Vorbei ist die Zeit, als es in Dübendorf noch das Gratis-Wursträdli gab
In Dübendorf gibts seit Jahren keine richtige Metzgerei mehr. Unternehmer aus der Region erzählen, weshalb sie die Stadt meiden oder ihr damals den Rücken gekehrt haben.
Es ist schon ein Weilchen her, als in Dübendorf der letzte Metzger sein Hackmesser eingepackt hat und von dannen gezogen ist: Die Metzgerei Eigenmann war bis 2013 in der Bahnhofstrasse 5 einquartiert, wo heute ein Optiker sein Geschäft hat.
Der frühere Besitzer Thomas Eigenmann war für eine Anfrage nicht erreichbar. In der damaligen «Glattaler»-Ausgabe hat er aber kurz nach der Schliessung gesagt, dass ihn zu hohe Mietkosten, Personalmangel und vor allem niedrige Umsätze zum Wegzug veranlasst hätten.
Dabei hatte er das Geschäft erst im April 2011 von Enrico Buffoni übernommen. Dieser wiederum gibt auf Anfrage in erster Linie strategische Überlegungen für seinen Wegzug an. Nachdem die Pensionierung der Eltern nähergekommen sei, hätten seine Schwester und er beschlossen, die Filiale in Dübendorf aufzugeben, sagt Buffoni. «Wir wollten uns auf unser Hauptgeschäft in Illnau konzentrieren. Auch mit nur einer Metzgerei haben wir mehr als genug Arbeit.»
Der Familienname prangte seit 2001 am Gewerbehaus in Dübendorf. «Der Entscheid zur Aufgabe fiel mir nicht leicht. Wir mussten viele sehr gute Kundenkontakte aufgegeben.»
Negativ aufs Geschäft habe sich auch die wechselnde Parkplatzsituation ausgewirkt. Ab 2009 hat die Stadt nach einigem politischen Gerangel dem unbegrenzten kostenlosen Parkieren im Zentrum ein Ende gesetzt. Für Enrico Buffoni war dies spürbar: «Wenn irgendwo das Parkplatz-Regime geändert wird, merkt das das Gewerbe.»


Eine Rückkehr kann sich der Unternehmer nicht vorstellen. Für ein neues Geschäft brauche es viel neues Personal, was derzeit noch schwieriger zu bekommen sei als zu seiner Zeit in Dübendorf. «Es hat viel zu wenig Metzger auf dem Arbeitsmarkt.»
Paula schnitt die Schwarte
Einer, der dieses Metzgerei-Sterben hautnah miterlebt hat, ist Werner Benz. Der frühere Präsident des Gewerbe-, Handels- und Industrievereins wohnt seit 52 Jahren in Dübendorf. Als er hierhergezogen sei, habe es noch fünf grosse Metzgereien gehabt: Broger (der Vorgänger der Metzgerei Buffoni), König, Thali, Zellweger und Zubler.
Das sei noch eine Zeit gewesen, als die Dübendorferinnen und Dübendorfer richtig «poschte» gingen, sagt Benz. Zu Fuss seien sie all die Einzelläden abgelaufen, die es damals in der Stadt noch gegeben habe. «Und wer in die Metzgerei musste, ging zu Köbi Broger, wo seine Frau Paula dem Kotelette noch die Schwarte abgeschnitten hat.» Der persönliche Kontakt sei früher enorm wichtig gewesen.
Dübendorf wäre ein spannendes Pflaster.
Urs Marti
Inhaber Metzgerei Hotz
Danach haben immer mehr die Grossverteiler übernommen. Doch das wirklich regionale Fleisch gibt’s halt nur in der Dorfmetzg, wo auch eigene Gewürze und Spezialitäten angeboten werden. Fleisch im Offenverkauf wird heute in Dübendorf von Coop sowie Migros auch an Metzgertheken, aber auch im Stern-Market und Ada Market angeboten. In diesen Verkaufsstellen übernehmen die Angestellten zwar teilweise die Rolle des Dorfmetzgers mit Tipps zur Zubereitung oder Antworten zum passenden Fleisch. «Aber die Zeit ist vorbei, als die Kinder beim Besuch der Metzgerei noch ein Wursträdli mit auf den Weg bekamen.» Nun würden halt viele seiner Bekannten zum nahe gelegenen Metzger Hotz in Fällanden fahren.
Grossstadt keine Erfolgsgarantie
Inhaber der Metzgerei Hotz ist Urs Marti, der nebst Fällanden noch die Geschäfte in Uster und Winterthur betreibt. «Dübendorf wäre ein spannendes Pflaster», sagt er. «Eine einwohnerstarke, boomende Agglomeration von Zürich.»
Doch Marti weiss aus eigener Erfahrung, dass ein grosser Ort noch lange nicht eine Garantie für das unternehmerische Überleben bedeutet. Denn in Winterthur mit über 120’000 Einwohnern sei er zumindest im Stadtzentrum der letzte Metzger.
Eine Metzgerei aufzubauen, ist nicht das gleiche wie einen Kleiderladen einzurichten.
Claudia Eichenberger
Geschäftsführerin Metzgerei Eichenberger
Den Sprung nach Dübendorf will Marti aber aus anderen Gründen nicht machen. Auch er sagt, dass es dafür an Fachleuten auf dem Arbeitsmarkt mangelt, die es für ein neues Geschäft brauche.
Dazu kämen die hohen Investitionskosten und die zusätzliche Arbeitsbelastung. «Letztlich ist mir die Zeit mit der Familie genauso wichtig wie die Arbeit.»
Ohne Parkplätze geht nichts
Den Fachkräftemangel ist auch für Claudia Eichenberger einer der Hindernisgründe für eine Expansion. Sie betreibt heute zusammen mit ihrem Geschäftspartner Guido Lehmann die Metzgereien Eichenberger in dritter Generation in Wetzikon, Hinwil und Höngg.
«Ein Betrieb steht und fällt mit gutem Personal», sagt Claudia Eichenberger. Die Mitarbeiter müssten über ein hohes Fachwissen verfügen, um einerseits möglichst das ganze Tier verwerten zu können, sowie das Optimale aus den jeweiligen Teilstücken zu machen. Andererseits brauche es ein gutes Kundengespür und auch viel Kreativität bei der Produktentwicklung.
«Wenn man keine bestehende Metzgerei und deren Infrastruktur übernehmen kann, dann wird es extrem teuer.» Gerade die Kosten für neue Kühlräume und Kühltheken sind enorm hoch und schnell im sechs- bis siebenstelligen Bereich. «Eine Metzgerei aufzubauen, ist nicht das gleiche wie einen Kleiderladen einzurichten.»
Eichenberger erwähnt auch, wie sehr die Kundschaft beim Einkaufen aufs Auto setzt. «Wenn man keine Parkplätze vor dem Laden hat, wird es schwierig. Dann fahren die Leute einfach weiter.»
Für Werner Benz bietet immerhin der Wochenmarkt auf dem Dübendorfer Stadthausplatz ein Erlebnis, wie es das «Poschte» früher noch war. «Dort sind noch ein Käse-, Obst und Gemüsehändler zu finden – und auch ein Metzger.»
Die Rückkehr eines richtigen Dorfmetzgers würde er begrüssen. «Ich wohne gerne in Dübendorf. Aber ich bedaure, dass es keine Metzgerei mehr hat.»