Hier will der Kanton künftig seinen Abfall vergraben
Neue Deponien im Kanton
Der Regierungsrat erweitert seine umstrittenen Deponiepläne um 23 neue Standorte im ganzen Kanton. Der Widerstand der Bevölkerung in den letzten Jahren blieb wirkungslos – auch der in der Region.
Baudirektor Martin Neukom (Grüne) ist Gegenwind gewohnt. Bei seinen Plänen für Windräder, Abstellgleise oder Abfalldeponien gab es stets Widerstand von Gemeinden und den dortigen Bewohnerinnen und Bewohnern.
Dass die nicht recycelbaren Überreste unserer Abfälle irgendwo entsorgt werden müssen, ist unbestritten. «Aber nicht bei uns», heisst es jeweils in den betroffenen Gebieten. So erzwangen zwei Zürcher Oberländer Gemeinden mit ihrem Protest gegen eine geplante Deponie im Waldstück Tägernauer Holz vor Bundesgericht, dass der Kanton seine Deponieplanung nochmals abklären musste.
Am Freitag hat Martin Neukom nun die sogenannte «Gesamtschau Deponien» präsentiert und gezeigt, wo der Kanton Zürich künftig seinen Abfall langfristig lagern will.
Die kurze Antwort: überall im Kanton. Insgesamt 33 Gebiete sind vorgesehen, auf Wiesen, in Wäldern und alten Deponien. 10 existieren schon, im Unterland, im Weinland, im Säuliamt und im Oberland. Dass allerdings 23 neue Gebiete dazukommen, hat wohl kaum jemand erwartet.
Nur zwei bisher vorgesehene Standorte in den Säuliämtler Gemeinden Maschwanden und Obfelden sollen nun doch keine Deponien bekommen. Dies wegen neuer Gewässerschutzvorschriften. Alle anderen geplanten Lagerstätten bleiben.
Dieser Entscheid dürfte insbesondere in den Gemeinden Gossau und Grüningen viele enttäuschen. Während Jahren gab es im Gebiet Proteste. Der Gossauer Gemeindepräsident und Kantonsrat Jörg Kündig (FDP) sagt zum Entscheid: «Wir sind enttäuscht, aber nicht überrascht.»
Kündig bezeichnet das Verfahren als «Alibiübung» für die beiden Gossauer Standorte, das Ergebnis sei von vornherein klar gewesen. «Ich habe diese Befürchtung mehrfach geäussert und sehe mich nun bestätigt.» Für Kündig ist klar: «Wir werden gegen Gestaltungsplan und Rodungsbewilligung für die Deponie Tägernauer Holz alle möglichen Rechtsmittel ergreifen.»
Auch die erweiterte Deponie in Rümlang bleibt. Das Waldstück wurde im vergangenen Jahr von Klimaaktivistinnen besetzt, weil darin schützenswerte Tier- und Pflanzenarten leben und – wie in Gossau – Tausende Bäume gefällt werden müssen.
Dennoch überwogen für den Kanton die Vorteile der guten Geologie, der Erschliessbarkeit und des Abstands zum Siedlungsgebiet. Immerhin will der Kanton im Fall von Rümlang etwas weniger Bäume fällen als bisher geplant.

Die Menschen in Gossau und Rümlang sind nicht allein: Fast jede sogenannte Planungsregion im Kanton Zürich bekommt mindestens eine neue Deponie.
«Es wäre das falsche Signal, dass jene belohnt werden, die Widerstand leisten», sagt Neukom. Man habe die insgesamt fast 400 Standorte im Kanton sauber evaluiert und sei am Ende bei diesen 33 gelandet. Sie seien objektiv die besten Standorte.

