Ausfahrt an Auffahrt – in Hinwil geben Biker richtig Gas
Der Auffahrtsmorgen in Hinwil gehört den Bikern. Zum 18. Mal startet der Ramp Ride – eine Mischung aus Gemeinschaft, Leidenschaft und dem Nervenkitzel der Strasse.
Auffahrtsmorgen, kurz vor neun Uhr in Hinwil. Im Hintergrund ist das Läuten der Kirchenglocken zu hören. Knapp 170 Personen haben sich versammelt, um der Ansprache von der Kanzel zu lauschen.
Neben der Kanzel, einem kleinen Balkon, prangt ein grosser Totenschädel. Wir befinden uns nämlich nicht in der Kirche, sondern vor der «Pirates Bar». Die «Prediger» sind die Organisationschefs des traditionellen Ramp Rides – einer Tagesausfahrt mit Motorrädern.
Die meisten der Anwesenden tragen Lederkluft oder Töffkombi. Auch die berühmten «Kutten», also Westen mit aufgebrachten Abzeichen, sind allgegenwärtig.


Päde alias «Empty» begrüsst als Präsident des Vereins The Pirates Bikers and Friends die versammelte «Gemeinde» zum 18. Ramp Ride. Es handle sich nicht um einen offiziellen Motorradclub, sondern um einen Verein mit einfacher Struktur. «Wir wollen gemeinsam unserer Leidenschaft fürs Motorradfahren frönen», beschreibt er den Zweck des Vereins.
Gemeinsame Ausfahrten gehören da natürlich auch dazu – so, wie die heutige Tagesfahrt. Sie führt nach Weiach, wo mittags gepicknickt wird. Nach einem Zvieri-Halt beim Kloster Fischingen geht es zurück nach Hinwil. «Dort lassen wir den Tag bei einem Barbecue gemeinsam ausklingen», erklärt Vorstandsmitglied Dani alias «Ojo». Er führt die Gruppe als Road Captain an.
Wie bewegt sich eine so grosse Karawane?
Einen Trupp von 140 Motorrädern mit einer Grösse von jeweils mindestens 500 Kubik anzuführen, ist keine leichte Aufgabe: «Es gibt strikte Fahrregeln, an die sich alle Teilnehmer halten müssen», erklärt er. Alle Biker haben diese bei ihrer Anmeldung erhalten. Die wichtigsten werden vor der Abfahrt aber nochmals erklärt.
Die Töffs fahren wenn immer möglich versetzt nebeneinander, um Auffahrunfälle zu vermeiden. Bei Kreuzungen und Kreiseldurchfahrten hält jeweils einer der Fahrer den restlichen Verkehr auf. So bleibt die Karawane immer zusammen. «Vom ersten bis zum letzten Fahrer dauert es etwa fünf Minuten, bis wir eine Kreuzung passiert haben.»
Sicherheit wird grossgeschrieben bei der gemeinsamen Ausfahrt. «Ich habe via Funk Kontakt zu unserem Sicherheitsbeauftragten (SiBe), der das Schlusslicht bildet», erklärt er. So erfahre er unmittelbar, wenn es zu Zwischenfällen kommen würde. «Auf dem Rücksitz unseres SiBe fährt seine Tochter mit, die als medizinische Praxisassistentin erste Hilfe leisten kann.»
Auch OK-Präsident Hansueli alias «Hasi» fährt immer am Ende der Gruppe, um das Feld im Blick zu haben. Er ist stolz, dass in den vergangenen 17 Austragungen noch nie etwas passiert ist.

Teilnehmen an dieser Ausfahrt dürfen alle, auch Nichtmitglieder. «Auf unserer Website schreiben wir jeweils alle öffentlichen Rides aus», sagt er und freut sich, dass nebst altbekannten auch immer wieder neue Gesichter auszumachen seien.
Besonderes Erlebnis
Julia und Reto fahren bereits zum vierten Mal am Ramp Ride mit. «Es ist ein einmaliges Gefühl, mit so vielen anderen in einer Gruppe zu fahren», beschreibt Julia. «Die Leidenschaft fürs Töfffahren mit anderen zu teilen, ist schön.» Obschon die beiden sonst meist zu zweit unterwegs sind, schätzen sie die Abwechslung in der Gruppe.

Auch Dave und Kevin nehmen schon etwa zum vierten Mal teil. Sie sind regelmässig in Gruppen unterwegs. «Es macht Spass, einen Tag mit Gleichgesinnten zu verbringen», sagt Dave. Kevin schätzt die friedliche Stimmung. «Was für ein Fahrzeug du hast, spielt hier keine Rolle – Töff ist Töff.» Und fügt scherzend an: «Ausser Harleys, die werden natürlich bevorzugt behandelt.»

Die drei sind eingefleischte Harley-Fahrer. Das würden Insider schon am Outfit erkennen. «Leuchtweste und Vollhelm sind ein No-Go für Harley-Fahrer», weihen sie Aussenstehende augenzwinkernd ein. «Respekt jedoch ist ein ‹Muss›.»
Letzte Vorbereitungen vor dem Start
Inzwischen verschiebt sich die Gemeinschaft zu den Fahrzeugen. Erste Motoren brummen. Die fein säuberlich bereitgelegten Handschuhe werden übergestreift, Helme aufgesetzt, Riemen festgezurrt.









Die ersten Biker sitzen auf ihren Maschinen, drehen das Gas auf, warten ungeduldig, bis es losgeht. Spannung liegt in der Luft – und steht den Fahrerinnen und Fahrern ins Gesicht geschrieben.
Um punkt zehn Uhr brausen die ersten Bikes los. Geduldig reiht sich ein Fahrer nach dem andern ein. Die Karawane setzt sich gemächlich in Bewegung.
Tatsächlich – etwa fünf Minuten später ebbt das Heulen der Motoren ab, der Platz liegt verlassen und leer da. Die «Piraten» sind unterwegs zu ihrem Abenteuer.


