Meret Schneider erneut Zielscheibe von Hass auf Social Media
Shitstorm kennt keine Grenzen
Die Grünen-Politikerin aus Uster ist es gewohnt, auf Social Media einzustecken. Aber der Hass, der ihr seit Sonntag von Musk- und Trump-Anhängern entgegenschlägt, übertrifft alles, was Meret Schneider bisher erlebt hat.
Meret Schneider wird im Netz mit Hass überschüttet. Auslöser der Empörung war ein Artikel in der «SonntagsZeitung». Darin fordert die Grünen-Nationalrätin eine strengere Regulierung der sozialen Medien: Die Plattformen X, Facebook und Tiktok sollten wegen ihrer Bevorzugung von extremen Ansichten strikter kontrolliert werden – und in Ausnahmesituationen sogar gesperrt werden können. Bebildert wurde der Beitrag mit einem Porträt des Techgiganten Elon Musk und Meret Schneider (32).
Weit über 1000 Posts erreichten die Zürcherin seit Sonntag auf Social Media. Neu für sie ist, dass die meisten Kommentare auf Englisch verfasst sind, von Absendern aus den USA, glühenden Anhängern von Präsident Donald Trump und Elon Musk.
Meret Schneider sagt: «Bisher kamen die meisten Angriffe aus dem deutschsprachigen Raum, jetzt habe ich die US-Community gegen mich.» Sie spricht von einem «Trumpisten-Mob». Viele Kommentare seien mit den Hashtags «Make America Great Again», «Free Speech» oder «Elon Musk Will Save Us» gekennzeichnet.
Es ist nicht das erste Mal, dass Schneider mit Hassnachrichten konfrontiert wird. Bereits in der Vergangenheit wurde die Grünen-Politikerin auf Social Media heftig attackiert – oft, wenn sie sich zu Themen wie Klimaschutz, Feminismus oder Tierwohl äusserte. Doch der aktuelle Shitstorm übertrifft laut ihr alles, was sie bisher erlebt hat.
Roger Köppel als Auslöser
Wie kam es dazu? Meret Schneider geht davon aus, dass ein Post von Roger Köppel der Auslöser war. Der Herausgeber der «Weltwoche» hatte auf X, der von Musk kontrollierten Plattform, einen Screenshot des Artikels geladen, ihn mit dem Titel: «Meret Schneider: ‹Notfalls müsste X oder Tiktok gesperrt werden›» versehen und darunter die Bezeichnung «Super-Demokratin Meret Schneider» gesetzt.
«Köppel hat mich seinen Followern auf dem Silbertablett serviert», sagt Schneider, in «no time» sei sein Beitrag weit über tausendmal geteilt worden. Selbst in Russland habe er für Aufmerksamkeit gesorgt: «Zum Glück verstehe ich diese Hate-Comments nicht.»
Es begann mit anonymen Anrufen am Sonntagabend: «We will kill you, trust me», sagte eine männliche Stimme. Und legte auf. Wenig später die gleiche Drohung. Das Telefon läutete in der Folge im 5-Minuten-Takt.
«Man will mich mundtot machen»
Am Montag trafen nonstop Kommentare auf Social Media ein. Erst habe sie sich gesagt, das sei «nur ein weiterer Shitstorm, der vorüberzieht». Als dann die Flut an Hassbotschaften aus Amerika auf ihren X-Account strömten, habe sie aber schon leer geschluckt: «Das war eine ganz neue Dimension. Man will mich mundtot machen.»
Die Nationalrätin unterteilt die Kommentare in drei Kategorien: «Die erste Gruppe behauptet, ich befürworte Zensur und sei eine Gefahr für die Demokratie. Die zweite Gruppe beschimpft mich als Hitler, in Wort und Bild. Die dritte Gruppe schreibt: ‹You look like a skeleton.›» Die User kritisierten ihr Aussehen, stellten Fotos von Skeletten online, auf Instagram tauchten Fotos von gestapelten Auschwitz-Opfern auf. «Leichen zwischen meinen Blüemli-Posts!» Stunden habe sie damit verbracht, Fotos zu löschen.
Inhaltliche Kritik gabs kaum. Manche seien der Ansicht, Beleidigungen gehörten zur Meinungsfreiheit – wer damit nicht umgehen könne, habe in der Politik nichts zu suchen. «Aber», wendet sie ein, «Morddrohungen gehören nicht zur Meinungsfreiheit.» Ebenso wenig Vergewaltigungsandrohungen und primitive Bemerkungen wie: «She is unfuckable.» Mit Abstand die meisten Kommentare stammten von Männern. Und alle namenlos oder mit Fantasienamen wie «Dragon on Fire».
Sofort habe sie die Kommentarspalte deaktiviert. Auf Facebook können nur noch ihre Freunde schreiben. Auf X ist die Ausschaltung der Kommentarfunktion jedoch nicht möglich. Und Löschen der Beiträge bringe absolut nichts, genauso wenig wie Antwortgeben: «Auf keinen Fall befeuern, am besten ignorieren», weiss Schneider aus Erfahrung. Sie habe zwar die Morddrohungen auf X gemeldet, erwarte jedoch keine Reaktion.
Sie bleibt aktiv auf X
Die letzten zwei Tage haben sie erschüttert: «Was sind das für Menschen? Warum wollen mich so viele nach Strich und Faden fertigmachen?» Ein Rückzug aus den sozialen Medien komme jedoch nicht infrage: nicht zuletzt deshalb, weil sie die Entwicklung auf X verfolgen wolle, aber auch, weil sie das Feld nicht ganz «dem rechten Sumpf» überlassen wolle.
Schneider will ihre Erfahrungen politisch nutzen: Sie seien der beste Beweis dafür, dass es ein Gesetz zur Regulierung der Plattformen brauche sowie Kontaktstellen der Unternehmen in der Schweiz. Damit Aufruf zu Hass, Gewalt oder Drohungen einfacher gemeldet werden können.
Neben den Beleidigungen hat die Politikerin auch wieder Zuspruch erfahren. «Einige haben mir zu meinem Mut gratuliert, dass ich mich gegen die Trumpisten auflehne.» Eigentlich sei es ja ganz amüsant, dass man sie in den USA für so wichtig nehme: «Als ob ich Trumps oder Musks Macht bedrohen könnte!»