Tösstaler Jugendliche auf der Suche nach ihrer Leidenschaft
Praxis statt Theorie
Beim 25. Berufswahlparcours der Sekundarschulen Turbenthal-Wildberg und Wila erhielten Schülerinnen und Schüler der zweiten Sekundarklassen Einblicke in über 30 verschiedene Lehrberufe. Wir haben drei von ihnen besucht.
«Wähle einen Beruf, den du liebst, und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten», sagte Konfuzius, ein chinesischer Philosoph, bereits vor über 2500 Jahren. Diese Weisheit hat auch heute noch Bestand.
Bevor man jedoch eine Entscheidung trifft, ist es wichtig, Berufe praktisch kennenzulernen – nur so erkennt man, was einem wirklich liegt und Freude bereitet. Eine kleine Hilfestellung dazu bietet der Berufswahlparcours, der am vergangenen Donnerstag zum 25. Mal für die zweiten Sekundarklassen der Sekundarschulen Turbenthal-Wildberg und Wila stattfand.
Über 30 verschiedene Lehrberufe konnten die Schülerinnen und Schüler bei jeweils zwei Betriebserkundungen kennenlernen, davon eine am Morgen und eine am Nachmittag. Weite Wege mussten sie dafür nicht auf sich nehmen, denn alle Betriebe stammen aus dem Tösstal.
Blumen und Bagger
Es ist kurz nach acht Uhr morgens. Auf dem weitläufigen Gelände der Gartenbaufirma Spalinger in Zell liegt noch eine gewisse Ruhe. Vier interessierte Jugendliche stehen aufgereiht um Gärtnermeister David Kägi. Sie hören aufmerksam zu, während er Klartext spricht.
«Wenn Ihr Gärtner oder Gärtnerin werden wollt, müsst Ihr in der Lehre 300 Pflanzenarten auf Deutsch und Latein auswendig lernen, das gehört zu unserem Berufsstolz», erklärt Kägi. «Und schaufeln gehört genauso zum Gärtnerdasein wie Baggerfahren.»
Die Botschaft ist klar: Das Berufsfeld Garten- und Landschaftsbau ist vielseitig, aber eben auch fordernd.
Dann geht es für die Jugendlichen selbst ans Werk. Zwei Stunden lang dürfen sie an sieben verschiedenen Posten mit anpacken und ausprobieren. Schaufeln steht natürlich auch auf dem Programm.
«Ich muss etwas mit den Händen machen»
Unter den vier Jugendlichen, welche die Spalinger Gartenbau AG besuchen, ist auch die 13-jährige Kiandra von der Sekundarschule Turbenthal-Wildberg.
«Ich war schon ein bisschen nervös diesen Morgen», gibt Kiandra offen zu. Kein Wunder, für sie ist der heutige Tag eine Premiere: «Ich habe schon als Malerin und Schreinerin geschnuppert, aber in einer Gärtnerei war ich noch nie.»
Immerhin wusste sie schon, was sie heute ungefähr erwartet: Ihr Bruder hat nämlich bereits in diesem Betrieb geschnuppert und ihr begeistert erzählt, was man dort alles machen kann. «Ich dachte mir: Das wird sicher cool, wenn ich baggern und mit dem Rasenmäher herumfahren darf.»
Kiandra lebt auf einem Bauernhof, hilft dort regelmässig mit und ist bereits öfters Traktor gefahren, ein klarer Vorteil an diesem Schnuppertag. «Deshalb konnte ich heute auch so gut mit dem Rasenmäher durch den Parcours fahren», sagt sie mit einem stolzen Lächeln.
Besonders gut gefallen hat ihr das Umpflanzen von Blumen. Dass sie einen grünen Daumen hat, merkte ihre Mutter schnell: «Als ich in der Schule einmal Sonnenblumenkerne geschenkt bekam, meinte meine Mutter: ‹Pflanz die selber ein, bei dir wachsen sie, bei mir nicht.›» Diese Erfahrung habe sie zusätzlich motiviert, den Beruf der Gärtnerin näher kennenzulernen.
Ein Bürojob? Für Kiandra bereits heute unvorstellbar. «Ich muss etwas mit den Händen machen», sagt sie. Der Schnuppertag in der Gärtnerei, wo genau das gefragt ist, hat bei ihr Eindruck hinterlassen. «Der Morgen war cool, aber auch streng», fasst sie zusammen. Besonders das Schaufeln sei ermüdend gewesen: «Zu Hause übernimmt das meistens der Bagger oder mein Vater», sagt sie lachend. Eine längere Schnupperlehre als Gärtnerin könne sie sich aber trotzdem gut vorstellen.
Tiere und Tropfen
In der Kleintierpraxis VetTrust in Turbenthal erscheint Luna, ein 15 Wochen altes Kätzchen, zur Impfung. Schon beim ersten Blick merkt die Tierärztin, dass Luna nicht ganz fit ist. Ihre Augen tränen. Sie hat Katzenschnupfen.
Mit dabei Alina und Ziva, Schülerinnen der zweiten Sek.
Die Tierärztin führt darauf einen Test durch: Sie tropft Luna eine orange Flüssigkeit ins Auge, sogenanntes Fluorescein. «Jetzt müsst Ihr gut hinschauen», sagt sie und leuchtet mit blauem Licht auf die Katzenaugen. «Schaut – die Augen wirken in diesem Licht plötzlich ganz grün.» Der Farbstoff färbt Hornhautverletzungen, die auch bei Katzenschnupfen auftreten können, leuchtend grün.
