Über den Tod sprechen? Diese Slam-Poetin aus Wildberg tut es
Internationaler Speaker Slam
Der Tod ihrer Tochter brachte Stephanie Salihovic alias AnimaSana nicht zum Schweigen, sondern auf die Bühne. Beim Internationalen Speaker Slam in Deutschland teilte sie ihre Geschichte. Und ihr Weg der Sichtbarkeit hat damit erst begonnen.
«Ich lerne und wachse am stärksten, wenn ich mich selbst ins kalte Wasser werfe», sagt Stephanie Salihovic, auch bekannt unter ihrem Künstlernamen AnimaSana. Anfang September stellte sich die gebürtige Wildbergerin einer besonderen Herausforderung: Sie trat beim Speaker Slam in Niedernhausen in Deutschland auf, einem internationalen Rednerwettbewerb.
Bei diesem haben die Teilnehmenden vier Minuten Zeit, das Publikum von einem selbst gewählten Thema zu überzeugen. Es zählen nur das gesprochene Wort, die Stimme und die Präsenz auf der Bühne.
Die 42-jährige AnimaSana nutzte diesen Anlass für eine tiefgehende, sehr private Geschichte: den Verlust ihrer Tochter Amina, die vor mehr als zwei Jahre im Alter von 34 Tagen verstarb. Sie litt an Trisomie 18, einer seltenen genetischen Erkrankung, bei der kaum ein Kind länger als ein Jahr überlebt.
Den Tod nicht totschweigen
Die aus Wildberg stammende Slam-Poetin hat sich bewusst dafür entschieden, ein Thema anzusprechen, das in der Gesellschaft oft tabuisiert wird – den Verlust des eigenen Kinds. «Ich bin ein Mensch, der gerne ein wenig polarisiert, um andere zum Nachdenken anzuregen», sagt sie.
Die Botschaft ihrer Rede: «Der Tod ist ein natürlicher Teil des Lebens. Doch mit der Zeit haben wir ihn mit so viel Angst und Trauer belegt, dass viele ihn nur noch als etwas Schreckliches sehen.»
Ihre persönliche Einstellung zum Tod beschreibt sie deshalb als neutral: «Wie soll ich über etwas urteilen, das ich noch nie selbst erlebt habe?» Ihre beiden älteren Söhne verstärkten diese Sichtweise noch, indem sie ihr symbolisierten, dass sie sie brauchen und für Kinder der Tod und die Geburt das Normalste der Welt sind.
Für kleine Kinder sei der Tod – anders als für viele Erwachsene – kein Schreckgespenst, sondern ein ganz natürlicher Teil des Lebens, betont AnimaSana. Diese Einsicht hat ihr geholfen, nicht in der eigenen Trauer zu versinken und ihren Kindern ein gesundes Bild vom Tod zu vermitteln.
Ich will mit meiner Geschichte zeigen, dass es nicht der Tod an sich ist, der uns zerbrechen lässt, sondern die Entscheidung über den Umgang damit.
AnimaSana
Rednerin beim Internationalen Speaker Slam
Ihre offene und wertfreie Haltung gegenüber dem Tod wollte sie auch dem Publikum des Rednerwettbewerbs näherbringen. «Ich will mit meiner Geschichte zeigen, dass es nicht der Tod an sich ist, der uns zerbrechen lässt, sondern die Entscheidung über den Umgang damit», sagt AnimaSana.
Oft seien es die Erwartungen von aussen, die schwerer wiegen würden als der eigentliche Verlust, erzählt sie weiter. Dabei spricht sie von gesellschaftlichen Vorstellungen, wie man richtig trauern soll, wie lange es «normal» ist, traurig zu sein, und welche Gefühle eine Mutter nach einem solchen Erlebnis angeblich «haben muss».
Gerade diese allgemeine Sichtweise beschäftigt sie oft stärker als der Verlust ihrer Tochter. «Nur weil Amina gestorben ist, heisst das nicht, dass ich aufhören will, das Leben zu geniessen.»
Die Geschichte ist noch nicht zu Ende
Der Auftritt am Speaker Slam lieferte ihr die Bestätigung, mit ihrer offenen Erzählweise viele Menschen erreichen zu können. Einige hätten ihr gesagt, dass ihnen ihre Geschichte geholfen habe, die eigene besser einzuordnen, und sie sich dadurch nicht mehr so allein gefühlt hätten, erinnert sie sich.
Unter den 150 Teilnehmenden aus über 20 Ländern schaffte Salihovic es in die Top 20 und erhielt für ihr Debüt ein «goldenes Diplom». Doch wie geht es für sie weiter?
Abseits der Bühne verfolgt sie als AnimaSana weitere Herzensprojekte.
Künftig will sie als Mentorin wirken und Familien dabei unterstützen, ein bewussteres und wertfreieres Miteinander zu gestalten mit ihrem Angebot «SinnVollesLernen». «Wenn Eltern und Kinder lernen, sich selbst und einander wirklich zu sehen, entsteht echte Verbundenheit, und Potenziale können gelebt werden», sagt sie.
Auch ein Buch über den Verlust ihrer Tochter ist in Bearbeitung – jedoch kein klassisches Tagebuch, sondern eine Reflexion darüber, was passiert ist und wie man mit einem solchen Schicksalsschlag umgehen kann. «Das Schreiben hat mir geholfen, zu verarbeiten, zu reflektieren und das Ganze einzuordnen», erzählt sie.
Denn AnimaSana sieht sich nicht nur als Mutter, Speakerin und Autorin – sondern vor allem als Mutmacherin.