Ihr Film nimmt die Zuschauer auf eine packende Zeitreise mit
Zum Jubiläum der Stadt Uster hat ein dreiköpfiges Team einen Animationsfilm kreiert. Was dieses Werk so anders macht und weshalb es auch über die Stadtgrenze hinaus spannend sein könnte.
Im Rahmen des Stadtjubiläums wird in Uster der neue Animationsfilm «Wer vor uns da war – 12½ Ustergeschichten aus 1250 Jahren» gezeigt. Ein Film über die Geschichte einer Stadt – da mag vielleicht manch eine Person desinteressiert die Nase rümpfen.
Vor dem Interviewtermin lag der Autorin ein Link vor, um sich einen Eindruck vom Film zu verschaffen. Durch persönliche Erinnerungen an die geschichtlichen Lehrfilme aus Schulzeiten waren die Erwartungen nicht allzu hoch. Oft waren diese Filme langweilig. Oder man verlor den Überblick, wo die einzelnen Ereignisse auf dem Zeitstrahl einzuordnen waren.
Umso angenehmer war die Überraschung beim vermeintlichen «Reinschauen» in die Ustergeschichten. Denn aus dem Reinschauen wurde ein gefesseltes Eintauchen, das die Umgebung inklusive Telefonanrufe völlig ausblenden liess.
Der 41-minütige Film ist anders. Er kommt daher wie ein Kunstprojekt: Die Illustrationen und Animationen sind wohltuend auf das Wesentliche reduziert. Die Soundeffekte erzeugen Atmosphäre: Von Spannung, etwa wenn der Sattler den Pfarrer mit der Pistole bedroht, über Düsterheit bei der Pest bis zu skurrilem Witz, als eines der ersten Autos vorüber knattert.
Unbekannte Personen werden in den Vordergrund gerückt und verleihen jeder der zwölfeinhalb Geschichten Persönlichkeit. Es fühlt sich an, als ob man selbst dabei war, man die Protagonisten kennen würde. Die Geschichten sind detailliert genug, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Aber nicht zu detailliert, um den Bogen zu verlieren.
Hinter dem Projekt steht der ehemalige SRF-Journalist und bis heute aktive Filmemacher Dölf Duttweiler. Der gebürtige Zürcher Unterländer ist nach mehrjähriger Korrespondenten-Tätigkeit in Berlin vor 22 Jahren mit seiner Frau, Kind und Kegel nach Uster gezogen.

«Ich fühle mich inzwischen mit Uster verbunden», erzählt der 71-Jährige im Gespräch. Das aktuelle Jubiläum sei für ihn Anlass gewesen, die geschichtlichen Ereignisse der Stadt aufzugreifen.
Durch sein Geschichtsstudium hat Dölf Duttweiler Erfahrung in der Analyse von historischen Quellen. Einige Geschichten fand er in Büchern, etwa in Paul Kläuis «Uster-Buch». Die entsprechenden Quellenangaben führten ihn dann für tiefgreifendere Recherchen ins Kläui-Archiv und in die reformierte Kirche in Uster. Zudem arbeitete er sich durchs Staatsarchiv Zürich und das Stiftsarchiv St. Gallen.
Die Entscheidung für einen Animationsfilm
Für Duttweiler war es von Beginn weg klar, dass sich die vielen Zeitepochen nicht klassisch filmen lassen. «Beim Filmdreh mit Menschen sind die Möglichkeiten begrenzt, während der Phantasie beim Zeichnen keine Grenzen gesetzt sind.» Und so entschied er sich für einen gezeichneten Animationsfilm.
Fehlte nur noch der passende Illustrator, denn: «Ich mache vieles selbst, aber zeichnen traue ich mir nicht zu», sagt er und lacht. Der Kunstschaffende Gian Zarotti war für Duttweiler die erste Wahl: «Mir war sein schlichter, geradliniger Stil auf Usters Kunstplakatstellen aufgefallen.»

