Kirchenpflege liess Bänke ohne Bewilligung aus Gotteshaus reissen
Frevel in der Kirche Kyburg
Geschützte Kirchenbänke temporär entfernen: kein Problem für die Kirchenpflege Illnau-Effretikon. Ein Baugesuch? Unnötig. Ganz anders sieht es die kantonale Baudirektion.
Autor: Patrick Gut
Wer heute die reformierte Kirche in Kyburg besucht, wähnt sich auf einer Baustelle. Im Kircheninnern befindet sich ein Baugerüst, ein Teil der historischen Innenausstattung ist entfernt. Darunter einige Kirchenbänke, der Pfarrstuhl, der aus dem 18. Jahrhundert stammt, und anderes mehr.
An der Eingangstür weist die Kirchenpflege mit einem Zettel darauf hin, dass die Gemeinde Illnau-Effretikon einen Baustopp verfügt habe. Aus diesem Grund könne mit den Arbeiten momentan nicht fortgefahren werden.

Vom Treiben in der Kirche Kyburg hat auch die kantonale Baudirektion erfahren. «Mehrere besorgte Bürgerinnen und Bürger haben uns jüngst gemeldet, dass Kirchenbänke herausgerissen worden sind», sagt Markus Pfanner, Mediensprecher der Baudirektion.
Seltene Innenausstattung
Ein Augenschein vor Ort hat die Befürchtungen bestätigt. «Teile der Innenausstattung wurden unsachgemäss demontiert und dabei beschädigt», sagt Pfanner. Dann habe man sie im Waschhäuschen eingelagert.
Nun muss man wissen: Die reformierte Kirche Kyburg hat eine sehr lange Baugeschichte. Ihre Mauern sind 700 Jahre alt. Die Innenausstattung mit Pfarrstuhl, Bänken, Wandtäfer und Sitzen, die aufgrund ihrer Form als Krebsstühle bezeichnet werden, ist laut Baudirektion äusserst vielfältig und stammt aus unterschiedlichen Epochen.

Sie zeigt in besonderer Weise die lange Geschichte der Kirche und ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Kirche unter Denkmalschutz steht. «Die Kirchenpflege hat Teile der Innenausstattung ohne Bewilligung entfernt», sagt Pfanner.
Denkmalpflege sagte Nein
Hört man dem Sprecher der Baudirektion zu, geschah das völlig bewusst. Die Kirchgemeinde habe nämlich Ende 2022 mit der kantonalen Denkmalpflege Kontakt aufgenommen. «Sie wollte abklären, ob die weitgehende Entfernung der Bänke und anderer Ausstattungselemente möglich sei», sagt Pfanner.
Die Denkmalpflege sei zum Schluss gekommen, dass die Innenausstattung von besonderem Wert und deshalb zu erhalten sei. Vergleichbare Ausstattungen seien sehr selten. Damit kam die Denkmalpflege zum selben Resultat wie die kantonale Denkmalpflegekommission Anfang der 1980er Jahre. Damals war ein möglicher Ersatz der Innenausstattung schon einmal Thema.
Das habe man der Kirchenpflege mitgeteilt und gleichzeitig eine detailliertere planerische Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Kirche angeregt. Man habe die Kirchgemeinde ausserdem auf den Vertrag zwischen ihr und dem Kanton hingewiesen. «Dieser besagt unmissverständlich, dass keine baulichen Änderungen im Inneren und am Äusseren der Kirche ohne vorgängige Zustimmung des Kantons vorgenommen werden dürfen», sagt Pfanner. Es scheint, dass sich die Kirchenpflege um eine klare Anweisung foutiert hat.
Umgestaltung nur temporär
Anders sieht das Kilian Meier. Er ist Finanzvorstand in der Kirchenpflege und für dieses Geschäft als Auskunftsperson des Gremiums bestimmt. Die Kirchenpflege habe am 20. Februar dieses Jahrs beschlossen, die Kirche Kyburg im Rahmen des Projekts «Kirche am Weg» temporär umzugestalten. Die Kirche Kyburg soll dadurch laut Meier zu einem Ort werden, an dem Menschen zur Ruhe kommen und durch verschiedene Formen der Meditation eine zeitgemässe kontemplative Spiritualität erleben können.
Wichtig ist hier das Wort «temporär». «Da es sich um temporäre Umgestaltungen bei Erhalt des kirchlichen Zwecks handelt, haben wir kein Baugesuch gestellt», sagt Meier und weiter: «Es war und ist nicht Absicht der Kirchenpflege, gegen geltendes Recht zu verstossen.»
Meier bestätigt zwar den Kontakt mit der Denkmalpflege, sagt aber, dabei sei es um eine mögliche dauerhafte Umnutzung inklusive Entfernung und Einlagerung der Bänke gegangen. Zurzeit bestünden keine derartigen Pläne. «Eine eigentliche Prüfung oder ein Entscheid der Denkmalpflege liegen der Kirchenpflege nicht vor.»
Baudirektion prüft Strafanzeige
Meier verwahrt sich auch gegen den Vorwurf des Kantons, die Ausstattung sei unsachgemäss entfernt und beschädigt worden. Die Kirchgemeinde habe ganz im Gegenteil Fachleute beauftragt. Pfanner von der Baudirektion sagt dagegen: «Was die Denkmalpflege angetroffen hat, ist keinesfalls eine sorgfältige Demontage und Einlagerung für den späteren Wiedereinbau.» Dazu müssten zum Beispiel Massnahmen getroffen werden, um die Verformung der ausgebauten Elemente zu verhindern.
Und Pfanner bleibt dabei: «Die entfernten Elemente waren fest mit dem Gebäude verbunden. Es handelt sich also eindeutig um eine bauliche Veränderung, unabhängig davon, ob diese nun temporär stattfinden soll oder definitiv. Und dazu lag und liegt keine Zustimmung vor.» Die Kirchenpflege habe keinen formalen Entscheid, sondern lediglich eine erste Einschätzung verlangt. Diese sei negativ ausgefallen.
Laut Pfanner wäre die Kirchenpflege in der Pflicht gewesen, zwingend eine Zustimmung und eine Baubewilligung einzuholen. Das habe sie nicht getan. «Die Baudirektion prüft derzeit, ob sie Strafanzeige erstatten will.»