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Will die Gemeinde Wildberg Alterswohnungen verhindern?

Schikane oder nur gründliche Abklärungen? Deshalb geht es mit den Alterswohnung in Wildberg nicht vorwärts.

Nichts mit Stille: Die geplanten Alterswohnungen sorgen für Knatsch zwischen der Gemeinde und der Eigentümerin des Hauses der Stille. (Archiv)

Foto: Bettina Schnider

Will die Gemeinde Wildberg Alterswohnungen verhindern?

Stiftung erhebt Vorwürfe

Beim Baugesuch zu den Alterswohnungen in Wildberg geht es nicht vorwärts. Es droht ein langer Rechtsstreit. Und die Eigentümerin bringt einen brisanten Vorschlag auf den Tisch.

Es waren grosse Pläne, die die Stiftung Good Samaritans im Frühling 2022 angekündigt hatte: Sie will beim Haus der Stille in Wildberg 15 Alterswohnungen bauen.

Doch seither blieb es still um das Projekt. «Wir haben die Baueingabe kurz nach der Informationsveranstaltung eingereicht», sagt Stiftungsratspräsident Heiner Henny. «Doch die Gemeinde ist offenbar nach anderthalb Jahren nicht mehr willens, das Projekt zu bewilligen – trotz vorgängiger Absprache.»

Von Spenden unabhängig machen

Die Stiftung Good Samaritans hat das Haus der Stille Ende 2020 vom Diakonissenhaus Riehen erworben. Im Haus bietet der Verein Oase Wildberg einen Ort der Spiritualität und des Rückzugs mit Kursangeboten und Übernachtungsmöglichkeiten.

Die Alterswohnungen sollen den Betrieb des Hauses von Spenden etwas unabhängiger machen. «Zudem geht es auch darum, dass wir die bestehende Infrastruktur besser auslasten», sagt Henny.

Übersichtsplan Alterswohnungen Wildberg
Die Stiftung will nicht nur Alterswohnungen, sondern auch einen Anbau für das Haus der Stille bauen.

Bewohner der Alterswohnungen können auch Dienstleistungen aus der Oase Wildberg beziehen, beispielsweise für Mahlzeiten oder das Erledigen der Wäsche. Neben den Alterswohnungen ist zudem ein Anbau mit rollstuhlgängigen Zimmern für die Oase geplant.

Streitpunkt Bauzone und Flachdach

Doch ans Bauen kann die Stiftung noch nicht denken. Das Gesuch ist seit gut anderthalb Jahren bei der Gemeinde hängig. «Ich war selber einmal Gemeinderat im Baselbiet, und so etwas habe ich noch nicht erlebt», sagt Henny ungläubig.

Denn die Probleme seien aus dem Nichts aufgetaucht – erst über ein Jahr nach der Baueingabe. Laut dem Präsidenten bringe die Gemeinde nun plötzlich immer wieder neue fadenscheinige Begründungen vor, wieso sie das Gesuch nicht bewilligen könne.

«Es wird sogar die Bauzone, in der das Haus steht, infrage gestellt», sagt er. Das Haus, so wie es heute betrieben werde, gebe es seit weit über 50 Jahren. In der Zwischenzeit sei der Zonenplan mehrmals revidiert worden. «Deshalb ist diese Aussage völlig unverständlich.»

Das Haus der Stille liegt am Ortsrand von Wildberg.

Auch das geplante begrünte Flachdach stuft die Gemeinde nun als nicht erlaubt ein. «Wir haben ja bereits ein Flachdach bei der Kapelle im Haus der Stille», sagt er. «Das ist einfach scheinheilig.» Zudem hätten mehrere Häuser in Wildberg Flachdächer.

Wollen Wildberger Alterswohnungen?

Hinzu kommt: «Die Gemeinde stellt den Betrieb von Alterswohnungen infrage», sagt Henny. Diese wollte die Stiftung in erster Linie an Wildberger und an zweiter Stelle an Freunde des Hauses der Stille vermieten. «Auf einmal wird behauptet, dass die Nachfrage nicht gross genug sei.»

Henny schüttelt bei dieser Behauptung den Kopf. «Wir haben seit Baueingabe immer wieder Anfragen von Personen der Gemeinde», betont er. Viele ältere Leute seien in Wildberg verwurzelt und wollten auch im Alter dort bleiben, aber in einer behindertengerechten Wohnung.

«Dass es bis jetzt keine Gelegenheit dazu gibt, sehen viele als Manko an», meint er. Über dreissig mögliche Interessenten seien zum Schluss gekommen, dass das Projekt für sie persönlich im dritten Lebensabschnitt sehr attraktiv sei.