Bewusst zeichnete Zarotti die Personen sehr abstrakt und verlieh ihnen so eine ganz eigenständige Persönlichkeit. Der aus Uster stammende Grafiker arbeitet sonst eher im Bereich typografische Gestaltung. Doch während seines Studiums in Grafikdesign und visueller Kommunikation besuchte er auch eine Illustrationsklasse.
«Illustrierte Animation war dann aber ein ganz neues Umfeld für mich», erwähnt er eine der Herausforderungen für dieses Projekt. Abzuschätzen, wie viele Details der Film verträgt, ohne den Gesamtbogen zu überspannen, sei eine weitere gewesen.
Vertonung von Oberländer Vollprofi
Für die Vertonung des Films engagierte Dölf Duttweiler keinen Geringeren als Christian Beusch, mit dem er bereits bekannt war. Der diplomierte Toningenieur hat an über 200 Kinofilmen und TV-Produktionen mitgearbeitet. Als Highlight zählt er unter anderem seine Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Kultregisseur George Lucas auf.
Obschon Beusch durch eine Beeinträchtigung an den Rollstuhl angewiesen ist, betreibt der Tonmeister noch immer ein eigenes Tonstudio in Egg, unterstützt von seiner Frau Vivienne.
Er sei mit dem bescheidenen Wunsch nach einer Stereovertonung an seinen Freund herangetreten, erzählt Duttweiler. «Wenn du den Film im Kino zeigen willst, mische ich dir natürlich einen 5.1-Ton», habe er daraufhin entgegnet. So wird in der Fachsprache ein professioneller Kino-Ton bezeichnet.
«Emotionen sind stark an Töne geknüpft», erklärt der Akkustik-Profi. Viele würden bei einer Vertonung an Supereffekte denken. Doch das passiere im Unterbewusstsein. «Mit dem richtigen Sounddesign lässt sich eine ganze Welt kreieren.»
So sind auch die besonders nachhaltigen, düster wirkenden Szenen im Film nicht zufällig entstanden. «Wir wollten die dunklen Kapitel nicht beschönigen», so Beusch.
Passenderweise sind auch die Erzähler- und Protagonistenstimmen aus Uster: Eveline Ratering und Ingo Ospelt haben den Text gesprochen.
Gesamtwerk eines kreativen Teams
Dölf Duttweiler hat als Autor zwar das eigentliche «Drehbuch» geschrieben. Schliesslich brachten sich aber alle drei kreativen Köpfe mit ihren eigenen Interpretationen ein. «Dies hat unseren Film wohl auch so einzigartig gemacht», sagt Duttweiler sichtlich stolz.
Erst vor rund einer Woche sahen sich die drei das fixfertige Endprodukt an. Auch als gestandener Profi in seinem Metier sagt Christian Beusch: «Die Anspannung, wie das Gesamtwerk dann im Kino wirkt und beim Publikum ankommt, ist für mich kaum auszuhalten.»
Dieses Projekt ist eine freie Produktion, die nicht von der Stadt in Auftrag gegeben wurde. Der Animationsfilm wurde mit einem geringen Budget von unter 80’000 Franken realisiert, unter anderem mithilfe von Fördergeldern der Stadt Uster.
Gemäss Duttweiler richtet sich der Film an ein breites, durchaus auch überregionales Publikum. «Weil wir die Geschichte von Uster mit Ereignissen aus dem Rest der Schweiz verknüpfen, kann das Werk auch für andere Gemeinden oder Kantone relevant sein.»
Durch seinen lehrreichen Charakter eignet sich das Werk auch gut für den Einsatz in Schulklassen. So würden sich heutige Schüler später sicher positiver an die Lehrfilme erinnern, die sie in der Schule gesehen haben.
«Wer vor uns da war – 12½ Ustergeschichten aus 1250 Jahren»
Im Rahmen des Stadtjubiläums wird der neue Animationsfilm von Dölf Duttweiler im Kino Qtopia Uster ausgestrahlt. Am Samstag ab 12 Uhr, am Sonntag ab 10 Uhr, jeweils im Zweistundentakt. Abwechselnd dazu wird ein Bildermosaik «Uster schreibt Geschichte» gezeigt.