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Gesellschaft

Von Kalifornien nach Fehraltorf

Die Köchin für private Extremsituationen

Ashley Schütz kocht mit Herz und Seele. Sowohl für ihre Familie und ihr Umfeld als auch für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Dabei kam sie nur auf Umwegen aus den USA überhaupt ins Oberland.

Heute lebt Ashley Schütz mit ihrer Familie in Fehraltorf. Doch mit ihren Kochkünsten hat sie Menschen auf der ganzen Welt beglückt.

Foto: Anne Lutz

Die Köchin für private Extremsituationen

Von Kalifornien nach Fehraltorf

Ashley Schütz kocht mit Herz und Seele. Sowohl für ihre Familie und ihr Umfeld als auch für Menschen in schwierigen Lebenslagen. Dabei kam sie nur auf Umwegen aus den USA überhaupt ins Oberland.

Eigentlich hätte in diesem Artikel einfach das Angebot von Ashley Schütz vorgestellt werden sollen: Sie bietet einen Mahlzeitendienst an für Frauen nach der Geburt oder Menschen, die sich von einer Operation erholen, in Chemotherapie oder in Trauer sind. Doch bereits zwei Sätze nach dem ersten Hallo, noch bevor Stift und Schreibblock fürs Interview überhaupt ausgepackt sind, wird klar, dass der Text länger wird als geplant.

Sie erzählt in einem Mix aus Englisch und Schweizerdeutsch ohne Punkt und Komma von ihrer Familie in Kalifornien, von ihrem Job als Privatköchin für ein «Mitglied eines europäischen Königshauses», von ihren Töchtern – eine mit Schweizer, die andere mit amerikanischem Ordnungssinn – und von ihrem Schweizer Mann, den sie auf einem Schiff kennengelernt hat.

Während der Zubereitung eines Matcha Latte zeigt die 40-Jährige ihre umgebaute Küche, betont, dass es hier meist nicht so sauber ist. Die gebürtige US-Amerikanerin Ashley Schütz ist Köchin aus Leidenschaft, hat in Santa Barbara die Culinary School besucht und auf der ganzen Welt als Köchin gearbeitet.

Ashley Schütz kocht für Frauen im Wochenbett.
Ashley Schütz in ihrer umgebauten Küche in Fehraltorf. Der hintere Teil war früher die ganze Küche, heute dient er als Lager für Lebensmittel.

«In den USA, besonders in Kalifornien, sind Privatköche ganz normal, you know?» Sie hat sowohl in verschiedenen Restaurants gekocht als auch bei vielen Leuten zu Hause oder ihre Kochkünste als Catering angeboten. Mit ihrer adligen Chefin ist sie jahrelang herumgereist, stand in deren zahlreichen Häusern auf der ganzen Welt am Herd, aber auch auf Reisen auf der Jacht in der Bordküche.

Auf einer solchen Reise stiess irgendwann eine neue Crew dazu. Darunter ein Yacht Engineer aus der Schweiz, der bisher auf Segelbooten in der Antarktis unterwegs war. «In beengten Verhältnissen lernt man sich schnell kennen», meint Schütz verschmitzt. «Dating is quick on a ship.»

Nach zwei Jahren im Dienst der «Baronesse», wie Schütz die geheime Auftraggeberin nennt, bereiste das Paar zu zweit die Welt: Marokko, Indien, Spanien, Italien, Vietnam, Belize, Kolumbien, Panama … Nach noch einmal zwei Jahren liessen sie sich in Kalifornien nieder und heirateten, weil das erste Kind unterwegs war. Doch schon bald zeichnete sich der nächste Wechsel ab. «2016 gab es grosse politische Veränderungen in den USA», sagt Schütz, die ihre Beziehung zum Land als «complicated» bezeichnet. «Wir mussten weg. Und die ‹alte Welt› in Europa hat mich schon immer angezogen.»

Schweiz statt Spanien

Christoph und Ashley Schütz wollten sich mit ihrer kleinen Tochter eigentlich in Spanien niederlassen – doch nicht bevor zuerst die Grosseltern in Fehraltorf besucht wurden. «Und vom Zürcher Oberland kamen wir dann irgendwie nicht mehr weg.» Zuerst wohnten sie einige Jahre in Bertschikon, bevor sie vor vier Jahren in das Elternhaus von Christoph Schütz in Fehraltorf einzogen.

Bald kam die zweite Tochter zur Welt – auf eine ganz andere Weise als die Erstgeborene. «Meine erste Geburt war eine Hausgeburt, wunderschön und genau, wie ich mir das immer vorgestellt hatte.» Doch bei der zweiten Tochter wurde in der 37. Woche ein Herzfehler entdeckt, der einen sofortigen Kaiserschnitt nötig machte. «Das sagten zumindest die Ärzte. Ich war bei der Operation unter Vollnarkose und danach fünf Tage von meinem Mädchen getrennt, da es im Kinderspital war. Mein Herz war gebrochen.»

Seit Jahren setzt sie sich mit Ayurveda auseinander, eine alte indische Heilkunst, zu der eine spezielle Ernährungslehre gehört. Essen sei kein Ersatz für Medizin, betont Ashley Schütz. «Aber es ist die Grundlage für unsere Gesundheit, für unser Wohlbefinden.» Gerade in so verletzlichen Situationen wie nach einer Geburt oder einer Operation, in ihrem Fall beides, schwört sie auf bestimmte Lebensmittel, die den Heilungsprozess unterstützen können.

Kochen als «love language»

Die vom Spital in der Not angebotene Beutelsuppe nahm sie zähneknirschend an – «better than nothing» – und schrieb ihrem Umfeld, man solle ihr bitte grüne Smoothies bringen. «Ich brauchte Spinat, Grünkohl, einfach möglichst viel Eisen nach dem Blutverlust der Operation.»

