Gesellschaft

Zum Schutz des Papstes

In Uster gibt es eine Waffenkammer des Vatikans

Das Leben als Schweizergardist im Vatikan ist besonders - das weiss Meinrad Baumgartner aus eigener Erfahrung.

Meinrad Baumgartner präsentiert die Galauniform der Gardisten, die er selber auch getragen hat.

Foto: Luc Müller

In Uster gibt es eine Waffenkammer des Vatikans

Meinrad Baumgartner ist Sigrist in der katholischen Kirche St. Andreas. Dort lagern im Keller ganz spezielle Uniformen – eine davon hat er selber jahrelang getragen.

Der Weg nach unten, in den Zivilschutzkeller der katholischen Kirche St. Andreas, verheisst nicht viel Glamour. Vorbei an Fitnessgeräten führt der Gang zu einer Tür, auf der ein Foto eines Schweizer Gardisten zu sehen ist.

«So, hier tut sich ein Stück Rom, genauer gesagt ein Stück des Vatikans auf», erklärt Meinrad Baumgartner, der seit 2006 hier als Sakristan tätig ist. Kaum ist die Tür geöffnet, fallen dem Besucher die farbigen Uniformen auf, die fein säuberlich auf Kleiderstangen aufgereiht sind. Jedem ist sofort klar: Hier handelt es sich um die ikonischen Gewänder der Päpstlichen Schweizergarde.

20 Jahre lang im Dienst

Von 1985 bis 2006 stand Meinrad Baumgartner selber im Dienst der Garde. «Man muss sich für mindestens zwei Jahre verpflichten – ich blieb 20 Jahre lang», sagt der Ex-Gardist mit einem Lächeln. Er tritt an eine Uniform heran und nimmt sie vom Kleiderständer. Sofort schwelgt er in Erinnerungen. «Jeder Gardist erhält eine solche massgeschneiderte Galauniform. Im Vatikan gibt es dafür extra eine Schneiderei.»

Dort kennt sich Meinrad Baumgartner, der aus Gossau kommt, bestens aus. Elf Jahre lang war er in der Armeria, in der Waffenkammer tätig. Dort sind unter anderem die Hellebarden, Schwerter und die Uniformen gelagert. «Ich war sozusagen der ‹Zeughäusler› und habe die Gruppe ausgerüstet – auch wenn mal ein Knopf an der Uniform gefehlt hat, habe ich mich darum gekümmert.»

Teil der «la banda»

Und auch heute leitet er die Armeria der Ex-Gardisten, die zusätzlich beispielsweise am Ostersonntag beim Segen «Urbi et Orbi» – ein Grossanlass, der die ganze Welt kennt – im Rahmenprogramm aufspielen. Hier im Zivilschutzkeller hängen die Uniformen und stehen die Säbel aller ehemaligen Gardisten, die auch Teil von «la banda» (italienisch für Band) waren.

Musiker
Hier haben die Gardisten-Musiker einen Auftritt am Basel Tattoo 2025.

«Wir treten immer noch ab und zu mit dem Ex-Gardisten-Spiel auf», erklärt Baumgartner, der selber aber kein Instrument spielt – er ist hier in Uster Leiter der Armeria. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, die Säbel immer mal wieder auch Hochglanz zu polieren oder nach Auftritten die verschwitzten Uniformen in die chemische Reinigung zu bringen.

Mann an Gerät
Meinrad Baumgartner poliert regelmässig die Säbel der Ex-Gardisten mit dieser Maschine.

Eben hätten sie kürzlich an der Beerdigung eines Ex-Gardisten in Hinwil gespielt oder in Lugano an der Generalversammlung der Ex-Gardisten. «Für den Auftritt braucht es grundsätzlich eine Bewilligung aus dem Vatikan», ergänzt der Sakristan.

Wer fünf Jahre Dienst als Schweizergardist geleistet hat, darf seine Galauniform mit nach Hause nehmen. «Nach dem Tod muss sie aber entweder wieder in den Vatikan oder in eine Armeria – oder man lässt sich darin beerdigen.»

