Ohne Umsteigen vom Oberland ins Bündnerland: SBB starten Testphase
Gemütlich sitzen bleiben, ohne mühsames Umsteigen bis nach Chur – das testen die SBB aktuell. Bei der ersten Fahrt waren die Rückmeldungen positiv, bis auf eine.
«Zeit ist Geld» – dieses Sprichwort schreiben sich die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) dick hinter die Ohren. Wieso also nicht mühsame Umsteigezeiten streichen und direktere Verbindungen schaffen? Etwas, das die SBB derzeit vom Oberland ins Bündnerland testet.
Es ist kurz vor 7 Uhr. An diesem Samstagmorgen reflektieren erste Sonnenstrahlen auf den nassen Gleisen. Der Bahnhof Uster ist noch relativ leer. Und doch warten einige Reisende mit vollgepacktem Wanderrucksack auf den Zug. Familien mit Kindern sind in den frühen Morgenstunden ebenfalls bereits unterwegs. Auch sie sehen so aus, als hätten sie einen Ausflug in die Berge geplant.
Wer vom Oberland mit dem Zug nach Graubünden reist, ist sich gewohnt, in Pfäffikon SZ oder Rapperswil umsteigen zu müssen. Etwas, das bei der heutigen Fahrt wegfällt, denn es handelt sich um einen Extrazug. Im Rahmen eines Markttests wird an allen Wochenenden im September die S15 bis nach Chur verlängert – morgens zweimal hin, abends zweimal zurück. Zwischen Rapperswil und Chur halten die Züge in Pfäffikon, Ziegelbrücke, Unterterzen, Sargans, Bad Ragaz und Landquart.
Mehrere Tests geplant
Die Testphase wird in mehreren Etappen durchgeführt, wie Werner Schurter, Leiter SBB Personenverkehr Region Ost, erklärt. «Die Direktverbindung wird im September, im Dezember und im nächsten Sommer getestet.» Dadurch könne man Erkenntnisse von verschiedenen Jahreszeiten sammeln.
Ausschlaggebend dafür, eine Direktverbindung überhaupt zu prüfen, war unter anderem die Baustelle in Thalwil im letzten November. Wegen Unterhaltsarbeiten an den Schienen konnte man damals einen Monat lang im Zug bis nach Chur sitzenbleiben. «Wir erhielten viele Rückmeldungen, ob man das nicht gleich so beibehalten könne», erzählt Schurter.
Die heutigen Fahrgäste sehen das genauso. Viele wissen gar nicht, dass sie sich in einem Extrazug befinden. «Wir dachten zuerst, es handle sich um einen Fehler in der SBB-App, als wir sahen, dass wir nicht umsteigen müssen», erzählt eine Mitfahrende, die mit ihrem Partner auf dem Weg nach Flims für eine Mountainbike-Tour ist. Für sie beide sei es vor allem praktisch für die Fahrt mit ihren Velos. «Wenn wir in einen vollen Zug in Pfäffikon SZ umsteigen müssen, gibt es oft gar keinen Platz mehr für unsere Bikes. Hier haben wir sozusagen eine Poleposition.»

Eine Mutter steigt mit ihren zwei Kindern in Wetzikon ein. Sie besuchen oft ihre Familie in Graubünden und schätzen die direkte Verbindung, sagt sie. «Mit zwei kleinen Kindern ist es nicht immer einfach, wenn man umsteigen muss.» Heute geht es für die Familie nach Klosters, um zu wandern.

Und auch das Wandertrio vom Schweizer Alpen-Club (SAC) Hörnli einen Wagen weiter vorne ist positiv überrascht von der Direktfahrt. «Es ist genial», meint die eine Reisende. Auch sie begrüsst es, ihren Sitzplatz nicht mehr abgeben und in einen vollen Zug umsteigen zu müssen. «So kann man einfach sitzen bleiben.»

Nebst all den vielen positiven Rückmeldungen lässt sich trotzdem ein Haken finden. Eine Gossauerin, die ebenfalls im Extrazug mitfährt, erzählt, dass sie es zwar schätze, im Zug sitzen bleiben zu können. Für sie gehe die Reise in Chur jedoch weiter ins Engadin. Auf ihren Anschluss müsse sie trotz der Direktverbindung warten – in diesem Fall sogar länger.
Dass noch nicht ganz alles aufeinander abgestimmt ist, ist bei einer solchen Testphase normal, wie Schurter erklärt. Man sammle jetzt das Feedback, werte dieses aus und fälle im nächsten Jahr einen Entscheid, ob es in Zukunft regelmässig eine Zugverbindung ohne Umsteigen vom Oberland ins Bünderland geben wird.
Die Testphasen
Die Abfahrtszeiten der Direktverbindungen am Samstag und Sonntag im September ab Uster: 6.54 und 7.54 Uhr. Rückfahrt ab Chur: 16.23 und 17.23 Uhr.
Ein weiterer Test ist für den Winter 2025/2026 geplant. Ab dem Fahrplanwechsel am 14. Dezember verkehren die Direktzüge bis am 15. März 2026 an sämtlichen Wochenenden – mit Ausnahme vom 25. Dezember und 1. Januar.
Im Sommer 2026 folgt ein dritter Markttest von Anfang Juni bis Ende September. (alk)