Seltene Pflanzen spriessen wieder im Wildert in Illnau
Erfolg für die Natur
Das Naturschutzgebiet Wildert in Illnau-Effretikon hat sich nach einer Aufwertung gut erholt. Gefährdete Pflanzenarten erblickten erstaunlich schnell wieder Tageslicht.
Der Duft von Thymian und Oregano liegt in der Luft. Überall wachsen grüne Pflanzen mit weissen, rosa und gelben Blüten. Alle paar Meter lässt sich eine andere Gattung finden.
All dies kann beim Vorbeilaufen leicht übersehen werden. Für passierende Spaziergänger, Jogger und Velofahrende dürften die Grünflächen des Naturschutzgebiets Wildert in Illnau-Effretikon nicht mehr als gewöhnliche Wiesen sein. Jedoch strotzt heute das Wildert mit einer Vielfalt von Pflanzen und Tieren, das war nicht immer so.
Über Jahrzehnte verschwanden in Teilen des Moorgebiets seltene Tiere und Pflanzen, weshalb der Kanton schliesslich das Gebiet aufwertete. Nach Abschluss der Arbeiten vor einem Jahr zeigt sich nun, welche seltenen Pflanzenarten eine Überlebenschance haben.
Ein Spaziergang durch das Wildert mit Barbara Leuthold, Naturschutzbeauftragte, und Sebastian Nagelmüller, Projektleiter der Fachstelle Naturschutz, gibt Aufschluss über die Entwicklung des Moors und wo die Natur noch seine Zeit benötigt. Doch alles von vorne.
Überwuchert statt bunt
Vor zwei Jahren dominierte noch dichtes Gras die trockenen Bereiche im Moorgebiet von nationaler Bedeutung. Im 15 Hektaren grossen Wildert wertete schliesslich der Kanton in Zusammenarbeit mit Pro Natura 2,8 Hektaren auf, was einer Fläche von vier Fussballfeldern entspricht. Die Kosten beliefen sich auf 1,7 Millionen Franken.
Die oberste Schicht des Bodens war zu trocken und nährstoffreich, demzufolge wuchs hauptsächlich Gras. Dieses schoss mit einer hohen Geschwindigkeit in die Höhe und benötigte viel Platz. Seltene Moorpflanzen hatten kaum Überlebenschancen, da sie einen nährstoffarmen Boden mit viel Licht benötigten.
Die Massnahmen
Im Herbst 2022 und 2023 fuhren schliesslich Bagger auf. Diese arbeiteten sich auf sogenannten Baggermatratzen – grossen Holzbalken – durch das Moor, was den Boden am wenigsten belastet. 20 bis 30 Zentimeter Erde trugen die Bagger mit ihren Schaufeln ab. Vereinzelt gruben sie auch Mulden, damit kleinere Teiche entstehen konnten.
«Zudem verteilten wir praktisch überall im Wildert Schnittgut aus anderen Naturschutzgebieten der Region», erklärt Projektleiter Nagelmüller. Im Schnittgut befanden sich Samen seltener Arten, die sich im Naturschutzgebiet in Illnau-Effretikon wieder ansiedeln sollten. «Nun hatten die Moorpflanzen ideale Voraussetzungen, um zu überleben.»
Das Naturschutzgebiet Wildert entstand, wie andere Moore auch, nach der letzten Eiszeit vor gut 12'000 Jahren.
Erst bildeten sich in den Gebieten Seen, die mit der Zeit verlandeten. Die entstandenen Moore gerieten schliesslich in den Fokus des Torfabbaus.
Torf diente im Zweiten Weltkrieg als Brennstoff, allerdings nur in trockenem Zustand, weshalb Gräben und Rinnen durch das Moor gestochen wurden. Über Jahrzehnte versickerte das Wasser, das Moor trocknete in der obersten Erdschicht grossflächig aus.
Tiere und Pflanzen verloren ihren Lebensraum. Nun versuchte man durch die Aufwertung, den ursprünglichen Zustand des Wildert wiederherzustellen und die Vielfalt von Flora und Fauna zu fördern. (jgu)
Mehr Pflanzen und Tiere
Auf dem Spaziergang durch das Wildert entdeckt Leuthold gleich mehrere Pflanzen, die sich erfolgreich durch das verteilte Schnittgut oder gesammelte Samen wieder ansiedelten – darunter der Gemeine Natterkopf, die Weisse Schnabelbinse, der Thymian, die Wilde Möhre.
Gänzlich überrascht wurden die Experten vom Wilden Reis, der gewöhnlichen Grashalmen ähnelt, und dem Schwarzbraunen Zypergras. Deren Samen verteilten die Naturbeauftragten nicht von Hand. Die Pflanzen wachsen nur deshalb wieder, weil die Samen im Torf über Jahrzehnte überlebten oder auf andere Weise ins Wildert gelangten.
Die pflanzliche Vielfalt erfreut auch die Tiere, den Lebensraum bevölkern heute diverse Insekten. Darüber hinaus wohnen der selten gesehene Laubfrosch, die Gemeine Heideschnecke und die Ringelnatter im Wildert. Für Zugvögel dient das Naturschutzgebiet als Rastplatz. «Hier können sie Energie tanken, bevor sie sich wieder auf die Reise machen», sagt Leuthold.
Ohne Unterstützung gehts nicht
Die Experten beobachten die Entwicklung des Wildert mit grosser Freude. «Wir sind sehr zufrieden mit der Aufwertung», sagt Nagelmüller. Gerade in den etwas trockeneren Randbereichen regenerierte sich die Natur besonders schnell, da der Boden nach dem Bodenabtrag feuchter wurde.
Trotzdem gibt es Teile, die ihnen noch Sorgen bereiten. «An einigen Stellen breiten sich unerwünschte Pflanzen aus», sagt Leuthold. Die Fachleute müssen deshalb einen Mehraufwand betreiben.
Das Moor mähen sie jeweils im September, erklärt Leuthold. «Würden wir das nicht tun, würde das Wildert verbuschen und langfristig zu Wald werden.» Durch das Mähen gelangt wieder viel Licht auf den Boden, Nährstoffe werden ausgetragen und somit seltene Pflanzen gefördert.
In den nächsten Jahren wird die Fachstelle Naturschutz die aufgewerteten Flächen weiterhin beobachten und pflegen, bis sich die gewünschte Vegetation vollständig etabliert hat. Danach wird das Mähen im Herbst für den Erhalt des Gebiets ausreichen, weitere Eingriffe in die Natur sind nicht mehr nötig.