Der Kanton mache die Richtplaneinträge zwar «auf Vorrat», wolle aber nur jene Deponien nutzen, die aufgrund der Abfallplanung wirklich gebraucht würden, sagte Neukom. «Wir wollen die Lasten gleichmässig über den Kanton verteilen, und wir werden nie alle Deponien gleichzeitig betreiben.»
«Deponien sind sicher»
Der Abfall soll zudem möglichst in der Nähe der Recyclingbetriebe und der Kehrichtverwertungsanlagen entsorgt werden, um die Zahl der Lastwagenfahrten tief zu halten.
Die Deponien im Kanton sind für verschiedene Kategorien von Restabfällen vorgesehen. So wird einfacher Erdaushub (Typ A), der zum Beispiel bei Neubauten auf der grünen Wiese anfällt, an verschiedenen Orten im Kanton kurzfristig eingelagert.
Für alle anderen Deponien braucht es günstige geologische Bedingungen: So dürfen Deponien des Typs B nicht in der Nähe von Grundwasser liegen. Dort wird etwa ungefährliches Aushub- und Abbruchmaterial von Baustellen entsorgt.
Die Deponien der Typen C, D und E brauchen zusätzlich dichten Untergrund und werden zudem mit einer Schutzhülle gegen Wassereinbrüche geschützt, weil dort die giftigeren Stoffe gelagert werden. Neukom betont: «Unsere Deponien sind sicher.»
Zu den Stoffen in der letztgenannten Kategorie gehören die Überreste von Industriebaustellen, die allerdings durch sogenannte Bodenwaschanlagen gereinigt wurden. Dazu kommen die Überreste aus der Müllverbrennung sowie stark belastetes Industrie- und Baustellenmaterial. Von diesen Deponien braucht es im Zeitraum von vierzig Jahren etwa sieben Standorte im Kanton.

Bis eine Deponie in Betrieb gehen kann, dauert es mindestens fünf oder wohl eher zehn Jahre. Schliesslich kann man sowohl gegen Richtplaneinträge und später gegen die Gestaltungspläne Einsprache erheben, wie im Fall Gossau bereits angekündigt. Wohl auch deshalb plant der Kanton die Deponien für die nächsten vierzig Jahre.
Abfallmenge sinkt
Der Kanton rechnet damit, dass in den nächsten vierzig Jahren ungefähr siebzehn Deponien gleichzeitig in Betrieb sein werden.
Denn: Noch hinterlässt jede Zürcherin und jeder Zürcher etwa 500 Kilogramm Hauskehricht im Jahr, samt Altpapier und Glas. Dazu 300 Kilo Sonderabfall und 60 Kilo Klärschlamm. Der grösste Posten, etwa 1500 Kilogramm Bauabfälle pro Kopf, kommt noch dazu.
Von den rund 2,3 Tonnen enden pro Kopf und Jahr 600 bis 700 Kilogramm Abfall in den Deponien, weil sie nicht weiter verwertet werden können. Der Kanton versucht zwar, diese Menge und vor allem den Anteil der schwer belasteten Stoffe zu verringern, dennoch braucht es künftig auch aufgrund der Bautätigkeit und des Bevölkerungswachstums neue Deponiestandorte. «Je weniger wir brauchen, desto besser» sagte Neukom.
Zwei Deponien in Gossau
Der Regierungsrat rechnet bereits mit weiterem Widerstand und plant wohl auch deshalb Besichtigungen von bestehenden Deponien für die Bevölkerung. Zudem hat er zu jedem Deponiestandort alle Kriterien im kantonalen Karten-Tool aufgeschaltet.
Um die Gemeinden zu besänftigen, verspricht Baudirektor Neukom, dass zeitgleich pro Planungsregion und Typ nur eine Deponie in Betrieb sein darf. Gossaus Gemeindepräsident Jörg Kündig hält dies allerdings auch mit dem Verweis auf das Wort Typ für eine irreführende Aussage: In seiner Gemeinde gibt es zwei Deponien – je eine von Typ B und D.
Einen gleichzeitigen Betrieb wollte Neukom an der Medienkonferenz nicht ausschliessen. Er sagte: «Das wäre theoretisch möglich.»