Das Kätzchen muss sich zunächst erholen, bevor es in ein paar Wochen zur Impfung kommen kann.
Die beiden Schülerinnen verfolgen aufmerksam den Alltag in der Kleintierpraxis – wenig später dürfen sie selbst aktiv werden.
«Ich will auf jeden Fall medizinische Praxisassistentin werden»
Ziva ist 13 Jahre alt und besucht die Sekundarschule Turbenthal-Wildberg. Seit etwa eineinhalb Jahren weiss sie, dass sie später unbedingt einen medizinischen Beruf ausüben will. «Früher wollte ich Prinzessin werden», sagt sie mit einem Schmunzeln.
Heute ist sie realistischer unterwegs. «Kürzlich habe ich als medizinische Praxisassistentin (MPA) geschnuppert, weil mir das eine Kollegin empfohlen hat», erzählt Ziva. Danach habe sie mit ihren Eltern darüber gesprochen. «Die sagten dann: ‹MPA ist ja fast das Gleiche wie tiermedizinische Praxisassistentin› – also dachte ich mir, dass ich das doch einfach mal ausprobiere.»
Ein bisschen nervös sei sie schon gewesen, sagt sie. «Aber ich habe mich auch mega gefreut. Ich wollte unbedingt etwas Neues lernen und Spass haben.»
Am Schnuppermorgen in der Kleintierpraxis ist Ziva gut vorbereitet. «Ich schreibe mir immer im Voraus Fragen auf, die ich den Mitarbeitenden stellen kann, um möglichst viel zu lernen.»
Mitgenommen hat sie viel. «Ich habe zum ersten Mal bei einem Hund das Herz abgehört, das war so interessant», sagt sie begeistert.
Ein weiteres Highlight war das Aufziehen von Spritzen. «Das konnte ich schon recht gut, weil ich das bereits beim Schnuppern als MPA gemacht habe.» Dort durfte sie sogar eine Spritze vorbereiten, die dann bei einer Patientin verwendet wurde.
Ebenso beeindruckt hat sie das Mikroskopieren: «Die Parasiten anzuschauen, war total spannend.» So was sehe man nicht täglich.
Für Ziva steht fest: Der Tag hat ihre Erwartungen voll erfüllt. «Ich will auf jeden Fall medizinische Praxisassistentin werden.» Ob mit Menschen oder Tieren, das weiss sie noch nicht.
Schriften und Schilder
Im Produktionsraum von Johler Druck und Schriften in Wila riecht es währenddessen nach Klebefolie. Heute ist ein Auftrag vom Kanton eingetroffen: Orange Umleitungsschilder für den Strassenverkehr müssen produziert werden.
Geschäftsgründer Marcel Johler nimmts mit Humor. «Gut, haben wir heute vier helfende Hände mehr, jetzt kann ich zurücklehnen und zuschauen», sagt er mit einem Augenzwinkern in Richtung der beiden Jugendlichen.
Während die Jugendliche konzentriert eine Klebefolie auf einen Schriftzug aufzieht und anschliessend mit einem Roller Luftblasen herausstreicht, fragt Johler neugierig: «Weisst Du eigentlich, wie unser Beruf heisst?»
«Nein», antwortet sie ganz direkt. «Das habe ich mir gedacht», lacht er und beginnt zu erklären: «Die frühere Berufsbezeichnung war Schriften- und Reklamemalerin. Heute gilt die Bezeichnung Gestalterin Werbetechnik.»
«Es ist eine beruhigende Arbeit»
Kian ist 13 Jahre alt und besucht die Sekundarschule Turbenthal-Wildberg. Er möchte die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium machen, später könnte er sich vorstellen, entweder Informatik oder Jura zu studieren. Trotzdem findet er es «mega spannend», beim Berufswahlparcours einmal in verschiedene Berufe hineinzuschauen: «Falls es mit der Prüfung nicht klappt, hat man immerhin schon mal eine Idee, was einem sonst noch gefallen könnte.»
Für den Beruf des Werbetechnikers hat sich Kian entschieden, weil er sich für Design interessiert – und weil er gern kreativ arbeitet. «Es ist eine beruhigende Arbeit», sagt er rückblickend. «Ich konnte mich richtig gut vertiefen.» Besonders das Zuschneiden der Metallschilder für die Umleitungen hat ihm gefallen: «Das war eine grobe Arbeit, genau mein Ding.»
Weniger begeistert war Kian vom genauen, feinen Arbeiten mit dem Cutter. Beim Wort Parkplatz kämpfte er mit dem Buchstaben «k». «Die überschüssige Folie dort wegzukriegen, ist echt mühsam», meint er. Als Esther Johler-Waldvogel ihn bittet, etwas genau abzumessen, kommt von ihm nur ein schnelles «Jaja» – denn millimetergenaues Arbeiten gehört definitiv nicht zu seinen Vorlieben.
Und trotzdem: Der Tag hat ihn positiv überrascht. «Ich fand es cool, dass wir im Betrieb richtig mithelfen durften», sagt Kian. «Am Morgen war ich als Informatiker schnuppern, dort durften wir leider nur zuschauen.»
Der Besuch beim Berufswahlparcours zeigt: Die einen oder anderen haben heute bereits entdeckt, was sie begeistert – und sind damit einen Schritt näher am Start ins Berufsleben.