Ihre Freunde hätten sie gerettet, regelmässig Essen vorbeigebracht, ihr aus dem Loch herausgeholfen. In den USA, vor allem in Kalifornien, sei es ein bekanntes Geschäftsmodell, Frauen im Wochenbett mit stärkenden Menüs zu beliefern. «Ich habe schon immer für mein Umfeld gekocht, immer überall Suppe gebracht, wenn jemand in einer herausfordernden Lebenslage war. Das ist meine ‹love language›.»

Ashley Schütz kocht für Frauen im Wochenbett.
Herzhafte Gerichte, die viel Energie spenden – das brauchen Frauen im Wochenbett.

Seit zwei Jahren bietet sie diesen Service auch professionell an. Sie bereitet Snacks, Müesli, Backmischungen oder ganze Menüs aus Bio- und Demeter-Zutaten vor, die sie zu einem grossen Teil aus Hofläden im Oberland bezieht. Die Packages bringt sie dann ihren Kundinnen und Kunden persönlich vorbei. Alle Rezepte sind von ihr entwickelt und darauf ausgerichtet, wieder zu Kräften zu kommen.

«Die meisten meiner Kundinnen sind Mütter im Wochenbett», sagt Schütz. Aber auch Personen, die aus anderen Gründen gerade nicht die Kraft haben, selbst den Kochlöffel zu schwingen, gehören zu ihrer Klientel. «Bei Kunden, die sich in einer tiefen Trauerphase befinden oder von einer Chemotherapie geschwächt sind, mache ich viele kleine, leicht bekömmliche Portionen – ganz im Gegensatz zu den frischgebackenen Müttern, die mit energiegeladenen Menüs versorgt werden müssen.»

Expats als Kunden

Momentan habe sie kaum Bestellungen aus dem Oberland. Die meisten ihrer Kunden befinden sich in der Stadt Zürich oder am linken Zürichseeufer. «Und die meisten sind Expats ohne Familie in der Nähe, die in solchen Zeiten helfen könnte.»

Und es sind Expats mit meist gutem Einkommen. Denn das Angebot von Ashley Schütz ist nicht billig. «Allein die Lebensmittelkosten sind ein wichtiger Grund für meine hohen Preise, da ich davon überzeugt bin, dass sich ein gesunder Körper von sauberen und hochwertigen Zutaten ernähren sollte.»

Das «Simple Healing Package» umfasst einen Grundstock an einfach zugänglichen Lebensmitteln und kostet 300 Franken. Darin enthalten sind neben Müesli-Mischungen auch kräftigende Bouillons, gefrorene Suppen, ein Pancake-Mix oder Ghee, eine Art Butterschmalz. «Es braucht gesunde Fette, um Energie zu tanken.»

Das «Nourished Support Package» kostet bereits 525 Franken, bietet jedoch einen Speiseplan für eine komplette Woche mit vorbereiteten, eingefrorenen Menüs wie etwa Lasagne – saisonal gerade aktuell die Zucchini-Lasagne mit Brennnessel-Basilikum-Pesto –, die nur noch in den Ofen geschoben werden müssen. «Und besonders für stillende Mamas ganz viele Snacks.» Dabei gibt es viel Süsses, aber immer ohne Industriezucker. Gesüsst wird mit Datteln, Agavensirup oder Kokosblütenzucker.

Noch einen Schritt weiter geht das «Complete Support Package», dessen Preis individuell festgelegt wird und bei dem die ganze Familie über längere Zeit verköstigt wird. «Die meisten beginnen mit dem ‹Simple Healing Package› und melden sich dann noch zwei- oder dreimal für die grösseren Packages.»

Denn mit jeder Lieferung wird auch eine engere Beziehung aufgebaut. «Oft bin ich eine der ersten Personen, welche nach einer Geburt zu Besuch kommen – da fliessen manchmal bei den Müttern auch die Tränen, und sie erzählen mir so viel wie wohl sonst nur ihren engsten Freundinnen.»

Sie appelliert an alle, sich nicht zu schade zu sein, bei Familie und Freunden um Hilfe zu fragen, wenn es um kulinarische Unterstützung geht. «Gerade in der Schweiz tut man sich schwer damit. Dabei ist speziell die traditionelle Gerstensuppe ein perfektes Essen in schwierigen Situationen.»

Ashley Schütz kocht für Frauen im Wochenbett.
Ashley Schütz mit ihren beiden Töchtern.

Ihre eigenen Töchter sind heute acht und elf Jahre alt. Der Herzfehler der jüngeren Tochter ist heute kein Thema mehr. In den Schulferien nimmt Schütz keine Anfragen von Kunden an. Auch bei anderen Buchungen für Kocheinsätze muss der Mahlzeitendienst hintanstehen. Nach wie vor ist sie unter anderem ein bis zwei Wochen pro Jahr für ihre «Baronesse» im Einsatz. «Wenn sie gerade mit der Familie in ihrem Haus im Berner Oberland ist.»

Dass Ashley Schütz überhaupt in der Schweiz gelandet ist, ist für sie «full circle». Denn: «Meine Grossmutter hat zwar in Kalifornien gewohnt, war aber Schweizerin.» Bei ihr habe sie als Kind bereits Toblerone oder Kirschstängeli probiert. «Die habe ich schon als Kind geliebt», gibt sie zu. Auf die Frage, was denn heute ihr Lieblingsessen sei, lacht sie nur laut. «Ich liebe alles, was von Herzen gekocht wird.»

Weitere Informationen zu Ashley Schütz und ihrem Angebot unter www.rooted-world.com.

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