Der grosse städtebauliche Wurf prallt am Gemeinderat ab
Louis Mayer will zusammen mit dem renommierten Architekturbüro Herzog & de Meuron eine grosse Überbauung mit einem rekordverdächtigen Hochhaus in Volketswil erschaffen. Doch der Gemeinderat hat andere Pläne.
Nach einer Überbauung des weltweit tätigen Architekturbüros Herzog & de Meuron würden sich wohl die meisten Gemeinden die Finger lecken. Doch in Volketswil ist es kompliziert. Dort steht der Initiant Louis Mayer mit seiner Idee eines gross angelegten städtebaulichen Projekts bei den Behörden an.
Dieses hatte der 86-jährige Volketswiler bereits vor fünf Jahren zusammen mit einer Gruppe von Bauleuten, Architekten und Ingenieuren entwickelt. 2024 holte er Herzog & de Meuron mit an Bord und wollte damit beim Gemeinderat vorstellig werden.
Volketswil hat sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert.
Louis Mayer
Initiant Grossüberbauung Grossriet
Mayer ist ein erfolgreicher Unternehmer. Mit seiner Firma Mayer Elektro Anlagen AG in Volketswil beschäftigte er in den besten Zeiten 1000 Mitarbeiter. Als Firmenchef hat er zahlreiche Grossprojekte für Elektroinstallationen im In- und Ausland realisiert. Das Unternehmen verkaufte er 1987 an die BBC (heute ABB).
Nach dem Verkauf setzte er als eigenständiger Bauherr weitere Vorhaben wie etwa die Überbauung Chriesbaum in Volketswil um. Zwischenzeitlich lebte er im Ausland, 1999 war er an Wiederaufbauprojekten in den von Erdbeben zerstörten Gebieten in der Türkei beteiligt.
Als Mayer vor rund zehn Jahren in die Schweiz zurückkehrte, stellte er ernüchtert fest: «Volketswil hat sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert.» Besonders die knapp 50'000 Quadratmeter grosse Fläche, die ein Teil des Areals Grossriet umfasst, erachtete er als ein Zeichen des Stillstands. Das Gebiet liegt vis-à-vis dem Einkaufszentrum Volkiland. Darauf befinden sich etwa ein BMW-Autohändler, ein Telekommunikationsausrüster oder die BMX-Strecke.
Riesiger Turm
Daran wollte er etwas ändern – und entwickelte das eingangs erwähnte Projekt. Es umfasst zahlreiche Gebäude mit Platz für Wohnungen, Büros, Shops, Schule, Kindergarten, Kita und Turnhalle. Ausserdem eine Bäckerei, ein Bistro, ein Restaurant, Vereinsräume oder auch Sozialwohnungen. Wahrzeichen der riesigen Überbauung soll ein 60-stöckiges Hochhaus mit Aussichtsplattform werden, das bis zu 180 Meter hoch sein soll. Geschätzter Kostenpunkt des ambitionierten Vorhabens: rund eine Milliarde Franken.
Als er mit den Plänen vor einigen Jahren das erste Mal bei Gemeindepräsident Jean-Philippe Pinto (Die Mitte) auftauchte, habe ihn dieser abgewimmelt. Es sei zu früh damit, habe es geheissen.


Mayer gab nicht auf und konnte schliesslich Herzog & de Meuron für seine Idee gewinnen. Also die Planer, die weltberühmte Gebäude erschaffen haben wie das Kunstmuseum Tate Modern in London, das Nationalstadion in Peking, die Allianz-Arena in München oder die Roche-Türme in Basel.
Die Interessenbekundung des Architekturbüros vom September 2024 liegt der Redaktion vor. In der E-Mail hiess es an Louis Mayer gerichtet: «Wir sind überzeugt, dass Ihr Projekt ein grosses Potenzial für eine nachhaltige und innovative Arealentwicklung bietet, und sind sehr daran interessiert, dieses Vorhaben gemeinsam mit Ihnen weiterzuverfolgen.» Unterschrieben ist das Dokument von Seniorpartner Stefan Marbach und CEO Adrian Keller.
