Wie Mieterträge aus dem Oberland verletzten Schwingern helfen
Aus Wetzikon und Gossau
Der Bäretswiler Res Betschart verwaltet seit März für den Eidgenössischen Schwingerverband ehrenamtlich zwei Mehrfamilienhäuser – und führt damit eine Oberländer Tradition fort.
Die Umstände sind nicht wirklich pässlich an diesem Abend an der Tändelistrasse 5 in Wetzikon. Es regnet, immer wieder passieren Autos die Quartierstrasse, die Aufgabe ist weder für den Fotografen noch für den Porträtierten dankbar. Irgendwann, während er mit verschränkten Armen in die Kamera lächelt, sagt Res Betschart: «Ich muss nicht unbedingt aufs Bild.»
Man kann das als übertriebene Zurückhaltung abtun, doch je nach Blickwinkel hat der Bäretswiler da schon einen Punkt. Er ist schliesslich nicht der einzige Protagonist in dieser Geschichte – die Rolle des gelben Mehrfamilienhauses im Hintergrund ist nicht minder wichtig.
Seit diesem März amtet Betschart als Hausverwalter für die Hilfskasse des Eidgenössischen Schwingerverbands. In dieser Funktion kümmert er sich um die Liegenschaft in Wetzikon und ein zweites Mietshaus im benachbarten Gossau, die der Verband besitzt (siehe Box).
Res BetschartGrundsätzlich gilt: Man hilft sich.
Deren Erträge, 2022 waren es gemäss der Jahresrechnung 175'000 Franken, fliessen in die Versicherung, die jeder Schwinger zwingend abschliessen muss, wenn er einem Klub angehören will. Sie ergänzt bei Verletzungen die berufliche Unfallversicherung und deckt bei Jugendlichen Zahnschäden.
Dass die Kosten dafür mit 50 Franken jährlich für einen Selbständigen, 40 für einen Angestellten und 15 für einen Jungschwinger moderat sind, ist in grossem Masse den Häusern in Wetzikon und Gossau zu verdanken.
Das Modell, so erklärt Hausverwalter Betschart, stehe im Zeichen des Solidaritätsgedankens, den man im Eidgenössischen Schwingerverband pflege: «Oben wird das Geld verdient, das dann nach unten fliesst: vom Eidgenössischen an die Teilverbände, von den Teilverbänden an die kantonalen Verbände und von dort an die Schwingklubs. Grundsätzlich gilt: Man hilft sich.»
Ein Leben im Zeichen des Schwingsports
Betschart muss es wissen. Der 52-Jährige hat einen grossen Teil seines Lebens dem Schwingsport gewidmet. Nach seinem verletzungsbedingten Rücktritt als Aktiver im Alter von nur 24 Jahren schlug er eine ehrenamtliche Funktionärskarriere ein, die ihn durch alle Stufen und Bereiche führte.
So hat er unter anderem diverse Aufgaben im Schwingklub Zürcher Oberland übernommen, als OK-Chef den Bachtelschwinget organisiert, fast zwei Jahrzehnte als Kampfrichter fungiert und zuletzt sieben Jahre als Technischer Leiter Jungschwingen im Zentralvorstand des Eidgenössischen Verbands geamtet.
Er sagt: «Sobald man beginnt, Stunden aufzuschreiben, muss man aufhören.» Es gehe einfach darum, etwas von dem zurückzugeben, was man erhalten habe. Und sowieso: «Man kann immer etwas lernen.»
Das klingt ziemlich lapidar in Zeiten, in denen Vereine landauf, landab Mühe bekunden, engagierte Führungsmitglieder zu finden. Doch für den dreifachen Familienvater ist das offenbar fast schon selbstverständlich.


Es verwundert deshalb kaum, dass er nun noch einmal eine neue Aufgabe übernommen hat: Zumal er für diese beruflich fast schon prädestiniert ist. Als Liegenschaftsverwalter einer Gemeinde kennt er die Materie aus dem Effeff, zudem liegen die beiden Häuser in der Region.
Seine Attitüde hat im Oberland durchaus Tradition. Der lokale Schwingklub Zürcher Oberland verfügt zwar nicht unbedingt über Athleten der Hubraumklasse eines Samuel Giger oder Joel Wicki. Dafür aber über eine ansprechende Breite – was wiederum sinnbildlich ist für sein grosses Engagement für die Sache.
Zwei Hausverwalter, zwei Ehrenmitglieder
Für seine Bemühungen ist Res Betschart jüngst in den Genuss einer ganz besonderen Auszeichnung gekommen: Im Frühjahr ist er zum Ehrenmitglied des Eidgenössischen Schwingerverbands gewählt worden. Ein Status, den vor ihm erst zwei Oberländer erlangt haben und der ihn unter anderem dazu berechtigt, an allen eidgenössischen Festen auf der Ehrentribüne Platz zu nehmen.
Dort kann er, wenn er denn möchte, auch gleich seinem Vorgänger Bericht erstatten. Res Schlumpf, 64-jähriger Landwirt aus Oetwil am See und seit je Mitglied des Schwingklubs Zürcher Oberland, hat den Job des Hausverwalters die letzten 13 Jahre erledigt. Er ist im März, anlässlich seines Rücktritts, ebenfalls in den Rang eines Ehrenmitglieds erhoben worden.

