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Dieser Mechaniker aus Wald ist Herr über 270 legendäre Dreiräder

Bruno Schläpfer lässt Kinderträume aus dem letzten Jahrhundert wieder aufleben. Seine antiken Dreiräder und Tretroller gehen vielleicht nochmals in die Geschichte ein.

Seine restaurierten Dreiräder sind Bruno Schläpfer ans Herz gewachsen. Nun sollen sie in neue Hände übergehen.

Foto: Luca Da Rugna

Dieser Mechaniker aus Wald ist Herr über 270 legendäre Dreiräder

Bruno Schläpfer lässt Kinderträume aus dem letzten Jahrhundert wieder aufleben. Seine antiken Dreiräder und Tretroller gehen vielleicht nochmals in die Geschichte ein.

Er ist ein klassischer Tüftler – herzlich, bodenständig, geradlinig und fokussiert. Ohne Zweifel ist Bruno Schläpfer aus Wald ein begnadeter Mechaniker, der sich sein Handwerk über Jahrzehnte in den unterschiedlichsten Formen aneignete. «Viele kennen den Unterschied zwischen flicken und reparieren überhaupt nicht», meint er etwas süffisant.

Viele Bastler seien beispielsweise gute Flicker und könnten alles auseinandernehmen. Ein Mechaniker sei dann doch noch etwas mehr – und zu ebendiesen gehört der doch stolze 72-Jährige, der sich selbst als etwas «verschroben» bezeichnet.

Dafür ist ihm seine Begeisterungsfähigkeit für die Technik bis ins hohe Alter nicht abhandengekommen. Vielleicht ist sie sogar noch grösser geworden. «Ich wusste, als ich vor 55 Jahren bei Huber+Suhner meine Lehre begann, dass ich bis zu meiner Pensionierung herumschrauben werde.»

Letztlich verliess ihn seine Leidenschaft auch nach dem Antritt seines Ruhestands nicht – dies beweisen seine 270 antiken Dreiräder, die er mit Fleiss, Genauigkeit und Liebe zum Detail sowie Engelsgeduld über die letzten fünf Jahre restauriert hat. Alle stammen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts und geniessen – obwohl sie längst der Vergangenheit angehören – Kultstatus.

Schläpfer hat nur sofort einsatzbereite Modelle der Schweizer Marken Kemp (Wetzikon), Cyclo Skiff (Nyon) und Wisa Gloria (Lenzburg) in seiner Werkstatt stehen. «Früher war es für Kinder ein Privileg, ein solches Dreirad geschenkt zu kriegen», sagt Schläpfer. «Schliesslich kostete ein Cyclo-Skiff-Holländer damals 130 Franken, was sich zu jener Zeit nur betuchtere Eltern leisten konnten.» Heute kostet ein fachmännisch restauriertes Exemplar aus Schläpfers Werkstatt einiges mehr, doch dies hat seine Gründe.

Wie alles begann

Ursprünglich hegte Schläpfer nicht die Absicht, sich nach seiner Pension so intensiv um Dreiräder zu kümmern. Während der Pandemie wollte er mit einem Tuktuk und seiner Mundharmonika eine mehrmonatige Reise durch Österreich und Slowenien unternehmen, von welcher ihm sein Arzt jedoch dringend abriet. «Mit einer künstlichen Herzklappe galt ich als Risikopatient und musste zu Hause bleiben.» Da stilles Herumsitzen für den «Chlüteri» nie eine Option ist, kam er dazu, diese antiken Kinderfahrzeuge zu reparieren. «Sonst gibt es niemanden mehr, der das macht oder kann.»

Von der für damalige Verhältnisse weit fortgeschrittenen Technik, was die Zusammensetzung der Dreiräder betrifft, war der Mechaniker sofort begeistert. «Die Firma Kemp aus Wetzikon beispielsweise ergänzte ihre Dreiräder mit mechanisch präzisen Veloglocken, die damals gerade einmal 2 Franken kosteten und heute immer noch etwas taugen.»