«Penetrantes Verhalten»
Mayer suchte weiterhin den Kontakt zu den Volketswiler Behörden – was diesen schliesslich zu viel wurde. Bauvorstand Marcel Egloff (FDP) spricht von «penetrantem Verhalten».
Egloff sagt, dass Mayer trotz steter Beteuerung, es sei noch zu früh für die Besprechung eines konkreten Bauprojekts, zu Gesprächen und Treffen darüber gedrängt habe. Er habe mehrmals versucht, Mayer die nächsten Schritte klarzumachen. Zuerst müsse der Kanton den regionalen Richtplan verabschieden, anschliessend werde der kommunale Richtplan erarbeitet. Über den könne dann die Gemeindeversammlung 2026 entscheiden. Erst wenn der Richtplan abgesegnet sei, beginne die Arbeit an der Nutzungsplanung.
Weil Louis Mayer selber auf dem Areal kein Land besitzt, wurde er nicht mehr eingeladen.
Marcel Egloff
Gemeinderat (FDP)
Ausserdem sei man mit der Gemeinde Schwerzenbach daran, die Entwicklung der Areale Grossriet und Ifang gemeinsam voranzutreiben, sagt Egloff.
Die Schwerzenbacher sind allerdings schon einen Schritt weiter. Diese haben jüngst an der Gemeindeversammlung das Gebiet Ifang in die Bau- und Zonenordnung (BZO) integriert und damit grünes Licht für die Entwicklung gegeben. Dies gegen den Wunsch des Schwerzenbacher Gemeinderats, der ebenfalls auf seine Pläne für eine gemeinsame Entwicklung mit der Nachbargemeinde hingewiesen hatte.
Das Volketswiler Grossriet möchte der Gemeinderat von einer Industriezone in eine Mischzone Wohnen/Gewerbe umzonen. Laut Egloff wäre für das Areal auch der Bau von Hochhäusern möglich, was sich zumindest in Teilen mit Mayers Plänen decken würde. «Es wird allerdings 10 bis 15 Jahre dauern, bis ein konkretes Bauprojekt umgesetzt werden kann», sagt Egloff.
Projekt schlechtgeredet?
Doch würde der Gemeinderat Mayers Projekt dereinst überhaupt in Betracht ziehen? Egloff: «Das kommt einem Blick in die Kristallkugel gleich. Aktuell ist es aber nicht der Weg, den die Eigentümer und der Gemeinderat gehen wollen.» Letztlich hänge der Entscheid, was auf dem Areal Grossriet passiere, von den Eigentümern ab, sagt Egloff.
Dies ist auch Mayer bewusst. Er moniert allerdings, dass die Gemeindevertreter die Eigentümer vom gemeinderätlichen Vorgehen überzeugt und gleichzeitig sein Projekt schlechtgeredet und blockiert hätten.
Die Verzögerungen, das bisherige Abdrängen unserer Anfragen und die abfälligen Äusserungen gegenüber unserer Arbeit sind nicht akzeptabel.
Louis Mayer
Egloff bestätigt, dass Treffen mit Eigentümern stattgefunden hätten. Erst mit Mayers Anwesenheit, später ohne ihn. «Weil er selber auf dem Areal kein Land besitzt, wurde er nicht mehr eingeladen.» Man habe sich weder für noch gegen Mayers Projekt ausgesprochen. «Es war schlicht nie Thema.»
Diese Redaktion hat mehrere Eigentümer kontaktiert. Alle gaben an, dass sie wiederholt von Mayer kontaktiert worden seien, an einer Zusammenarbeit jedoch kein Interesse gezeigt hätten. Von den angefragten Personen wollte keine ihren Namen in der Zeitung lesen.
