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Gesellschaft

Turbenthal droht Mobility-Standort zu verlieren

Der Motor schnurrt, das Geschäft holpert: Dem letzten Mobility-Carsharing Standort im Tösstal droht das Aus. Die Anbieterin will von einem Rückzug nichts wissen.

Alt Gemeinderat Heinz Schwyter gehört zu den Mobility-Nutzern der ersten Stunde.

Foto: Noah Salvetti

Turbenthal droht Mobility-Standort zu verlieren

Er kämpft dagegen an

Alt Gemeinderat Heinz Schwyter ist ein Carsharing-Nutzer der ersten Stunde. Er kämpft für den Erhalt des Mobility-Standorts in Turbenthal. Für ihn ist klar: Das Potenzial wäre vorhanden.

Digital, spontan und immer in der Nähe – mit diesem Slogan wirbt die Mobility Genossenschaft für ihre Leihautos. Oft sind sie an Bahnhöfen zu finden, gut erkennbar an ihrer leuchtend roten Lackierung – so auch in der Region.

In Turbenthal könnte damit aber bald Schluss sein: «Es ist uns nicht gelungen, den Standort Turbenthal Bahnhof positiv zu betreiben», heisst es in einer Nachricht, die die Mobility-Kunden Anfang Monat erhalten haben. Das Auto wird zu wenig genutzt.

Einer, der das Carsharing-Angebot praktisch seit Tag eins schätzt, ist der Turbenthaler alt Gemeinderat Heinz Schwyter. Er war bereits Mitglied bei einer der Vorgängerorganisationen von Mobility. «Ich besitze seit über 30 Jahren kein eigenes Auto mehr», erzählt Schwyter. Er findet: «Mobility ist eine super Ergänzung zum öffentlichen Verkehr.»

Dass dem einzigen verbleibenden Mobility-Standort im Tösstal nun dasselbe Schicksal blühen könnte wie dem Leihauto in Rikon, bedauert er. Der Standort in der Nachbargemeinde wurde 2020 abgeschafft. Zuvor hatte die Gemeinde Zell das Angebot während zweier Jahre finanziell unterstützt.

«Riesiges Potenzial»

Die Gründe, weshalb Mobility in Turbenthal zu wenig genutzt wird, liegen für Schwyter auf der Hand. «Wir müssen uns nichts vormachen, das Auto ist hier immer noch eine heilige Kuh.» Das sehe man nicht zuletzt in den Zügen der S11, die trotz direkter Verbindung nach Zürich oft nur schwach besetzt seien.

«Wenn wir nur mal schauen würden, wie viele der Autos in Turbenthal nur 10 oder 20 Prozent der Zeit genutzt werden», rechnet er vor, «wir hätten ein riesiges Potenzial für Carsharing, und nicht nur für ein Auto.» Für ihn ist aber auch klar: Allein die Gewissheit, ein eigenes Auto vor der Haustüre zu haben, in das man jederzeit einsteigen kann, «das ist den Leuten unglaublich viel wert».

Ein Leihauto steht auf einem Parkplatz an einem Bahnhof.
Die Gemeinde prüft mit Mobility eine Standort-Patenschaft, um das Angebot in Turbenthal zu erhalten.

Mobility schreibt auf Anfrage, man berücksichtige bei der Überprüfung der Standorte verschiedene Kriterien. Am wichtigsten ist dabei das Verhältnis von Einnahmen zu Ausgaben. «Wenn ein Fahrzeug über längere Zeit nicht kostendeckend ist, suchen wir einen Standort-Paten», sagt Sprecherin Stéphanie Gonzalez.

Diese Chance bleibt dem Turbenthaler Gemeinschaftsauto noch: Unternehmen, die Gemeinde oder Privatpersonen können sich finanziell am Angebot beteiligen und darauf aufmerksam machen. Der Betrieb liegt aber nach wie vor in den Händen der Genossenschaft.

Fokus auf Ballungszentren

Auf dieses Modell setzen gleich mehrere Gemeinden im Oberland, darunter Hinwil, Bubikon und Rüti. Dort stehen die Autos jeweils beim Gemeindehaus.

Nichtsdestotrotz: «Im Zürcher Oberland funktioniert Carsharing mit Mobility an den meisten Standorten selbsttragend», sagt Gonzalez. 50 Standorte mit 84 Autos hat der Anbieter in der Region, viele davon in Bahnhofsnähe.

Und doch drängt sich die Frage auf: Ist Mobility in ländlichen Gebieten auf dem Rückzug? Gonzalez verneint, der Anbieter sei in jeder vierten Schweizer Gemeinde vertreten. Zwar liegt der Fokus auf den Ballungszentren. «Gleichzeitig ist auch in ländlichen Gebieten ein wachsendes Bedürfnis für nachhaltige Mobilitätsformen auszumachen, damit das Privat- oder Zweitauto ersetzt werden kann.»

Heinz Schwyter will seinen Teil beitragen, damit das Auto in Turbenthal bleibt. Er hat einen Aufruf auf Facebook geteilt und die Gemeinde und den Gewerbeverein angefragt, ob eine Standort-Patenschaft denkbar wäre. Gemeindeschreiber Jürg Schenkel bestätigt das. Man befinde sich im Austausch mit Mobility. Er könne aber noch keine weiteren Details verraten.

Konkurrenz kooperiert mit Gemeinden

Eine etwas andere Strategie als Mobility verfolgt der Anbieter Sponti-Car aus Hombrechtikon: Er setzt vorwiegend auf eine Zusammenarbeit mit Gemeinden, aber auch mit Elektrizitätswerken und Hotels. Anders als bei Mobility liegt der Fokus auf ländlichen Standorten. «Dort fehlen häufig ausreichende Mobilitätsangebote, und die Distanzen sind oft zu gross, um allein auf den ÖV zu setzen», sagt Gründer Mark Ritzmann auf Anfrage.

Die Gemeinden erhalten die Mehrheit der Einnahmen, ein Teil geht an die Sponti-Car AG. In der Region gibt es das Angebot in Lindau, Russikon, Bauma und Wald. Die Standorte im Oberland hätten sich hervorragend etabliert und seien stark frequentiert, sagt Ritzmann. Und er schielt bereits nach Turbenthal: «Gerne würden wir auch den verschwindenden Standort kompensieren. Unsere Türen stehen offen, und die Gemeinde kann sich jederzeit bei uns melden.» (nos)

Sponit-Car in Bauma
Mehrere Gemeinden im Oberland – zum Beispiel Bauma – arbeiten mit dem Anbieter Sponti-Car zusammen. (Archiv)

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