Manche essen gleich zweimal am Tag Schüblig
Die regionale Wurst schlechthin
Es ist ein kulinarischer Brauch, der in der Stadt Zürich verwurzelt ist. Zelebriert wird er aber nur im Oberland. Für das Restaurant zur Mühle in Mönchaltorf ist der Schübligziischtig ein besonderer Tag.
Schon vor dem Mittag ist das Restaurant zur Mühle in Mönchaltorf mehr als halb voll – und damit vor Ankunft der Stammgäste, die jeweils um Punkt 12 Uhr zum Mittagessen erscheinen. Die meisten Plätze wurden bereits im Voraus reserviert, doch viele Gäste kommen auch spontan.
Vor allem Arbeiter sitzen hier an den Tischen und warten in ihrer wohlverdienten Mittagspause auf das, nach dem es im Raum zünftig duftet – den Schüblig. Oder gleich mehrere. Denn auch hier wird der Brauch, am Dienstag vor dem Aschermittwoch hauptsächlich Würste zu sich zu nehmen, ausgiebig gelebt. Es ist Schübligziischtig.
Die Wirtin hat noch nicht genug
Bewirtet werden die Gäste im Restaurant von Melanie Hubacher. Sie ist seit 2018 Pächterin der Gastwirtschaft und hat ihr gesamtes Berufsleben in der Gastronomie verbracht. «Eigentlich wollte ich Köchin werden, doch ich fand damals gerade keine Stelle.» Deshalb absolvierte sie ihre Ausbildung im Servicebereich. Sie wusste schon früh, dass die Gastronomie ihre Passion ist.
«Wirten ist in den letzten Jahren nicht einfacher geworden, doch ich habe die Leidenschaft und den Willen, Traditionen wie den Schübligziischtig am Leben zu erhalten», sagt Hubacher. Das zahlt sich offenbar aus. Zudem könne sie sich auf ihre treue Stammkundschaft verlassen.
Momentan führt die 33-Jährige die Beiz mit zwölf Tischen im Innenbereich und elf in der Gartenwirtschaft gemeinsam mit einem Koch, einer Küchenaushilfe und einer Servicekraft. Sie selbst packt auch überall mit an.
«Obwohl ich den Festtag nun schon einige Jahre zelebriere, habe ich noch nicht die Nase voll vom Schüblig und schlage selbst kräftig zu», meint Hubacher schmunzelnd. Aufgewachsen in der Stadt Zürich, lernte sie die Tradition nämlich erst während ihrer Ausbildung im Oberland kennen. Hier sei ihr auch bewusst geworden, wie wichtig es sei, gastronomische Traditionen wie die Metzgete, die Wildsaison und eben den Schübligziischtig zu pflegen.
Drei Drittel pro Person
Für den diesjährigen Schübligziischtig hat die Wirtin drei verschiedene Sorten an Schüblig eingekauft. «Wir servieren einen Schüblig mit Chili, einen grünen Schüblig mit Kräutern und einen sogenannten Bassersdorfer, der sich durch seine schwarze Haut auszeichnet und dem Cervelat ähnlich ist.» Insgesamt hat sie bei der Metzgerei Aeschlimann aus Madetswil bei Russikon pro Sorte 20 grosse Würste eingekauft.
Das ergibt 60 Würste, die der Koch pro Teller je drittelt, damit jeder Gast durch das «Dreierlei» in den Genuss jeder einzelnen Sorte kommt. Ein solcher Teller samt einer grosszügigen Portion hausgemachtem Kartoffelsalat kostet Fr. 20.50.
«Die Rückmeldungen der Gäste waren schon in den letzten Jahren sehr positiv, was wir auch daran erkennen, dass viele Gäste gerne wieder zu uns kommen», sagt Hubacher. Aber auch der E-Mail-Versand des einmaligen Menüs an die Stammgäste dürfte zusätzlich für einen kleinen Ansturm gesorgt haben.
Der Könner im Hintergrund
Ohne ihn ginge am Schübligziischtig gar nichts: Koch Ueli Billeter mit seinen 42 Jahren Berufserfahrung. Er kennt die Tücken beim Schüblig-Kochen genau. «Grundsätzlich muss das Wasser bei 80 Grad simmern, damit die Würste zwar gar, aber doch noch nicht aus der Haut geplatzt sind.»
Beim grünen Schüblig sei allerdings Vorsicht geboten, da diese Sorte wohl lediglich eine Wassertemperatur von 75 Grad vertrage. «Bei dieser Sorte ist mein Erfahrungsschatz noch nicht so gross», gibt der 63-Jährige lächelnd zu.
Trotzdem sei der Aufwand beim Zubereiten verhältnismässig gering. Grösseren betreibt er hingegen für den Kartoffelsalat, den er natürlich selbst zubereitet. «Der Schüblig braucht nur Wasser und etwas Geduld, gepaart mit Timing. Ein Kartoffelsalat wie der unsere will gut vorbereitet sein.»
Er achte genau darauf, dass er qualitativ hochwertige Kartoffeln einkaufe. Dann beginnt das Kochen und danach der Schälprozess. «Unsere Mühen lohnen sich», sagt der Koch, während die Servicekraft gerade in die Küche stürmt, um Nachschub zu holen. Sie meint: «Dein Kartoffelsalat ist der Hammer. Das lassen dir die Gäste ausrichten.»
Besser als Valentinstag
Zurück im Gästesaal resümieren zwei Schüblig-Esser das Mahl in ehrlicher Manier: «Zwei sind sehr gut, der dunklere Bassersdorfer ist allerdings weniger meine Sache, was nicht heissen will, dass er nicht lecker ist.» Aber der Schüblig mit Chili, «der Feurige», sagt die Dame, sei der absolute Hit.
Ihr Begleiter meint nur: «Ich liebe diesen Tag und zelebriere ihn wie jedes Jahr.» Sie ergänzt dabei etwas schelmisch: «Mittlerweile ist mein Mann am Dienstagabend für das Kochen zuständig, und ich bat ihn, Schüblig zu kochen.» Die Dame mit Traditionsbewusstsein kommt heute also gleich zweimal in den Genuss der würzigen Oberländer Würste.
«Auf den Schübligziischtig folgt ja der Valentinstag, den ich als ziemlich überflüssig empfinde», fügt sie hinzu. Sie esse lieber noch einmal einen Schüblig, den gebe es schliesslich nur einmal pro Jahr. «Blumen kann man dagegen immer kaufen oder geschenkt bekommen.» Anders beim Schüblig – und dann sei dieser erst noch günstiger als ein Blumenstrauss.
Der Schübligziischtig ist ein Brauch, der im Zürcher Oberland und im Tösstal am Fasnachtsdienstag gelebt wird. Er hat seit mehr als 500 Jahren Bestand. Seine Ursprünge sind auf die Reformationszeit durch Huldrych Zwingli im Zürcher Grossmünster zurückzuführen. Der Drucker der theologischen Schriften von Zwingli, Christoph Froschauer, veranstaltete zur Fastenzeit ein Wurstessen in seiner Druckerei und wurde gar wegen Fastenbruch angeklagt. Zwingli wiederum verteidigte ihn. Heute dient der Schübligziischtig noch manchen Leuten als krönender Abschluss vor Beginn der fleischlosen Fastenzeit.