Das sei generell der Unterschied von damals zu heute. Viele Gegenstände aus dieser Zeit würden sich noch heute reparieren lassen, während modernere Produkte meist nicht mehr zu reparieren seien. «Oft bleibt einem nichts anderes übrig, als den Weg zur Entsorgungsstelle anzutreten, was doch eher traurig ist», findet Schläpfer. Der Tüftler, der 45 Jahre lang Motorgeräte, Zweiräder und Motorschlitten reparierte und sich auch bestens mit deren Technik auskennt, weiss, wovon er spricht.

Aber auch für einen gewieften Techniker wie ihn sei die Arbeit an den Dreirädern nicht gerade einfach gewesen. Bekanntlich sind alle Anfänge etwas schwer. «Wie Kinderwagen aus den 1950er Jahren waren auch die Dreiräder mit weissen Gummipneus ausgestattet, die es heute gar nicht mehr gibt.»

Weisse Gummistränge hängen in einer Werkstatt.
Diese weissen Gummistränge dienen Bruno Schläpfer als Pneus für die Dreiräder. Sie kommen aus China.

Schläpfer erkundigte sich bei Fachleuten und suchte lange Zeit im Internet, bis er in Ostasien fündig wurde. «Ich habe tatsächlich einen chinesischen Hersteller gefunden, der mir die Gummischläuche nach Mass anfertigte und sie innert einer Woche bis zu mir nach Wald lieferte», staunt der Mechaniker noch heute. Die Bestellung lief allerdings nicht über ein paar Mausklicks, sondern über einen mehrmaligen und stets längeren Austausch per E-Mail.

Schraube für Schraube dokumentiert

Schläpfer kann nicht nur schrauben, schleifen, spezielle Formen, Sitze oder Räder anfertigen, sondern ist auch am Computer ziemlich begabt und mindestens genauso akkurat. In einem grossen, säuberlich geführten Ordner ist jedes der 270 Kleinfahrzeuge detailliert dokumentiert.

Jeder Griff, jedes Pedal, jeder Lack und jede Schraube, die Schläpfer am jeweiligen Objekt einsetzte, sind genau aufgelistet. «Ich habe unterschiedlichstes Material verwendet, zu grössten Teilen von Fachleuten aus der weiteren Umgebung, was für künftige Abnehmer noch nachvollziehbar sein und so einen gewissen Wert darstellen soll.» Schliesslich erhalte man auf jedes restaurierte Fahrzeug mindestens ein Jahr Garantie.

Viele Griffe oder Pedale, und zwar in runden, rechteckigen oder ellipsenähnlichen Formen, hat Schläpfer bei bekannten Holzherstellern aus Sirnach oder Bauma explizit bestellt. «Das ist schon sensationell, zu welch tiefen Preisen und mit welcher Liebe zum Detail diese Typen mir geholfen haben», unterstreicht der Tüftler.

Obwohl ihm seine Dreiräder ans Herz gewachsen seien und er ab und an in ein paar glückliche Kinderaugen habe schauen dürfen, sei es nun an der Zeit, ganz loszulassen. Seine Website www.bruno-mech.ch hat inzwischen rund 85'000 Besuche registriert. Pro Wochenende bewegen sich zirka 50 Leute auf Schläpfers digitaler Plattform. «Die Leute sind interessiert, und doch habe ich noch nicht den einen perfekten Nachfolger gefunden.»

Schläpfer will nämlich seine gesamte Sammlung an jemanden abstossen, der deren Wert auch zu schätzen weiss. «Ich suche einen Sammler, aber auch ein Museumsbetrieb wäre schön.» Jedenfalls müsse es sich um eine oder mehrere technisch verliebte, am besten ebenfalls begabte Personen handeln. «Ich habe 55 Jahre meines Lebens geschraubt, das ist nun wirklich genug.» Da es um seine Gesundheit hin und wieder nicht zum Besten steht, will er seine Dreiräder unbedingt in sicheren Händen wissen.

Interessierte Nachfolger dürfen sich bei Bruno Schläpfer jederzeit melden. Der herzliche Mechaniker ist an der Tösstalstrasse 188 in seiner Werkstatt in Wald, per E-Mail, telefonisch oder auf www.bruno-mech.ch zu erreichen.

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