Wieso Bauer Bieri keine Viehschau in Turbenthal auslässt
Wichtige Tradition
Die Viehschau in Neubrunn ist für Landwirt Silvio Bieri ein Fixpunkt im Kalender – und mit viel Aufwand verbunden. Trotzdem spielen die Resultate für den Seelmättler nur eine Nebenrolle.
Am letzten Samstag im Oktober ist Silvio Bieri immer verplant. Denn dann findet die traditionelle Turbenthaler Gemeindeviehschau in Neubrunn statt. «Für mich ist das ein Anlass mit grosser Tradition», erzählt der Turbenthaler Landwirt.
Vor zehn Jahren hat er zusammen mit seiner Frau Rahel den Seehof in Seelmatten von seinen Schwiegereltern übernommen. Und seither ist er mit seinen Tieren immer an der Viehschau dabei – so auch am letzten Samstag.
Die Neubrunner Ausgabe ist dabei nur eine von vielen Viehschauen in der Region. Die Veranstaltungen finden in der Regel im Herbst statt und sind für die Züchter ein wichtiger Gradmesser, um ihre Tiere von den kantonalen Expertinnen und Experten der Schaukommission bewerten zu lassen.
Für die teilnehmenden Bauern ist das jeweils ein anstrengender Tag. Im Fall von Silvio Bieri heisst das: Bereits um vier Uhr in der Früh stand er im Stall. «Damit wir genügend Zeit haben, alle Kühe zu melken», erklärt der Landwirt.
Im Anschluss wurden die 20 Viehschau-Teilnehmerinnen mit Wasser und Bürste geputzt. Unterstützung gibt es jeweils von vier Kollegen aus dem Schwingklub. Kaum waren die Tiere bereit, ging es mit dem Viehtransporter los nach Neubrunn.
Trubel im Ring
Denn auch wenn Seelmatten nur gut zwei Kilometer vom Austragungsort weg ist, wollte Bieri die Strecke nicht zu Fuss mit seinen Tieren zurücklegen. «Im Herbst hat es oft Nebel, auf der 80er-Strecke ist das viel zu gefährlich.» Mehrmals müssen er und seine Helfer deshalb hin- und herfahren.
Das gibt viel zu tun, denn bereits um halb zehn beginnt die Viehschau. Dann sollten auf der grossen Wiese in Neubrunn alle parat sein. Eigentlich. «Heute haben wir es mit zehn Minuten Verspätung geschafft», erzählt Bieri. Das liegt auch daran, dass er heuer so viele Tiere mitgenommen hat.
Zu spät ist er aber trotzdem nicht, die offizielle Eröffnung der Viehschau ist erst gegen Viertel vor zehn. Dann beginnt der Trubel. Die Tiere von insgesamt fünf Betrieben aus der Umgebung werden in Abteilungen getrennt in den Ring geführt.

Die Trennung beruht darauf, wie oft eine Kuh bereits gekalbt hat und wie oft sie so schon Milch produziert hat – in der Fachsprache Laktation genannt. Braunvieh, wie aus dem Stall von Bieri, und die gefleckten Holsteiner werden ausserdem gesondert beurteilt.
Weil Bieri pro Abteilung mehrere Tiere antreten lässt, sind auch seine Helfer gefordert. Vor allem bei den jüngeren Kühen ist das Ganze kein einfaches Unterfangen. Sie sind noch unruhig, lassen sich nicht so einfach am Halfter führen – oder bleiben einfach stehen.



«Sie sind sich das halt noch nicht so gewöhnt», erklärt Bieri gelassen. «Auch ältere Kühe haben manchmal ihren eigenen Kopf und nicht immer den besten Tag – wie wir Menschen.»
Sind die Tiere einmal im Ring, müssen sie sich den strengen Augen von Roman Auer stellen. Der Landwirt aus Wetzikon ist selber Braunviehzüchter und Teil der Zürcher Schaukommission. Sie ist vom Regierungsrat gewählt, und ihre Mitglieder sind unter anderem für die Beurteilung und Prämierung von Zuchttieren zuständig.


