den Nachlassvertrag abstimmen, der das Spital in den normalen Betrieb entlassen und Gläubigern die Auszahlung einer Nachlassdividende ermöglichen soll. Für das Zustandekommen braucht es die Mehrheit der Gläubiger, die gleichzeitig zwei Drittel der Forderungssumme vertreten, oder die Zustimmung eines Viertels der Gläubiger, die gleichzeitig drei Viertel der Forderungssumme vertreten.
Bis dahin ist auch klar, wie hoch die Aktienkapitalerhöhung durch die Aktionärsgemeinden des Spitals ausfallen wird.
Was läuft momentan in den Gemeinden?
50 Millionen Franken sollen die zwölf Gemeinden zur Sanierung beitragen. Die Exekutiven von Wetzikon, Hinwil, Wald, Gossau, Dürnten, Bauma, Bäretswil, Grüningen, Fischenthal und Seegräben empfehlen die Kreditvorlage nach heutigem Kenntnisstand zur Annahme. Bubikon und Rüti wollen sich nicht beteiligen. Sie sprechen sich für ein Nein aus. Gemeinsam müssten Rüti und Bubikon 9,8 Millionen Franken zu den angepeilten 50 Millionen beitragen.
Entscheiden wird überall das Stimmvolk – entweder an einer Gemeindeversammlung oder an der Urne. Mit der Aktienkapitalerhöhung sollen zum Beispiel Betriebskosten und Massnahmen zur weiteren Raumgestaltung des Neubaus finanziert werden.
Im Hintergrund arbeiten die Gemeinden intensiv an der Neubesetzung des Verwaltungsrats, nachdem Aktionärsvertreter und Verwaltungsrat übereingekommen sind, dass eine Neubesetzung der richtige Weg ist. Spitaldirektor Hansjörg Herren stellt in Aussicht, dass der neue Verwaltungsrat voraussichtlich im April an einer ausserordentlichen Aktionärsversammlung gewählt wird.
«Wir haben zahlreiche sehr valable Bewerbungen von erfahrenen Personen aus dem Gesundheits- und Spitalwesen erhalten», sagt Herren. Der Bewerbungsprozess liege in der Hand der Aktionärsgemeinden. Namen könne er noch keine nennen.
Was treibt derzeit das GZO um?
Das vorrangige Ziel der Aktionärsgemeinden ist die Integration der GZO Spital Wetzikon AG in einen Spitalverbund. Der neue Verwaltungsrat wird sich neben der Sanierung insbesondere diesem Auftrag der Aktionärsgemeinden widmen. Die Idee des Spitalverbunds wurde im Sommer 2024 vom vormaligen Übergangsdirektor des Spitals Uster, Vital Schreiber, aufs Tapet gebracht.
Im Businessplan des GZO trägt dieser Verbund sogar bereits einen Arbeitstitel: Spitalverbund Zürich Ost. Natürlich ist man sich in Wetzikon bewusst, dass man zunächst die eigenen Hausaufgaben erledigen muss. «2020 sind die fixfertigen Fusionspläne mit Uster gescheitert, jetzt liegen wir in Schieflage und müssen uns zuerst wieder gesundrichten», sagt Herren. Dass ein Verbund «finanziell gesunden Spitälern» helfen kann, betonte kürzlich der neue Spitaldirektor auf der anderen Seite des Aatals in Uster, Martin Werthmüller.
Nichtsdestotrotz intensiviert das Spital Uster bereits jetzt in die Zusammenarbeit mit umliegenden Spitälern, wie dem Spital Männedorf. So wurde Anfang Februar bekannt, dass ab April die gynäkologischen und geburtshilflichen Abteilungen beider Häuser unter einer gemeinsamen Leitung geführt werden.
Das Spital Uster kooperiert gegenwärtig mit folgenden Spitälern: USZ, Hirslanden, Männedorf. Gespräche mit dem Spital Zollikerberg sind im Gange. Wie CEO Martin Werthmüller erklärt, ist «die Kooperation mit dem Spital Männedorf ein erster Schritt, um die Bestrebungen für einen regionalen Spitalverbund voranzutreiben». Auch mit Vertretenden des Spitals Zollikerberg wurden bereits Gespräche geführt. (erh)
Und Männedorf wiederum spannt mit der Privatklinik Hirslanden zusammen, um in Meilen künftig eine ambulante Klinik sowie eine Permanence zu betreiben.
Besteht dadurch nicht die Gefahr, dass Spitäler der Region vollendete Tatsachen schaffen und Wetzikon abgehängt wird? Finanzchef Daniel J. Müller sagt: «Zuerst müssen wir unsere Bilanz sanieren. Gemäss Plan, an dem wir festhalten, stehen wir im Frühjahr 2026 schuldenfrei und werteberichtigt am Start. Der Businessplan zeigt auf, dass der Betrieb mehrere Jahre bis zu einer Verbundslösung gesichert ist.»
Lieber früher als später wolle man jedoch in einen Verbund mit anderen Spitälern eintreten und nicht weiter allein existieren. Doch dieser Prozess brauche Zeit, sagt der Wetziker Spitaldirektor Hansjörg Herren. «Wir lesen die Kooperationen der anderen Spitäler durchaus als Vorläufer für künftige Modelle.»