Vorwürfe an Gemeindepräsidenten

Der Präsident des Stiftungsrats hat deshalb eine Vermutung: Die Gemeinde will einfach nicht für mögliche Heimkosten von Neuzuzügern aufkommen. «Ich verstehe, dass die Pflegefinanzierung schweizweit nicht fair gelöst ist», sagt Henny. «Aber das trifft nicht nur für Wildberg zu.»

Er glaubt, dass die Gemeinde die Alterswohnungen deshalb verhindern will. Und er erhebt dabei grosse Anschuldigungen gegen Gemeindepräsident Dölf Conrad (SVP): «Dieser hat kürzlich gegenüber Personen vom Verein Oase Wildberg geäussert, dass er das Projekt um jeden Preis verhindern will.»

«Fünf Anwälte, zehn Meinungen»

Der Gemeindepräsident bestreitet dies vehement. Er habe zwar tatsächlich generell Mühe mit der Regelung, dass Gemeinden für Pflegekosten aufkommen müssen, wenn eine Person nur zwei Jahre dort lebt. «Aber das ist meine persönliche Meinung», sagt er. Die habe mit dem Baugesuch nichts zu tun.

Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, äussert er sich dazu nur zurückhaltend. «Wir sind im Moment daran, das Gesuch gründlich abzuklären», betont Conrad.

Die Anwälte der Gemeinde seien bei den geplanten Alterswohnungen beim Haus der Stille in gewissen Punkten anderer Meinung als die Rechtsvertreter der Stiftung. «Das ist meistens so, wenn man fünf Anwälte hat, hat man zehn Meinungen.»

Nicht einfach Bauland

Die gründliche Abklärung des Gesuchs sei besonders wichtig, da sich das Land in der sogenannten Zone für öffentliche Bauten befindet.

Diese sind gemäss dem kantonalen Planungs- und Baugesetz zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bestimmt, beispielsweise für den Bau von Schulen oder einer Zivilschutzanlage.

Man sieht eine Karte mit dem geplanten Anbau und den Alterswohnungen beim Haus der Stille.
Das Grundstück beim Haus der Stille ist gross – und es befindet sich in der Zone für öffentliche Bauten. Das sorgt für Streit.

Die Erstellung von Alterswohnungen ist zwar ausdrücklich im Gesetz gestattet. Trotzdem will der Gemeinderat genau prüfen, ob das Projekt zulässig ist. «Früher war im heutigen Haus der Stille ein Seminar für Kindergärtnerinnen», sagt Conrad. Das sei zweifelsohne in der Zone gestattet gewesen.

Wir erfüllen unsere Pflicht als Gemeinderat und klären das Baugesuch sauber ab.

Dölf Conrad (SVP)

Gemeindepräsident von Wildberg

So bleibt die Frage, ob auch die jetzige Nutzung des Hauses der Stille diesem Zweck enspricht. «Allenfalls hat das Auswirkungen auf das Baugesuch.»

Gerichtsstreit droht

Conrad gibt jedoch zu, dass der Gemeinderat zum jetzigen Zeitpunkt Zweifel daran hat, ob die Alterswohnungen in Wildberg dereinst tatsächlich als solche genutzt werden können. «Nach unserer Erfahrung leben die älteren Leute in der Gemeinde so lange es geht zu Hause und gehen dann, wenn nötig, in ein Alters- und Pflegeheim.»

Doch entschieden sei ohnehin noch nichts. «Wir erfüllen unsere Pflicht als Gemeinderat und klären das Baugesuch sauber ab.»

Heiner Henny von der Stiftung Good Samaritans betont, dass die Stiftung weiterhin sehr an einer Einigung mit der Gemeinde interessiert ist. «Sollte das aber nicht möglich sein, müssen wir leider den Rechtsweg beschreiten.»

«Allenfalls werden wir beim Kanton abklären, ob sich die Liegenschaft auch als Unterkunft für Asylsuchende eignet.»

Heiner Henny

Stiftungsratspräsident von Good Samaritans

Auch die Gemeinde Wildberg scheut eine gerichtliche Auseinandersetzung nicht. Gemeindepräsident Conrad: «Wenn das nötig ist, machen wir das auch.»

Sollte dieser Prozess andauern, muss sich die Stiftung überlegen, was sie in dieser Zeit mit dem Haus macht – auch aus finanziellen Überlegungen. Heiner Henny hat bereits eine Idee: «Allenfalls werden wir beim Kanton abklären, ob sich die Liegenschaft auch als Unterkunft für Asylsuchende eignet.»

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