Tatsächlich steht der Vater der prominenten Wetziker Marathonläuferin Fabienne Schlumpf seinem Vornamensvetter in Sachen Leidenschaft und Engagement in nichts nach. Wie Betschart liess der 18-fache Kranzschwinger auf seine Aktivkarriere eine lange Funktionärslaufbahn folgen, in der er Ämter im Klub, im kantonalen und im Nordostschweizer Teilverband bekleidete.
Schlumpf ist 2010 zu seinem Posten als Hausverwalter gekommen. Von der Materie selbst hatte er «keine Ahnung», eine Schnellbleiche in Form eines Kurses beim Hauseigentümerverband musste genügen.
Res SchlumpfWir sind ein Schwingerverband und keine Immobiliengesellschaft.
Der in der Schwingszene sorgsam kultivierte Solidaritätsgedanke, so erzählt er, werde auch bei der Vermietung und beim Unterhalt der beiden Liegenschaften hochgehalten. «Es geht nicht um die Maximierung der Rendite. In Gossau ist man mit rund 1000 Franken für eine 3½-Zimmer-Wohnung dabei.»
Gleichzeitig betont Schlumpf, dass er stets auf einen persönlichen Umgang mit den Mieterinnen und Mietern wert gelegt habe. Dementsprechend tief sei die Fluktuationsrate. Rennovations- und Umbauarbeiten werden wenn immer möglich an Unternehmen vergeben, die sich im Besitz von Verbandsmitgliedern befinden.
Dass das Portfolio dereinst noch erweitert werden könnte, glaubt er nicht. «Wir sind schliesslich ein Schwingerverband und keine Immobiliengesellschaft.»
Eine Institution, geprägt durch das Oberland
Die Hilfskasse des Eidgenössischen Schwingerverbands hat eine mehr als 100-jährige Tradition. 1919 ist sie gegründet und 1944 in eine Genossenschaft umgewandelt worden. Heute mag sie nicht mehr ganz die gleiche Bedeutung haben wie früher, als die Athleten in der Regel Landwirte waren, für die eine Verletzung schnell einmal existenzgefährdend werden konnte.
Um die Gelder gewinnbringend anzulegen, hat die Institution 1972 das 12-Familien-Haus an der Haldenstrasse 1 in Gossau erworben, 1999 die ebenso viele Wohnungen fassende Liegenschaft in Wetzikon. Beide Liegenschaften sind zwischenzeitlich saniert worden.
Dass die Häuser im Oberland liegen, ist freilich kein Zufall. In der führenden Verwaltungskommission sind traditionell viele Persönlichkeiten aus dem Raum Zürich und dem Schwingklub Zürcher Oberland vertreten. Das zeigen allein die Hausverwalter: Vor Res Schlumpf und Res Betschart hatte der Wetziker Felix Tobler das Amt inne.

Der Wirkungsbereich hat sich derweil erweitert. Inzwischen zahlt die Hilfskasse nicht mehr nur den Lohnausfall bei Verletzungen, sondern auch an diverse Massnahmen in der Verletzungsprävention, unter anderem beim Bau oder Umbau von Schwingkellern.
Die Hilfskasse ist indessen nicht die einzige Stelle, die den Mitgliedern (Funktionäre eingeschlossen) bei Bedarf unter die Arme greift. Seit 2003 unterhält der Eidgenössische Verband einen Unterstützungsfonds, in den Klubs, Feste, Verbände und Private in Form von Spenden einzahlen. Aus diesem kann für besondere Härtefälle Geld beantragt werden, etwa im Fall einer Invalidität.
Generell gilt, dass Gelder für Hilfsfälle stets bei den Verbänden, dem Fonds und auch bei der Hilfskasse beantragt werden können. Die einzelnen Stellen sprechen sich untereinander ab, worauf jede einen bestimmten Betrag spricht. (mmu)