Mayer ist jedoch überzeugt, dass er die Eigentümer noch für sein Projekt gewinnen könnte, wenn der Gemeinderat die Pläne unterstützen würde. Dies auch, weil fünf Grossinvestoren hinter dem Projekt stünden. Namen nennen will Mayer zum jetzigen Zeitpunkt keine.
Reaktion von Herzog & de Meuron
Im E-Mail-Verkehr, der über einen Zeitraum von über einem Jahr geführt wurde, zeigt sich, wie Mayer mit seinem Vorhaben bei Pinto und Egloff auf Granit beisst.
Der sonst so zugängliche Pinto wechselte im Verlauf des E-Mail-Verkehrs vom Du plötzlich ins Sie. Egloff wiederum verlangte ein detailliertes Angebot von Herzog & de Meuron sowie Angaben zu Investoren und den Schnittstellen zwischen den involvierten Parteien. Mayer gibt an, diese Unterlagen vollständig geliefert zu haben. Egloff widerspricht auf Anfrage.
Frustriert schrieb Mayer Anfang Jahr: «Die Verzögerungen, das bisherige Abdrängen unserer Anfragen und die abfälligen Äusserungen gegenüber unserer Arbeit sind nicht akzeptabel. Der politische Wille zu einem echten Miteinander fehlt.»
Dass ein detaillierteres Angebot von Herzog & de Meuron vorliegt, bestätigt der Briefverkehr zwischen Mayer und dem Basler Architekturbüro.
Daraus geht hervor, dass das Architekturbüro Herzog & de Meuron auf dem Areal Grossriet einen neuen Stadtteil mit verschiedenen Gebäuden für eine vernetzte Arbeits- und Wohnkultur realisieren will. «Unser Ziel ist es, das Projekt nach Abschluss der Vorstudie fortzuführen und als verantwortlicher Projektarchitekt die Planung massgeblich zu begleiten.»
Und an Louis Mayer gerichtet, heisst es: «Wir sind nach wie vor hochmotiviert, dieses Projekt mit Ihnen zu planen, und zuversichtlich, dass es uns gelingt, etwas Einzigartiges zu realisieren.»
Bauvorstand zeigt sich skeptisch
Egloff zeigt sich davon unbeeindruckt: «Ich zweifle daran, dass Herzog & de Meuron wirklich an einer Entwicklung in Volketswil interessiert ist.» Das seien keine «08/15-Planer», sondern weltbekannte Architekten für die grossen Würfe. Herzog & de Meuron will sich zum Geschehen nicht äussern.
Bevor es aber überhaupt zu einer Entwicklung komme, müsse eine Testplanung durchgeführt werden, die bereits von der Gemeinde angestossen worden sei, so Egloff. Die Grundeigentümer müssten diese nun in Auftrag geben und auch die Kosten von schätzungsweise 850'000 Franken bezahlen. Diese Planung stosse «auf grosses Interesse», sei aber noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen allen Parteien.
Mayer schüttelt darüber nur den Kopf. Er gibt an, die 420’000 Franken teure Machtbarkeitsstudie von Herzog & de Meuron über seine Firma finanzieren zu wollen. «Das würde die Grundeigentümer keinen Rappen kosten.» Ausserdem habe er wiederholt zugesichert, der Gemeinde die Oberaufsicht über das Projekt zu gewähren.
Ums Geld gehe es ihm beim Projekt nicht, sagt Mayer. Davon habe er im Leben genug verdient und mittlerweile den grössten Teil an seine Söhne verschenkt. Aber man dürfe Herzog & de Meuron nicht verlieren. «Mit dem Projekt hätten wir in Volketswil etwas bekommen, womit wir in der gesamten Schweiz bekannt geworden wären.»
Mayer will sich dennoch nicht geschlagen geben und weiterkämpfen «bis zur Baubewilligung», wie er sagt. «Sei es auf politischem oder rechtlichem Weg.»