Hat der Experte seine Meinung gemacht, greift er zum Mikrofon. So etwa bei den Tieren der zweiten Laktation.
«Die Siegerin war für mich sofort klar», sagt Auer. «Sie hat eine breite Brust, ein breites Becken und ein gutes Fundament», lobt er. Es ist Eila aus dem Stall von Familie Bieri. Sofort huscht ein Lächeln auf die Lippen des Züchters. Auch bei den Tieren der vierten Laktation schafft es eine Kuh aus seinem Stall auf den ersten Platz.
78’449 Kilo Milch
Einer weiteren seiner Kühe kam eine besondere Ehre zuteil – nicht wegen ihres Euters oder dem guten Körperbau, sondern wegen der Milch.

Denn auch die Kuh mit der bisher grössten Lebensleistung, also den produzierten Kilogramm Milch, wird an der Viehschau in Neubrunn ausgezeichnet. Das ist in diesem Jahr Bieris Elia.
Anfang November wird sie 14 Jahre alt. Bis zum Stichtag hat sie 78’449 Kilogramm Milch gegeben, die Daten müssen die Besitzer jeweils vorgängig bei den Organisatoren einreichen.
Elia ist bereits in ihrer zehnten Laktation. «Leider geht sie nicht mehr ganz so gut», sagt Bieri mit etwas Bedauern. Trotzdem scheint er mächtig stolz auf sein Tier zu sein, das er nur für diese Auszeichnung an die Viehschau mitgenommen hat.
Milch wichtiger als Schönheit
Die beiden Vertreter der Schaukommission beurteilen im Anschluss die Siegerinnen der Abteilungen nochmals: Und zwar für die Wahl des schönsten Euters, aufgeteilt nach Alter, und für die Wahl der Miss Neubrunn.
Bieris Kuh Sophie kann dabei beim Titel Schöneuter Ältere auftrumpfen, und sie schafft es zur Vize-Miss, gefolgt von Elia auf dem dritten Platz.
Sie müssen sich dabei nur von Lely aus dem Stall von Jolanda Schweizer geschlagen geben, die zum zweiten Mal in Folge zur Miss Neubrunn beim Braunvieh gekürt wurde. Kaum ist das Resultat bekannt, gratuliert Bieri der Züchterin sofort per Handschlag.


Was bedeuten ihm die Resultate überhaupt? «Klar hat man Freude, wenn man gewinnt oder eine Miss hat oder eine Kuh mit dem schönsten Euter», sagt er.
Ein richtiger Konkurrenzkampf zwischen den Bauern gibt es jedoch nicht. «Wir können alle am Ende noch zusammen am Tisch sitzen und ein Bier trinken.» Ein finanzieller Profit hat am Schluss niemand. Preisgelder gibt es in Neubrunn keine – nur hübsche Wanderpokale.
Kein Tricksen für die Viehschau
Denn auch wenn dem Seelmättler die Viehschau wichtig ist, ist sie doch nur ein Tag von vielen. «Übers Jahr gesehen ist mir die Milch wichtiger als das Aussehen», betont er.
Auf Bieris Hof leben insgesamt 37 Kühe, deren Milch vor allem für die Käseproduktion Verwendung findet. Da ist der richtige Eiweissgehalt entscheidend. Zudem stellt die Familie auf dem Seehof auch Pastmilch und Joghurt her, die unter anderem im eigenen Hofladen verkauft werden.




«Am Ende des Tags verdienen wir unser Geld mit der Milch und nicht damit, dass die Tiere schön aussehen.» Und so melkt er seine Tiere auch am Tag der Viehschau normal. Von der Praxis, nicht die ganze Milch zu nehmen oder das Euter sogar zu verkleben, damit es prall aussieht, hält er gar nichts.
«Ich kann das nicht vertreten», betont Bieri. «Da plagt man doch einfach die Tiere.» Auch für die anderen Züchter, die in Neubrunn ihre Tiere präsentieren, legt er die Hand ins Feuer: «Bei uns macht das niemand.»
Und so wird es Bauer Bieri auch an der nächsten Viehschau in Neubrunn in einem Jahr handhaben. Der Termin ist in der Agenda bereits markiert.
Nur etwas will er dann allenfalls anders machen: «20 Kühe mit dem Viehtransporter hierherzufahren, ist einfach sehr aufwendig», sagt er. «Vielleicht gehen wir dann doch zu Fuss.» Nicht etwa über die stark befahrene St. Gallerstrasse – sondern über den Veloweg.