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Gesellschaft

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen

Unsere Redaktorin hat sich in der Werkstatt von René Burri in Wila als Glasbläserin versucht – mit mässigem Erfolg.

Redaktorin Annabarbara Gysel versucht, selber eine Glaskugel zu blasen. Ob das wirklich klappt?

Foto: Simon Grässle

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen

Selbstversuch

Glas zu blasen, will gelernt sein. Wie viel es aber braucht, um eine schöne runde Kugel herzustellen, hat unsere Redaktorin in der Glasbläserei von René Burri in Wila selber erfahren.

«Kommen Sie, versuchen Sie es.» – Diese Worte von Glasbläser René Burri lösen bei mir gleichzeitig Entzücken, Schreck und Begeisterung aus. Glas finde ich ein faszinierendes Material. Selber einmal damit zu arbeiten, hätte ich mir aber in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt.

Der Auftrag: eine grosse Christbaumkugel herstellen. Und mein Lehrmeister zeigt sogleich, wie das geht: Das Glasröhrchen in die Flamme halten und es unter gleichmässigem Drehen erhitzen. Dann das Röhrchen an die Lippen setzen, reinblasen und es gleichzeitig weiterdrehen.

Gesagt, getan. Das Erhitzen klappt noch erstaunlich gut, beim Blasen fangen dann aber die Schwierigkeiten an. Ich puste und drehe – doch das Gebilde am Röhrchenende wird immer unförmiger. «Sie müssen stärker blasen», erklärt Burri. Doch das hilft nicht mehr, das Glas ist schon zu fest abgekühlt.

Der zweite Versuch ist schon vielversprechender. Ich drehe das Glasröhrchen regelmässiger, die Kugel wird schön rund und gross. Doch dann passiert das Unglück. Mit übermässigem Elan und der Anweisung im Hinterkopf, genug stark zu blasen, übertreibe ich es. «Das war zu viel», meint Burri.

All meine Hoffnungen zerschlagen sich, als er mit einem Metallstab mein Werk anstupst – es zerfällt in 1000 Splitter. Und mit ihm auch mein Stolz. Dass meine erste Kugel ganz geblieben ist, ist ein schwacher Trost.

Geknickt betrachte ich, wie sie sich auf der Werkbank direkt neben Burris Vorlage präsentiert. Seine: gleichmässig rund und formvollendet, meine: ein unförmiges Etwas. Doch wie heisst es so schön: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Das hat sich mal wieder gezeigt.

«Ihre Kugel ist etwas Spezielles, sie hat Charakter», versucht Burri mich aufzumuntern. Und es hilft sogar ein bisschen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich meine Kugel auch für mich als etwas Besonderes: Ihre Verformung erinnert vage an das Haus einer exotischen Wasserschnecke.

René Burri in seiner Glasbläserei in Wila.
Kritischer Blick: Die Kugel hat wenig von einer klassischen Christbaumkugel.

Dieser Gedanke gefällt mir. Meine selbst geblasene Schnecke. Sie kommt nächste Weihnachten auf jeden Fall an den Weihnachtsbaum – als Kugel mit Charakter.

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Ihr Michael Kaspar, Chefredaktor

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