Mann vor Kirche
Meinrad Baumgartner ist Ex-Gardist und Sakristan der Katholischen Pfarrei St. Andreas.

Wie kam er überhaupt damals zur Garde? «Ich fuhr mit einem Freund vom Oberland mit dem Velo nach Rom. Dort war es so heiss, dass wir uns oft im kühlen Petersdom aufgehalten haben. Wir freundeten uns mit Gardisten an, die uns in ihre Kaserne im Vatikan eingeladen haben. Dort haben sie uns ein Bewerbungsformular in die Hände gedrückt. Aus Spass habe ich das abgeschickt – und ich erhielt eine Vorladung.»

Zu den Zulassungsbedingungen gehören unter anderem ein abgeschlossener Militärdienst, der Schweizer Pass und ein sauberer Leumund und der Bezug zur Katholischen Kirche.

Leben im 10er-Zimmer

Zuvor musste er beim Hausarzt ein paar Tests machen – im Vatikan vor Ort gab es nochmals eine Untersuchung und einen Leistungstest. «1985, mit 23 Jahren, bin ich dann Gardist geworden. Das war eine bis jetzt prägende Zeit. Bis heute sind wir Ex-Gardisten eine eingeschworene Gemeinschaft.»

Am Anfang lebte Meinrad Baumgartner in einem 10er-Zimmer mit den andern Gardisten, für die es nur eine Dusche und ein WC gab. «Wir lebten in der Kaserne direkt unter dem Dach – unser Zimmer hiess wegen der Hitze im Sommer ‹California›», erzählt Baumgartner.

Tor
Die Gardisten bewachen den Eingang zum Vatikan.

«Den Papst und seine Residenz beschützen: Das ist der Hauptauftrag. Man leistet den Eid, im Notfall sein Leben für den Papst zu opfern.» So bewachen die Gardisten unter anderem den Eingang zum Vatikan. «Die Italiener haben uns während der Wache oft kurz an der Uniform angefasst, weil das für sie Glück bringt», erinnert sich Baumgartner.

Zudem stehen die Gardisten vor den Schlafgemächern des Papstes. «Man kontrolliert auch die Leute im Vatikan. Täglich gehen hier bis zu 3000 Personen ein und aus», erzählt Meinrad Baumgartner.

In seiner Dienstzeit schützte er die Päpste Johannes Paul II. (1978 bis 2005) und Benedikt XVI. (2005 bis 2013). Diese verbrachten den Sommer rund 24 Kilometer ausserhalb von Rom in der Sommerresidenz Castel Gandolfo. «Da gab es jeweils ein Abendessen mit den Gardisten und dem Papst. Das war immer sehr entspannt. Die Päpste waren locker drauf und haben mit uns Small Talk gemacht. Wir haben über Fussball gesprochen oder über unsere Familien.»

Mann mit Mäntel
Meinrad Baumgartner präsentiert rechts die Galauniformen der Schweizergardisten. Links hängen die Uniformen der Tambouren.

Hat er jemals eine brenzlige Situation erlebt als Schweizergardist? Einst sei ein Verwirrter in der Audienzhalle über die Absperrung gesprungen und auf den Papst gestürmt. Die Kollegen hätten den Mann aber rechtzeitig stoppen können – denn auch Selbstverteidigung gehöre zur Ausbildung der Gardisten. Er selber sei auch oft neben dem Papamobil, in dem der Papst offen durch die Menge fährt, als Sicherheitsmann hergelaufen. «Da muss man hochkonzentriert sein und alle Sinne beisammen haben.»

Für ihn sei die Zeit in Rom, wo er Italienisch gelernt hat, eine fantastische Erfahrung gewesen. «Man lernt Schweizer aus allen Ecken des Lands kennen. Das erlebt man später so nie wieder. Ich empfehle deshalb, sich als Gardist zu melden. Die Päpstliche Schweizergarde sucht immer Bewerber, die heute nicht mehr so zahlreich sind», wirbt Meinrad Baumgartner zum Abschluss.

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